Psychische Erkrankungen, toxische Beziehungen, Erwachsenwerden vor einem Millionenpublikum: Ex-Spice Girl Mel C hat einen spannenden, aber auch oft steinigen Weg hinter sich. Im GALA-Interview erklärt die Sängerin, wer sie heute ist.
Bei Mel C, 46, denkt man immer sofort an das selbstbewusste Sporty-Spice-Girl, das weiß, wer es ist - weit gefehlt. Im Gespräch mit GALA gesteht Melanie Chisolm, dass sie erst im letzten Jahr erkannt habe, dass sie viele verschiedene Persönlichkeiten in sich trage. Besonders die Tiefpunkte ihrer Karriere haben sie geformt und geprägt; Zeiten, die Mel C nicht gut verkraftet und in denen sie sich nicht gut um sich selbst gekümmert habe.
Heute ist "die Suche nach mir selbst vorbei", erklärt die erfolgreichste Solomusikerin der fünf Spice Girls. Ihr achtes Album "Melanie C" erscheint am 02. Oktober. Darin besingt die Mutter der elfjährigen Scarlet Starr unter anderem diese ewige Suche nach sich selbst und arbeitet die Antwort auf die Frage "Wer bin ich?" im Interview auf.
GALA: In Ihrer ersten Single "Who I Am" geht es darum, dass Sie lernen, zu sich selbst zu stehen. Wer genau ist die private Mel C?
Mel C: Ich bin nicht eine Person. Ich habe gemerkt, dass ich viele Persönlichkeiten in mir vereine. Ich hatte diese Erkenntnis, als ich letztes Jahr mit den Spice Girls auf der Bühne stand und nervös war, wieder in die Rolle der Sporty Spice zu schlüpfen. Dann wurde mir klar: Ich werde nicht zu ihr, ich bin Sporty Spice! Ob Mel C, Melanie Chisholm, Sporty Spice, Mama, oder Freundin: Ich vereine all diese Persönlichkeiten in mir.
Mit den Spice Girls haben Sie in der Popwelt den Begriff "Girl Power" geprägt. Kann man Ihr neues Album als neues Kapitel davon bezeichnen? Ja, es ist sehr stark von dieser Zeit inspiriert, aber es geht nicht nur um Girl Power. Es geht um Gleichheit für alle. Die Spice Girls standen immer für Zusammenhalt und dafür, dass eine Einheit mächtig und stark ist. Diese positive Botschaft möchte ich mit meinem Album ebenfalls verbreiten und andere dazu ermutigen, genau so zu Leben.
Das Frauenbild - vor allem in der Musikindustrie - hat sich seit den 90er-Jahren sehr verändert. Was denken Sie über die heutigen Feminismus- und Body-Positivity-Bewegungen?
Es ist eine wirklich aufregende Zeit! Die Dinge haben sich auf eine sehr positive Weise weiterentwickelt. Es gibt heute eine Generation von Frauen, die sehr mutig ist, die weiß, wer sie ist und was sie will. Ich denke, dass viele jungen Frauen heute viel mehr Einfluss haben, als noch in den 90er-Jahren. Ich bin sehr stolz darauf, dass die Spice Girls dazu beigetragen haben, dass das so ist.
Glauben Sie, dass man mit der richtigen Erziehung Kinder zu selbstbewussten Feministen erziehen kann?
Als Mutter habe ich gelernt, dass ein Kind von Geburt an eine ganz eigene Persönlichkeit besitzt. Ich denke aber auch, dass die Erziehung ein Kind stärken und dabei helfen kann, dass es ein gutes Selbstwertgefühl entwickelt.
In ihrer zweiten Single "Blame It On Me" geht es um toxische Beziehungen. Haben Sie welche in Ihrem Leben erlebt?
Ja, das habe ich. Man kann viele Jahre mitten in einer toxischen Beziehung stecken, ohne es zu merken. "Blame It On Me" handelt von der Erkenntnis, dass man sich schon lange in einer solchen Situation befindet. Ich hatte toxische Beziehungen mit Männern, aber auch mit Freunden. Manchmal kann eine Beziehung sehr gesund sein, aber sie kann sich auch im Laufe der Zeit ändern. Das gehört zum Leben dazu.
Seit 26 Jahren sind Sie bekannt und stehen auf den großen Bühnen. Was waren die Erlebnisse, die Sie am meisten beeindruckt haben?
Es gab so viele! All die unglaublich ikonischen Momente, die ich mit den Spice Girls teile. Wir durften unglaubliche Menschen wie Nelson Mandela, Prinz Charles oder meine Helden Madonna und Stevie Wonder treffen und konnten mit Luciano Pavarotti oder Elton John singen. Letztes Jahr, während unserer Spice Girls Reunion-Tour, gab es ebenfalls ein Highlight.
Wir standen an drei ausverkauften Abenden hintereinander im Wembley Stadion auf der Bühne. Meine zu diesem Zeitpunkt zehnjährige Tochter war auch vor Ort.
Sie hat mich wahrscheinlich in einem der denkwürdigsten Momente meiner Karriere erlebt - das war etwas ganz Besonderes.
Das hat Ihre Tochter sicherlich sehr beeindruckt! Als Sie berühmt wurden, waren Sie selbst noch sehr jung. Wie hat sich das angefühlt?
Es war wirklich schwierig. Mit 20 Jahren versucht man zu entdecken, wer man ist. Wenn man aber von so vielen Meinungen fremder Menschen bombardiert wird, kann das sehr verwirrend sein.
Was waren die Tiefpunkte in dieser Zeit oder in Ihrer gesamten Karriere?
Die Zeit bei den Spice Girls war verrückt, aufregend, wie im Märchen. Aber während dieser Zeit wurde mein Leben sehr unwirklich, ziemlich surreal. Das habe ich nicht gut verkraftet, weil ich mich in dieser Zeit nicht gut um mich gekümmert habe. Als ich mein erstes Soloalbum "Northern Star" im Studio aufnehmen wollte, musste ich mich mit den Konsequenzen befassen. Daher ist dieses Album für mich so besonders. Während der Promo-Tour für die Platte habe ich unter Depressionen, Angstzuständen und Essstörungen gelitten. "Northern Star" war ein Höhepunkt in meiner Karriere, aber es war zugleich auch ein Tiefpunkt.
Was haben Sie aus dieser schwierigen Zeit gelernt?
Ich habe gelernt, dass ich sehr belastbar bin. Jeder, der unter psychischen Problemen oder Krankheiten leidet, denkt irgendwann, dass es nicht mehr weitergeht. Ich habe zum Glück die Kraft gefunden, Hilfe zu suchen und wieder gesund zu werden. Heute fühle ich mich sicher und stark. Ich fühle mich wohl in meiner eigenen Haut und weiß, wer ich bin. Die Suche nach mir selbst ist vorbei.
Das klingt schön!
Ja, das ist es auch! Oft versuchen wir immer nur, den nächsten Schritt zu erreichen: die Beförderung bei der Arbeit, eine Familie zu haben, ein Haus zu kaufen. Wir feiern aber nicht das, was wir in unserem Leben erreicht haben. Für mich war es wirklich befreiend, einfach zu sagen: 'Ich habe so viele großartige Dinge erlebt und ich bin stolz darauf'.
Verwendete Quellen:eigenes Interview, Instagram
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