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WebFit24 in München

von Dagmar Hotze, freie Journalistin

Sich mit dem Bestellerprinzip zu befassen, ist eigentlich müßig. Seit fast einem halben Jahr gilt es, ist praktischer Alltag bei der Vermietung und die Aufregung darüber hat sich gelegt. Für die Maklerschaft bedeutet es allerdings eine tiefgreifende Zäsur, hat sich ihr bisheriges Geschäftsmodell damit doch aufgelöst. So kämpft jeder dritte Makler mit Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent und fast die Hälfte sieht sich in ihrer Existenz bedroht. Als Reaktion auf den Wegfall der Maklercourtage wird der Rotstift bei Marketing und Personal angesetzt. Jeder Fünfte schraubt an den Konditionen, macht Pauschalangebote und bietet All-Inclusive-Pakete. Einige verlegen sich auf den Verkauf von Immobilien. Größtenteils sind es jedoch die üblichen Maßnahmen, mit denen Unternehmen stets auf Kostendruck reagieren. Dass sich das Maklergeschäft durch technologische und gesellschaftliche Entwicklungen ohnehin gravierend verändert, scheint noch nicht verinnerlicht. Folglich fehlt es vielfach an innovativen Strategien. Wie die aussehen könnten, möchte „WEBFIT24" zeigen.

Immobilienkompetenz allein genügt nicht

Um Makler bei der Weiterentwicklung ihres Business zu unterstützen, ist ImmobilienScout24 seit Jahresbeginn mit der Roadshow „WEBFIT24" durch deutsche Metropolen unterwegs und hat am 8. Oktober 2015 in München Station gemacht. Wie würde die Stimmung sein, rund 100 Tage nach der Einführung des Bestellerprinzips? Ich war gespannt. Denn im Frühjahr, als ich bei der Veranstaltung in Hamburg zu Gast war, herrschte Katzenjammer. Nicht wenige fühlten sich mit dem Rücken zur Wand. Der Frust war mit Händen zu greifen. Im Münchener Arabella Hotel dagegen konnte man, trotz des Umbruchs (!), eine zaghafte Aufbruchstimmung unter den cirka 400 Teilnehmern spüren. Weg mit alten Konzepten, fort mit billigen Klischees. Dafür her mit Lösungen und Ideen!

Unter dem Motto „Die richtigen Weichen für die Zukunft stellen" gaben drei Präsentationen die Richtung des Tages vor: Immobilienkompetenz allein genügt nicht im digitalen Zeitalter. Der Makler bzw. die Maklerin von morgen muss wissen, wie man digitale Technologien so einsetzt, dass daraus moderne Dienstleistungen entstehen und - ein ebenso wichtiger Punkt - Makler müssen den 360-Grad-Blick auf ihr Geschäft trainieren, um aufkommende Trends frühzeitig zu erkennen und zu analysieren, ob sie für das eigene Geschäft relevant sind bzw. werden. Im Klartext: Die Wohnungsvermittlung als alleiniges Standbein ist passé. Stattdessen muss das Leistungsportfolio breiter werden und besser auf die Bedürfnisse von Vermietern zugeschnitten sein.

Vom Makler zum Problemlöser

Dabei sind die Chancen, sich umfassender aufzustellen, keineswegs schlecht. Fragt man Vermieter, warum sie einen Immobilienmakler beauftragen, geben drei Faktoren den Ausschlag: Regionale Marktexpertise, Abwicklung der kompletten Wohnungsanmietung bzw. -übergabe und ein zielführendes Marketing. Kurzum will sich der Vermieter um nichts kümmern und auch nicht sonderlich mit seiner Immobilie befassen. Besser kann es für die Etablierung einer neuen Servicekultur nicht sein. Also ran! Wie wichtig es ist, sich als Marke mit einer klaren Botschaft zu positionieren und was man dazu von Global Playern lernen kann, wurde von der renommierten Change Makerin Julia von Winterfeldt und dem Vordenker der Maklerszene Roland Kampmeyer in den Workshops „Vermarktung" bzw. „Marke" erläutert. Wie bereits in Hamburg ging es darum, eine Kernaussage herauszuarbeiten, für die man steht. Viele Teilnehmer machten begeistert mit. Bei manchen hatte es den Anschein, als würde ihnen gerade bewusst, dass sie längst Dienste anbieten, die ein Alleinstellungsmerkmal darstellen, sie diese bisher nur nicht offensiv und zeitgemäß beworben haben. Das sollte sich ändern, wenn man bei der Auftragsvergabe punkten will. Andere wiederum hatten Ideen, welches Know-how sie noch in ihrem Netzwerk benötigen, um dem Auftraggeber einen erweiterten Service rund um die Immobilie offerieren zu können.

