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Weniger Rhythmusgefühl

Seine Tore werden Jahn Regensburg bei der Endrunde fehlen: Marquinhus hat 46 Mal in der abgelaufenen Regionalliga-Saison getroffen - ist nun aber wieder in seiner Heimat Brasilien.

Titelverteidiger Jahn Regensburg startet eingeschränkt von einer neuen Regel in die Endrunde der Deutschen Meisterschaft.

Eigentlich soll Oliver Vogel seinen lädierten Fuß hochlegen. Doch Rumsitzen und Nichtstun, das kommt dem Abteilungsleiter der Regensburger Futsaler gerade ungelegen, schließlich beginnt nun die entscheidende Phase der Saison: Die Endrunde um die deutsche Meisterschaft. Am Sonntag trifft der Jahn in den Playoffs auf Türkspor Nürnberg, ein Fußball-Bezirksligist, der den Süddeutschen Futsal-Cup gewinnen konnte. Vorfreude mag aber nicht so richtig aufkommen, der Jahn ist im Titelkampf dieses Mal nur Außenseiter. Es gibt da nämlich diese neue Regel: Sie begrenzt den Einsatz von Spielern, die nicht aus Europa kommen, auf drei pro Team.

Unter den besten Vereinen leidet Regensburg darunter am meisten: Inklusive Spielertrainer Lucas Kruel stehen acht Brasilianer im Kader - auch deshalb wurde der Jahn 2017unverhofft Deutscher Meister. Doch es hatte Beschwerden gegeben, die etablierten Klubs fühlten sich benachteiligt, angesichts der Unterstützung aus dem Mutterland des Futsals, der Verband reagierte. "Den Titel zu verteidigen, wird, ich will nicht sagen unmöglich, aber unsere Qualität geht nun mal runter und die der anderen rauf", sagt Vogel. Favoriten sind andere: Die HSV-Panthers, mit vier Titeln Rekordmeister, oder der sächsische Vorjahresfinalist Hohenstein.

Wenn Vogel, 48, über die neue Ausländerregel spricht, merkt man, wie sehr das Thema ihn immer noch verärgert. "Es war dem DFB wohl nicht so recht, dass wir innerhalb von zwei Jahren die Meisterschaft gewonnen haben und international spielen", glaubt er. Sie fühlen sich vom Verband ungerecht behandelt in der Oberpfalz. Denn auch andere Vereine setzen auf ausländische Spieler, akquirieren jedoch vor allem vom Balkan, wo Futsal etablierter ist als hierzulande. Wie zum Beispiel Weilimdorf, das fast ein Dutzend Kroaten unter Vertrag hat und diese Saison in der Regionalliga Süd vor Regensburg landete. "Die anderen können machen was sie wollen, uns hat man gezielt limitiert. Das ist ein offenes Geheimnis", sagt Vogel.

Als Regionalliga-Zweiter müssen die Regensburger bei der Endrunde in diesem Jahr zudem zwei Extrarunden einlegen: Zwei Wochen nach dem Spiel gegen Nürnberg geht es im Achtelfinale gegen den Zweiten aus dem Westen, der Sennestadt oder Köln heißt. Erst dann stünde Regensburg im Viertelfinale, dort, von wo es im letzten Jahr losging. Teammanager Florian Roth sieht nicht unbedingt einen Nachteil: "Damals hatten wir eine lange Pause, nun bleiben wir im Rhythmus", sagt er.

Das in ungewohnter Besetzung spielende Team hat Zeit, sich zu finden. Denn auch die Abgänge seiner Besten belasten den Jahn: Vor der Saison war Alemao, der den Jahn quasi alleine zum Titel geschossen hatte, nach Brasilien zurückgekehrt, genauso wie Guilherme Fonseca im Winter - und nun Marquinhus, diese Saison 46 Mal erfolgreich. Er hatte ein rentables Angebot aus der zweiten Liga erhalten. Doch damit muss der Jahn rechnen: Die Brasilianer sind hauptsächlich wegen Kruel hier, viel verdienen kann man in Deutschland mit Futsal nicht.

Zur Saison 2020/21 könnte sich das grundlegend ändern. Der DFB plant dann die Einführung einer Bundesliga. Im Mai soll es Gespräche mit den Vereinen geben. Vogel hält eine eingleisige Liga für einen notwendigen Schritt hin zur Professionalisierung des Sports, für Regensburg würde das aber vermutlich bedeuten, dass der Verein jährlich eine sechsstellige Summe aufbringen müsste, um den Spielbetrieb zu ermöglichen. Nicht ganz einfach, derzeit verfügt der Jahn nur über ein paar lokale Sponsoren. "Wir müssten unser Budget verfünffachen", sagt Vogel, dennoch, beim Start der Bundesliga wolle man unbedingt dabei sein, "so was passiert schließlich nicht alle Tage".

Vogel vertraut darauf, dass sich seine Zukunftsvision erfüllt

Spätestens in fünf Jahren soll der Großteil des Bundesliga-Kaders aus dem eigenen Nachwuchs kommen. Zwei Jugendteams gibt es aktuell, U13 und U10, die drinnen und draußen trainieren, so wird ihnen nicht frühzeitig die Wahl zwischen Futsal und Fußball genommen.

Trainiert werden die Kinder von Kruel und seinen Landsmännern. Die südamerikanische Entwicklungshilfe scheint etwas zu bewirken. "Früher konnten sie nicht mal richtig passen", sagt Vogel. Mittlerweile könnten sie jedoch sogar mit den Fußballteams aus den Leistungszentren mithalten. Im April sind die Bayern, RB Leizpig und Hannover 96 zum Turnier geladen. Auch das zeigt: Die 2015 gegründete Futsal-Abteilung des Jahn ist inzwischen zur ernsthaften Konkurrenz im Jugendbereich für den ausgegliederten Fußball-Zweitligisten geworden.

Bei der Futsal-EM machte Vogel neulich Bekanntschaft mit Ricardo Ortiz, dem Kapitän des spanischen Nationalteams. Und Ortiz hat Vogel und seine U13 nach Madrid zu einem Training eingeladen, bei ihm und Weltfutsaler Ricardinho, der mit Ortiz bei Inter Movistar spielt. Vogel vertraut darauf, dass sich seine Zukunftsvision von Futsal in Regensburg erfüllt: "Die Kinder werden richtige Granaten", sagt er; und glaubt, dass der filigrane Hallensport den deutschen Fußball nachhaltig verändern kann: "In ein paar Jahren reden wir vielleicht über ganz andere Spielweisen."

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