Heute ist es soweit. Ich verlasse eine Heimat. Meine Dritte. Nach Stuttgart zog ich im Oktober 2014. Fast zwei Jahre ist das jetzt her. Vorher habe ich mir nie Gedanken über das Schwabenland gemacht, was sollte das eigentlich sein? Von Stuttgart hörte ich damals nur aus Medienberichten über den VFB, Stuttgart 21 oder Cro, dem stolzen Jungen der Stadt. Ich zog also völlig grün hinter den Ohren in den Süden Deutschlands. Ich kannte niemanden. Die Sprache, das Essen und die Kultur waren mir fremd.
Was für einige einschüchternd klingt, ist für mich genau das Gegenteil. Zu wissen, dass noch etwas anderes da draußen ist, als das vertraute Umfeld, ist das Größte, um sich lebendig zu fühlen. Es verleiht so viel Positivität. Trotzdem ich der größte Morgenmuffel bin, möchte ich plötzlich früh aufstehen und tausend Dinge erleben. An jeder Ecke warten andere Eindrücke. Das Leben sprüht förmlich vor Inspiration und Tatendrang.
Ich hätte im Traum nicht daran gedacht, dass ich mal von „Träubleskuchen" und „Bierle" reden würde. Auch, wenn ich mich in Stuttgart manchmal als Dummchen fühlte, weil ich mehr als einmal auf dem Schlauch stand, wenn sich meine schwäbischen Freunde etwas zu euphorisch unterhielten, war es doch immer einen Lacher wert. So viel gelacht habe ich in diesem Jahr und gleichzeitig so viele Missverständnisse verursacht. Nicht nur durch sprachliche Barrieren, sondern auch durch alltägliche Gewohnheiten, von denen mir manche immer noch ein Rätsel bleiben. Durch die Offenheit und die Toleranz meiner Freunde habe ich step by step ihre Welt gezeigt bekommen und konnte mir davon so viel mitnehmen. Ich glaube für Menschen, die einen festen Platz - eine Heimat - haben, ist das keine Selbstverständlichkeit.
Was bleibt mir also neben all den schönen Erinnerungen der letzten zwei Jahre? Meine erste eigene WG wurde aufgelöst und verkauft, meine alten Mitbewohner sind in der Welt verstreut. Die Uni ist fürs Erste auch vergessen. Aber ich habe ganz viele neue tolle Menschen. Zwar nicht mehr nur fünf U-Bahn Stationen weit weg, aber dafür immer noch einen Anruf entfernt. Menschen, von denen ich weiß, dass sie da sein werden. Menschen, die wissen was mir eine Sorgenfalte auf die Stirn zaubert. Menschen, die mich zu meinen besten und zu meinen schlimmsten Zeiten gesehen haben. Menschen, mit denen ich in den letzten zwei Jahren mehr Zeit verbracht habe, als mit meiner Familie. Dafür, dass wir uns erst so kurz kennen, kann ich mir nicht mehr vorstellen ohne sie zu sein.
Zeit für einen Tapetenwechsel
Was ich von meiner neuen Heimat erwarte weiß ich nicht. Köln ist für mich neu und doch so vertraut. Plötzlich lebe ich mit meinen Geschwistern wieder in derselben Stadt. Ich habe meine ältesten Freunde um mich herum und bin nur eine Stunde von „daheim" entfernt. Ausreden gibt es nicht mehr, ich habe jetzt bei allen Festen Anwesenheitspflicht.
Aber ich habe noch nie in Köln. Ich weiß nicht, wie ein Alltag in der lauten, multikulturellen, herzoffenen Domstadt aussieht. Ich werde einen Job und Kollegen haben und mir wieder einmal ein neues Umfeld aufbauen müssen. Und es gibt nichts, worauf ich mich in den letzten Monaten mehr gefreut habe. Ich möchte mich endlich wieder überraschen lassen, Spaß haben, spontan sein können, Neues kennenlernen und Vertrautes wiedersehen. Ich möchte mich zuhause fühlen.