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Depression: Zwei Experten klären über die Krankheit auf

© Getty Images / Lady Gaga erkrankte als Teenager an einer Depression. Ihre Mutter Cynthia Germanotta gibt zu, dass sie nicht genug über die Erkrankung informiert gewesen sei war und die Anzeichen übersah.

Cynthia Germanotta, Lady Gagas Mutter, gab öffentlich zu, anfangs kaum über die Depression ihrer Tochter und die Warnzeichen informiert gewesen zu sein. GALA hat mit zwei Experten gesprochen, klärt die wichtigsten Fragen zum Thema Depression und gibt Hilfestellungen für Betroffene und Angehörige.


Lady Gaga, 33, erkrankte im Teenager-Alter an einer Depression. Kürzlich sprach ihre Mutter Cynthia Germanotta, 65, öffentlich im amerikanischen TV darüber, wie es ist, die Mutter einer psychisch kranken Tochter zu sein. Was sie schlimm fand: Sie fühlte sich damals als Elternteil nicht genügend über die Krankheit informiert. Zudem hatte sie das Gefühl, Fehler zu machen, da sie die Warnzeichen nicht kannte.


Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen und werden am meisten unterschätzt. Laut der Deutschen Depressionshilfe leiden derzeit in Deutschland rund 11 Prozent der Frauen und 5 Prozent der Männer an einer Depression (Stand 2020). 2016 starben laut Statistischem Bundesamt knapp 10.000 Menschen durch Suizid. Diese Zahlen sind alarmierend.


Umso wichtiger ist es, über die Depression aufzuklären und eine Hilfestellung für Betroffene, ihre Angehörigen und Freunde zu geben. Dafür hat GALA ausführlich mit zwei Experten geprochen: Prof. Ulrich Hegerl, 66, Vorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Botschafterin sowie Betroffene Victoria van Violence.


Depressionen: Das steckt hinter Lady Gagas Erkrankung

GALA: Was versteht man unter einer Depression? 

 Prof. Ulrich Hegerl: Eine Depression betrifft den ganzen Menschen, sie ist auch eine Erkrankung des Gehirns. Das wird häufig nicht verstanden, weil viele glauben, dass eine Depression vor allem eine Reaktion auf schwierige Lebensumstände sei. Das sie aber viel weniger, als viele glauben. Entscheidend ist, dass der Betroffene eine Veranlagung in sich trägt. Im Verlauf seines Lebens rutscht er dann wiederholt in eine Depression hinein, selbst wenn die äußeren Lebensumstände sehr gut sind.


GALA: Was sind die Anzeichen für eine Depression? 

Laut Prof. Ulrich Hegerl gibt es folgende Anzeichen:

  • gedrückte Stimmung tiefes Erschöpfungsgefühl: innere Daueranspannung mit
  • Erschöpfung, die sich durch Schlaf und Rückzug ins Bett oft eher verschlechtert
  • Freudlosigkeit in allen Lebensbereichen Schlafstörungen mit nächtlichem Grübeln
  • Appetitstörungen, oft mit mehreren Kilogramm Gewichtsverlust Neigung zu
  • Schuldgefühlen: Betroffene geben sich selbst die Schuld, denken, sie wären eine
  • Belastung für andere Gefühllosigkeit: keine Wahrnehmung eigener Gefühle, innere
  • Versteinerung Hoffnungslosigkeit: Das Gefühl in einer Sackgasse zu stecken häufig 
  • Suizidgedanken: Die Betroffenen glauben, es gäbe keinen anderen Ausweg mehr
  • Konzentrationsstörungen: Viele sind vergesslich, fühlen sich wie hinter einer Milchglasscheibe 
Depression: Ab wann gilt jemand als krank?


GALA: Ab wann gilt man als depressiv? 

Prof. Ulrich Hegerl: Von depressiven Erkrankungen spricht man, wenn mindestens vier dieser Krankheitszeichen permanent über mindestens zwei Wochen vorhanden sind. Depressive Krankheitsphasen schleichen sich oft über Tage und Wochen ein und halten dann unbehandelt im Schnitt um die vier bis acht Monate an. Solche Krankheitsphasen treten meist im Laufe des Lebens wiederholt auf. Zwischen den Krankheitsphasen sind die Betroffenen wieder genuss- und leistungsfähig.


