Der Straßenkarneval tobt. Traditionsgemäß stürmten die Narren die Rathäuser in Giesenkirchen und Odenkirchen. Diesmal wurde es auch am Alten Markt jeck.
Kurz vor 11 Uhr passiert es dann doch - der Nieselregen hat den Karneval erreicht. Doch die Musikboxen auf dem Wingertsplatz dröhnen so laut, dass die paar Tropfen der Stimmung keinen Abriss tun. Langsam trudeln die Jecken ein. Indianer, Gärtner, Clown und Eiskönigin versammeln sich und warten auf das Mönchengladbacher Prinzen-Paar. Von Möhnen bislang keine Spur. „Die sind ja in Giesenkirchen", ruft ein Tiger vom Getränkewagen.
Pünktlich um 11.11 Uhr wird der Straßenkarneval eröffnet. Die Show Trompeten MG Odenkirchen 1992 ziehen in neonfarbener Kleidung vor die Bühne der KF Schwarz-Gold Odenkirchen und spielen eine Samba. „Heute ist ein besonderes Datum", begrüßt Edgar Daniels, Vorsitzender Schwarz-Gold-Odenkirchen, die Jecken am 20.02.2020. „Viele dachten, die Leute sind alle im Standesamt. Dabei sind sie auf den Straßen, um Karneval zu feiern." Und so geschieht es. Das Prinzen-Paar Axel I. und Niersius Thorsten starten ihre Altweiber-Tour traditionsgemäß in Odenkirchen. Und zack, der Himmel bricht auf, und die Sonne strahlt auf „Okerke" herab. Die Mariechen der MKV-Prinzengarde tragen regenbogenfarbene Ringelsöckchen und Haarschmuck. Auf die Frage, was die Prinzen heute täten, da an Altweiber schließlich die Weiber regierten, antwortet Niersius: „Wir regieren heute von einem neutralen Standpunkt aus und setzen die Frauen in den Mittelpunkt. So, wie an jedem Tag."
Nach zwei Ständchen ziehen die Tollitäten samt Gefolge Richtung Giesenkirchen. Und dann endlich lässt sich die erste Möhne in Odenkirchen blicken. Christine Houy ist dort außer Konkurrenz. Seit der Schulzeit verkleidet sich die 85-Jährige jedes Jahr leidenschaftlich gern als Möhne. „Ich gehe nachher noch auf zwei weitere Veranstaltungen. Und jedes Mal ziehe ich mir etwas anderes an", sagt die gelernte Näherin.
Mehr Möhnen sind stattdessen in Giesenkirchen zu finden: Es brodelt dort ordentlich, denn ab 11 Uhr füllt sich der Konstantinplatz zusehends mit Möhnen, Karnevalisten und Zuschauern. Mit Besorgnis sieht das Bezirksvorsteher Hermann-Josef Krichel-Mäurer. „Das ist nun heute das elfte und auch mein letztes Mal, dass ich mit meinen Leuten das Rathaus verteidigen muss, bisher haben wir immer verloren. Vielleicht hilft uns die närrische Zahl", meint er hoffnungsvoll. Die Verteidiger haben ihr Quartier in der oberen Etage des Rathauses bezogen, das eigentlich im Eigentum des Heimatvereins ist, doch Vorsitzende Gudrun Gruhn, die sich unten bei den Angreifern befindet, hat großzügig die Räume für den Altweibertag abgetreten.
Auf dem Platz läuft als Motivation für die Angreifer ein närrisches Programm ab, durch das Sarah-Victoria Paulus und Rüdiger Cremers (Tante Rüdi von den LaLa-Boys) führen. Das Programm tut seine Wirkung und die Möhnen starten einen ersten Angriff, der jedoch abgewehrt werden kann.
Kurz vor 12 Uhr wird es laut auf dem Konstantinplatz; die Große Rheydter Prinzengarde, die Prinzengarde der Stadt, der MKV-Vorstand und das Prinzen-Paar Axel I. und Niersius Thorsten ziehen auf. Prinz Axel kündigt dem nervösen Bezirksvorsteher ein besonderes Geschenk an: „Wir haben einen Koffer mit gesundem Menschenverstand dabei, den man ja auf die anderen Verwaltungsstellen verteilen kann." Trotz aller Unterstützung - auch ein zweiter Ansturm auf das Rathaus scheitert, und der Tross der Prinzen zieht enttäuscht ab. Anders wird es nach dem Eintreffen des Kinderprinzenpaares Louis und Theresa. Sie begeistern die Angreifer mit Gesang und Orden, worauf der Bezirksvorsteher ängstlich ausruft. „Ich ahne Fürchterliches." Seine Angst ist berechtigt, denn gegen 13 Uhr kapituliert nach kräftigem Ansturm die Verwaltung und öffnet das Tor.
In ganz Mönchengladbach strömen später Möhnen und Karnevalisten durch die Straßen. In diesem Jahr auch verstärkt am Alten Markt. Der Club der Wirte hatte angekündigt, Lokale in der Altstadt seien von 12 bis 3 Uhr geöffnet. Die Brüder Özgür, Betreiber der Nachtgalerie, lockten mit freiem Eintritt und Freigetränken 200 Gäste an.