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Leben in Stuttgart auf Amerikanisch

Gegenseitiges Verständnis, Achtung vor der anderen Kultur und Wohltätigkeit: Dafür steht der German American Women's Club (GAWC). Doch wie sehr nehmen die Mitglieder die gegenseitige Kultur auch an?


Küsschen links, Küsschen rechts. „How are you? I haven’t seen you in a long time". Mitten in Stuttgart treffen Frauen besten Alters in bunten Kostümen, mit aufwendigen Frisuren und schicken Taschen aufeinander. Eifrig werden Handys herausgeholt, Erinnerungen festgehalten und der neueste Klatsch und Tratsch ausgetauscht. Nein, die Damen sind nicht in einem amerikanischen Vorort, sondern in der Landeshauptstadt Baden-Württembergs – inmitten eines Aufeinandertreffens beider Nationen.

Deutsch-Amerikanische Frauenpower

Der German American Women’s Club e.V. wurde 1949 von Frauen amerikanischer Soldaten gegründet. Damals diente er, wie heute auch noch, zur Völkerverständigung und zum Kulturaustausch. Hinzu kamen die Wohltätigkeitsarbeit und die Stärkung der deutsch-amerikanischen Freundschaft durch verschiedene Projekte. Über 300 Mitglieder sind deutschlandweit im Verein aktiv; ganze 35 Clubs gibt es. Das größte Projekt des GAWC ist der jährliche Pfennigbasar im Oktober: eine Art Hallenflohmarkt, wo Geld zur Unterstützung gemeinnütziger Organisationen gesammelt wird. Letztes Jahr nahm der GAWC 40.000 Euro ein, die nun feierlich im Stuttgarter Rathaus weitergereicht werden. Neben deutschen Empfängern, wie z.B. das Hilfswerk der Deutschen Bundeswehr, die Junge Oper Stuttgart und der Verein krebskranker Kinder, werden auch amerikanische Projekte unterstützt.

Die Gäste werden von einem älteren gebräunten Mann mit breitem Lächeln und blitzweißen Zähnen zum Sektempfang auf Kosten des Rathauses eingeladen, während sie in den hellen Raum treten. Ein kleiner Junge und sein Vater in Pfadfinderuniformen nehmen gerade Platz, während vier bewaffnete junge Männer in Militär-Uniform mit der deutschen und amerikanischen Flagge still an der Fensterwand stehen. „Those are the Color Guards. They represent new Colors", tuscheln zwei Damen in den hinteren Reihen. Ungefähr 80 Prozent der Anwesenden sind Frauen über 50. Es wird fast ausschließlich Englisch geredet.

Amerikanische Subkultur

„I live in Germany for 35 years now and I can’t speak a single word German", sagt Ginny Rodriguez amüsiert und verwundert zugleich. Ihr Mann ist der Befehlshaber des United States Africa Command (AFRICOM) in Stuttgart. Dadurch ist die Amerikanerin ins Schwabenländle gekommen und lebt seither in den Kelley Barracks in Möhringen, abgeschottet von der deutschen Kultur. Kaum etwas erinnert dort an Deutschland. Die Architektur, Infrastruktur und das Leben in den Barracks weisen keine Parallelen zum schwäbischen Alltag auf. Ihre amerikanischen Nachbarinnen lud Ginny in den Frauenverein ein. „It’s a wonderful tradition! It helps strengthen our friendship." So beschreibt sie den GAWC und dessen Projekte.

Das Gegenstück zu Ginny Rodriguez ist die Deutsche Birgit Lobmann. Sie ist „quasi durch Zufall" in den Club gerutscht. 2008 zog sie mit ihrer Familie nach Stuttgart. Die vorige Hausbesitzerin war Mitglied im Frauenverein und nahm Birgit zu eines der Treffen mit. „Ich habe noch nie zuvor was vom GAWC gehört, hatte keine Bindung zu den USA und konnte kaum Englisch", erzählt sie lachend. Mittlerweile ist Birgit für das Student Exchange Programm zuständig.

Während der Spendengala sorgt das Wort „professionalism" – ein echter Zungenbrecher – für Lacher im Publikum. Eine Deutsche hat sich dazu entschlossen, ihre Rede den Amerikanern zuliebe auf Englisch zu halten. Schließlich wolle man ja das gegenseitige Verständnis sichern und da müsse man sich anpassen. Es wird immer wieder beteuert wie „thankful" jeder sei und wie sehr sich die harte Arbeit lohne. Anschließend werden Hände geschüttelt, neue Bekanntschaften gemacht, Handynummern ausgetauscht und Fotos von Kindern zu Sekt und Kuchen herumgezeigt. Connections are everything! Typisch Amerikanisch eben. Am Ende verabschieden sich die Ladys genauso überschwänglich, wie sie sich zwei Stunden zuvor noch begrüßten: Küsschen links, Küsschen rechts. „See you next year!"

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