GALA: Für viele ist es schwer, sich einzugestehen, dass sie an einer Depression erkrankt sind. Wieso ist das so? 

Victoria van Violence: Ich denke, psychisch erkrankte Menschen haben generell das Problem, sich einzugestehen, dass sie krank sind. Da spielen folgende Faktoren eine große Rolle:

  • Man kann die Krankheit nicht „sehen", es existiert keine offene Wunde. Bei einer psychischen Erkrankung gibt es auch gute Momente, in denen alles wieder „normal" zu sein scheint. 
  • Diese hellen Phasen vermitteln einem, nicht schlimm erkrankt zu sein. 
  •  Das Stigma in unserer Gesellschaft: Viele Leute haben ein falsches Bild von psychischen Erkrankungen. Dadurch schämen oder trauen sich Betroffene nicht, sich die Krankheit einzugestehen.

GALA: Wie können sich Außenstehende die Erkrankung vorstellen? 

Prof. Ulrich Hegerl: Wenn jemand in eine Depression rutscht, dann macht sie Folgendes: Sie sucht in unserem Leben nach negativen Sachen. Bei jedem findet sie etwas. Dieses Negative wird vergrößert und ins Zentrum gerückt. Hinzu kommen Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung und andere der genannten Krankheitszeichen.


GALA: Welche Ursachen für eine Depression gibt es? 

Prof. Ulrich Hegerl: Entscheidend ist, dass die betroffene Person eine Veranlagung in sich trägt. Diese Veranlagung kann vererbt sein. Wenn die Eltern erkrankt sind, hat man ein dreimal so hohes Risiko, selbst depressiv zu werden. Es gibt auch eine erworbene Veranlagung, z.B. durch Traumatisierungen und Missbrauchserfahrungen in der frühen Kindheit, die zu einem erhöhten Erkrankungsrisiko im späteren Leben führen.


GALA: Ist eine Depression heilbar? 

Prof. Ulrich Hegerl: Ich würde sagen, sie ist gut behandelbar. Man kann depressive Erkrankungsphasen durch eine konsequente Behandlung meist zum Abklingen bringen und das Risiko weiterer Krankheitsphasen durch Pharmako- und Psychotherapie um etwa 70 % reduzieren. Was aber bleibt ist die Veranlagung, in diesen speziellen Zustand Depression zu rutschen. Deswegen haben die meisten Betroffenen mehr als nur eine Krankheitsphase.


GALA: Was hat Ihnen Victoria geholfen, Ihre depressive Phase zu überwinden? 

Victoria van Violence: Das Zulassen und akzeptieren der Diagnose und das Zulassen und die Inanspruchnahme von Hilfsangeboten. Dann mit der Therapeutin schauen, wo genau die Probleme liegen und potenzielle Lösungen entwickeln.


Influencerin Victoria van Violence gibt Tipps für Angehörige und Erkrankte

GALA: Wie konnten Ihnen Ihre Eltern und Freunde am meisten helfen? 

Victoria van Violence: Mir hat geholfen, dass

Angehörige Verständnis zeigten sie zuhörten und gut gemeinte Ratschläge wie „das wird schon wieder" weglassen 
 Bezugspersonen mir wiederholt Hilfe anboten haben, mich z.B. bei der Therapeutensuche unterstützt haben oder einfach nur mit mir ein Eis essen gingen 
 Freunde/Verwandte Dinge nicht persönlich nahmen, z.B. wenn ich ein Treffen absagen musste oder schlecht gelaunt war

Was wichtig ist, für Angehörige und Freunde zu verstehen: Es ist nicht der Job der Angehörigen, die Depressionen zu heilen.Die Bezugspersonen müssen sich dafür auch nicht verantwortlich fühlen. Es ist nicht ihre Aufgabe, die Last der negativen Emotionen auf sich zu nehmen. Aber natürlich sollten sie auch nicht wegschauen. Angehörige können beispielsweise bei der Therapeutenhilfe helfen und emotionalen Rückhalt bieten. Für alles andere gibt es Spezialisten, wie Psychiater und Psycholgen.

Depressionen: Informationen und Hilfe für Betroffene und Angehörige

Verwendete Quellen: eigene Interviews, Stiftung Deutsche Depressionshilfe

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