Start-ups können aufatmen: Nach Kritik aus der Gründerszene enthält das nachgebesserte Gesetzespaket zum Kleinanlegerschutz nun doch weitreichende Ausnahmen für Schwarmfinanzierungen.
Kleinanleger sollen nach dem Milliardenskandal um den Windpark-Finanzierer Prokon besser davor geschützt werden, ihr Geld durch hochriskante Anlagen zu verlieren. Mit den Stimmen von Union und SPD beschloss der Bundestag ein Gesetzespaket von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD). Vor Inkrafttreten muss noch der Bundesrat grünes Licht geben.
Um den boomenden deutschen Markt für Geldanlagen über Internet-Plattformen (Crowdfunding) nicht abzuwürgen, hatte die Koalition nach teils massiver Kritik aus der Gründerszene ihr neues Gesetz zum besseren Schutz von Kleinanlegern unmittelbar vor der Bundestagsentscheidung nachgebessert und weitreichende Ausnahmen in das Gesetz aufgenommen.
So müssen Anbieter von Crowdfunding-Projekten nun erst ab einer Schwelle von 2,5 Millionen Euro einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) geprüften Vermögensanlageprospekt vorlegen. Die Schwelle hatte zunächst bei einer Million Euro gelegen. Experten hatten mit dieser Anhebung gerechnet, da die Summen von Crowdfunding-Kampagnen in letzter Zeit mehr und mehr angestiegen waren.
Kleinanlegerschutz: Was weiterhin Pflicht istVerpflichtend für alle Anlagen ist allerdings weiterhin ein Vermögensinformationsblatt. „In jedem Fall müssen Anleger bestätigen, dass sie das Informationsblatt erhalten haben", sagt Robert Michels, Partner in der Kanzlei Dentons. Das soll nun aber - anders als bisher vorgesehen - auch elektronisch und nicht nur per Post möglich sein. Vor allem Online-Crowdfundingplattformen hatten kritisiert, dass eine Rücksendung per Post einen unnötigen Medienbruch darstelle, weil ihr Geschäft sonst ausschließlich online abgewickelt werde. Aufgehoben wurde zudem eine Obergrenze von 10 000 Euro pro Investor bei der Schwarmfinanzierung. „Dieser Punkt musste korrigiert werden", sagt Robert Michels, Partner in der Kanzlei Dentons. Große Ankerinvestoren wie Fonds oder Venture Capitalists seien sehr wichtig für den Erfolg einer Kampagne.
Kleinanleger dürfen nach dem jetzigen Bundestagsbeschloss nur bei entsprechenden Vermögens- oder Einkommensangaben höchstens 10 000 Euro in ein Projekt stecken. „Diese Regelung führt zu unnötiger Bürokratie und schützt keinen Anleger", kritisiert Ulrich Dietz, Vizepräsident des Branchenverbands Bitkom. Damit würden Neugründungen in Deutschland schlechter gestellt als im EU-Ausland.
Ob die Ausnahmeregelungen für Crowdfunding-Angebote weitreichend genug sind, soll Ende 2016 geprüft werden.
Hohe Rendite - hohes RisikoUm schwarzen Schafen in der Branche rascher auf die Spur zu kommen, die mit sehr hohen Renditen Verbraucher anlocken, aber kaum Sicherheiten bieten, bekommt die Finanzaufsicht Bafin außerdem künftig mehr Rechte. Anbieter müssen nun Warnhinweise veröffentlichen, dazu kommt ein 14-tägiges Widerrufsrecht für die Bürger. Die Behörden können Werbung für besonders riskante Angebote auch beschränken oder komplett verbieten.
Bei allen Geldanlagen gilt: Wo hohe Renditen locken, ist das Ausfallrisiko groß. Prokon hatte im vergangenen Jahr Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen hat rund 75 000 Gläubiger. Sie hatten rund 1,4 Milliarden Euro über Genussrechte in der heute überschuldeten Firma angelegt. Sie dürften einen Großteil ihres Kapitals verlieren.
Den Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz und die Beschlussempfehlung für die Abstimmung im Bundestag finden Sie hier: Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 22.04.2015 Gesetzentwurf zum Kleinanlegerschutzgesetz In der Maiausgabe von impulse Lesen Sie mehr zum Thema Crowdfunding und Crowdinvesting.