Hier kamen gesellschaftliche Trends ins Spiel, die das Wohnen beeinflussen, wie der demografische Wandel oder das gestiegene Bewusstsein für Energiekosten. Welche Services können Makler bieten, um die damit verbundenen Fragen für Vermieter zu lösen? Sind das überhaupt Themen für Makler, über die sich Aufträge akquirieren lassen? Wenn ja, wie geht man als Makler vor? Es wurde deutlich, dass die Wohnimmobilie und die Mieterschaft in der Handhabung anspruchsvoller werden. Und zwar sowohl in Ballungszentren, als auch in der Provinz. Makler, die privaten Vermietern bei der Bewältigung der veränderten Situation unterstützen, haben die Chance, sich ein neues Standing zu erarbeiten und: sich das Können honorieren zu lassen.

Vorsprung durch Big Data

Überaus spannend war der Workshop „Daten", der sich mit Big Data beschäftigte und der Frage nachging, wie sich strukturierte Informationen nutzen lassen, um genauere Aussagen hinsichtlich der Entwicklung von Lagen und Preisen treffen zu können. Eine komplexe Materie, die jedoch entscheidend für die Identifizierung von Chancen und Risiken werden wird. Darin waren sich die Anwesenden einig. Anschaulich erläuterten Jan Habecker, Leiter Märkte und Daten, und Geo-Data-Scientist Michael Steffen, beide ImmobilienScout24, sowie Joachim Walczuch, Geschäftsführer von Eschner Immobilien, wie sich unsortierte Datenbestände auf Vordermann bringen lassen und wie man den riesigen Datenpool von ImmobilienScout für eigene Auswertungen anzapft. Das Ergebnis nach 60 Minuten: Bei der Sortierung der eigenen Daten müssen viele noch Aufräumarbeit leisten. Das Datenanalyse-Tool wird hingegen häufig zur Einschätzung genutzt und es gab zahlreiche Anregungen, wie es weiterentwickelt werden kann. Denn wer weiß, welche Schätze sich dadurch noch heben lassen. Den Workshop „Daten" sollte „WEBFIT24" deshalb im kommenden Jahr ausbauen.

Die wirklichen Herausforderungen kommen erst noch

Die Live-Diskussion am späten Nachmittag spitzte die augenblickliche Situation mit der Frage, ob der Makler ein Auslaufmodell ist, zu. Lebhaft wurde zwischen dem Kölner Immobilienprofi Roland Kampmeyer, Patrick Schönleiter, Geschäftsführer von Aigner Immobilien, der Digitalexpertin Julia von Winterfeldt und dem Publikum diskutiert. Faktisch wäre der Makler längst kein reiner Vermittler mehr, sondern ein Berater rund um Immobilienangelegenheiten, warf ein Teilnehmer aus dem Auditorium ein. Allerdings sei das in der Öffentlichkeit bisher nicht angekommen. Was also tun?

Mit Know-how überzeugen und es dann auch auf moderne Weise darstellen, fordert Roland Kampmeyer. Denn die wirklichen Herausforderungen kämen für die Immobilienwirtschaft erst noch mit der Abwanderung der Jungen in die Städte, einer technikaffinen Mietergeneration, der Notwendigkeit zur Nachhaltigkeit und nicht zu vergessen mit der Unterbringung von Flüchtlingen, mahnte der Kölner. So paradox es auch klinge, aber das Bestellerprinzip habe dafür gesorgt, dass der Fokus der Makler endlich über die Vermietung hinausgehe und sie ihre Rolle als Mitgestalter von Städten begreifen. Mehr Appell geht nicht.

Webfitness ist nur ein Teil

Stellt sich am Schluss die Frage, ob es in 2016 bei „WEBFIT24" weiterhin nur um Webfitness geht oder noch um andere Themengebiete, die die Maklerschaft künftig betreffen? Muss das Format inhaltlich eventuell weiter gefasst werden als bisher? Wäre es vielleicht an der Zeit, Experten aus anderen Branchen mit an Bord zu holen? Eine Nachricht, die in diesem Zusammenhang interessant ist, kam kürzlich vom IVD zu Smart Home und dem Rat an die Immobilienbranche, sich stärker mit dem Thema zu beschäftigen, da 23 Prozent der Mieter ein Interesse an derartigen Technologien zeigen, es jedoch an fundierter Beratung für Vermieter und Mieter fehle. Ein Spielfeld für Makler? Warum nicht. So oder so wurde in München überdeutlich, dass sich die Tätigkeiten von Maklern stark verändern werden. Dazu sollte das Zirkeltraining im kommenden Jahr weitere Übungen für den Muskelaufbau ins Programm nehmen.

Dagmar Hotze ist seit 2008 freie Journalistin und hat sich auf Nachhaltigkeits- und Zukunftsthemen der Immobilienwirtschaft spezialisiert. Neben ihrer freien Tätigkeit ist sie Herausgeberin des Onlinemagazins greenIMMO und entwickelt Kommunikationsprojekte für Print, Online und Video.

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