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Die Heidelberger Weltliga: Flüchtlinge, Fußball & Vielfalt

Jede Woche treten acht Mannschaften in der Weltliga gegeneinander an. Foto: Julian Budjan

Einmal in der Woche treffen sich Flüchtlinge und deutsche Paten im Heidelberger Sportzentrum Süd, um gemeinsam Fußball zu spielen. Die sogenannte „Weltliga" findet im Rahmen der „Sport für Vielfalt"-Initiative statt und soll den Flüchtlingen Spaß sowie Freundschaften bringen. Und ihnen eine Konstante im neuen Leben bieten.


Es ist schwül an diesem Dienstagnachmittag in der Heidelberger Südweststadt. Auf der Trainerbank, am Rande eines Fußballplatzes, sitzen mehrere junge Männer und warten. „Die kommen auch jede Woche später", scherzt einer von ihnen. „Die" - damit sind die Spieler der sogenannten Weltliga gemeint. Sie stammen aus Nigeria, Syrien, Eritrea, Afghanistan, Gambia, Irak oder dem Kosovo und haben ihr Heimatland verlassen, um in Deutschland ein besseres Leben zu finden. Der Fußball soll ihnen dabei helfen.

„Sport für Vielfalt"

Jede Woche treten die Flüchtlinge in acht Teams gegeneinander an, pro Mannschaft spielen zwei deutsche Paten mit. „Die meisten Flüchtlinge langweilen sich den ganzen Tag. In den Unterkünften gibt es nicht viel, womit sie sich beschäftigen können", erklärt Ivo Ritter vom Organisationsteam. Der Psychologie-Student kickt in seiner Freizeit bei der FG Rohrbach und wollte sich engagieren. Schon seit letztem Jahr bestehen in den Flüchtlingsheimen in der Hardtstraße, in der Henkel-Teroson-Straße und den Patton Baracks kleine Spielgruppen. Im Frühjahr entstand dann der Kontakt mit Murat Yulafci (Foto) von der Mosaik-Gemeinde Heidelberg, der mit seiner Kirche die Flüchtlinge in der Hardtstraße betreut. „Wir haben zusammen in den Unterkünften Werbung für die Idee Weltliga gemacht", sagt Yulafci, „die meisten waren total begeistert. Da wussten wir: Das müssen wir unbedingt umsetzen." Die Weltliga wird im Rahmen der „Sport für Vielfalt"-Initiative ausgetragen, die vom Sportkreis Heidelberg ins Leben gerufen wurde. Kooperationspartner sind unter anderem das Interkulturelle Zentrum Heidelberg, die Caritas, der Asylarbeiterkreis und die SG Kirchheim, die ihren Platz im Sportzentrum Süd zur Verfügung stellt. „Die Jungs sollen Spaß haben, neue Freundschaften knüpfen und in Kontakt mit Deutschen kommen", betont Yulafci, „außerdem kann sie der Sport selbstbewusster machen und von Negativem wie Drogen fernhalten."

Es hat sich rumgesprochen

Nach etwa 20 Minuten trudeln die meisten Teilnehmer ein. Rund 100 Menschen tummeln sich innerhalb kürzester Zeit auf dem Grün. Die Vorfreude auf den dritten Spieltag der Weltliga ist überall zu spüren. Das war nicht immer so. „Es hat sich mittlerweile rumgesprochen", erklärt Yulafci, „am Anfang mussten wir die Leute einzeln rausklingeln. Jetzt sieht man die Früchte." Am Spielfeldrand steht eine Kiste mit Fußballschuhen und Leibchen, die von Sponsoren zur Verfügung gestellt wurden. Die Ausrüstung wird benötigt, denn einige Flüchtlinge sind nur in Straßenkleidung gekommen.

Fairplay-Ansprachen und Konflikte

Bevor es losgeht, halten die deutsche Paten Fairplay-Ansprachen. Die Verständigung klappt gut, „zur Not mit Händen und Füßen", so Yulafci. Die meisten Flüchtlinge beherrschen aber passables Englisch. „Gebt euch vor und nach dem Spiel die Hände. Und spielt fair. Keine unnötigen Fouls", sagt einer der Paten, von denen der Großteil Studenten sind. Das wird nicht immer eingehalten. Im ersten Spiel fordert Team Smiling Coast nach einem umstrittenen Zweikampf vehement einen Strafstoß gegen Team Nigeria. Es kommt zu verbalen Auseinandersetzungen. Ivo Ritter wird als Schiedsrichter bei strittigen Szenen aktiv. Er gibt den Elfmeter nicht. „Einige nehmen die Spiele sehr ernst, wollen unbedingt gewinnen. Deswegen entstehen da auch mal Konflikte", erklärt er. Doch Yulafci, als ehemaliger Jugendspieler des Karlsruher SC, beruhigt: „Wer selbst Fußball gespielt hat, weiß: Es geht hier nicht mehr oder weniger unfair zu. Klar bekommt mal jemand eine rote Karte, aber insgesamt sind wir sehr zufrieden wie es läuft."

Schwieriges Leben in Afghanistan

An der Seitenlinie wartet derweil Ali Nazari darauf, dass das Spiel seines Teams Friedenstaube gegen das Team Asmera beginnt. Vor zwei Jahren verließ er sein Heimatland Afghanistan und floh über den Iran und die Türkei nach Europa. Ali gehört zur Hazara-Volksgruppe, einer sowohl konfessionellen als auch ethnischen Minderheit in Afghanistan: Die Hazara sind Schiiten und haben ein asiatisches Aussehen. Seit Jahrzehnten werden sie diskriminiert. „Es war sehr schwierig in Kandahar zu leben, wir mussten um unser Leben fürchten", erzählt Nazari. Seine Familie ließ er im Iran zurück, eine gemeinsame Flucht wäre zu gefährlich gewesen. „Natürlich habe ich oft Heimweh", gibt er zu, während sein freundliches Lächeln für einen Moment verschwindet.

Arbeit und dauerhafte Bleibe

In Heidelberg wohnt Ali im Flüchtlingsheim in der Hardstraße. Er betont: „Ich fühle mich hier sehr wohl und in Sicherheit." Sein Deutsch ist gut verständlich; das ist auch der Verdienst seiner deutschen Freundin, die er hier kennengelernt hat. Seit einem halben Jahr ist Ali nun auch mit Murat Yulafci bekannt. Für die Weltliga war Nazari schnell zu begeistern, denn Fußball ist schon im Heimatland ein Hobby gewesen, sein Lieblingsklub ist der FC Barcelona. „Die spielen so schön, ich hoffe, dass sie die Champions League gewinnen", sagt er zuversichtlich. Zunächst aber will Ali mit seiner Mannschaft siegen, denn eine Partie hat Team Friedenstaube bereits verloren.

In der ersten Halbzeit spielen die Friedenstauben engagiert nach vorne und gehen nach einem Eckball von Nazari verdient in Führung. In der zweiten Hälfte läuft es weniger gut und in letzter Minute gleicht Team Asmera aus. Wieder kein Sieg für Ali und sein Team. Er ist ausgepumpt und lässt die Schultern hängen, die Enttäuschung ist im anzumerken. Doch nach einigen Minuten kann er schon wieder lächeln. Für Traurigkeit gibt es auch wenig Grund: Vor kurzem hat Nazari endlich seine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekommen und dank Yulafci eine Arbeitsstelle bei einer Catering-Firma gefunden, die Kindergärten versorgt.

Finale vor großem Publikum

Um das Finale der Weltliga zu erreichen, muss sich Alis Team noch steigern. Das Endspiel wird im Rahmen des Sommercups der SG Kirchheim ausgetragen. „Zwei Gedanken stecken dahinter", erklärt Ivo Ritter: „Für die Jungs ist es toll, vor so einem großen Publikum zu spielen und beiden Seiten werden die Berührungsängste genommen." Bis Ende Juli stehen noch einige Spieltage auf dem Programm. Die Weltliga nimmt dabei für die Teilnehmer einen wichtigen Platz in ihrem neuen Leben ein, wie Yulafci erzählt: „Viele haben mir gesagt, dass diese zwei Stunden das Highlight ihrer Woche sind."


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