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Review

Muttergefühle. Zwei: Brauchen wir noch mehr Bücher von Akademikermüttern aus Großstädten?

Rike Drust hat nachgelegt: Neues Kind. Neues Buch. Ihr 2011 erschienenes Sachbuch „Muttergefühle. Gesamtausgabe“ machte die Hamburger Werbetexterin zum Star der Elternblogosphäre. 2017 erscheint „Muttergefühle. Zwei: Neues Kind, neues Glück“ und lässt verzückte Fans der Zweifachmutter aufjubeln. An den Esprit ihres Erstlingswerkes kommt das Buch jedoch nicht heran.

Wer versucht, Rike Drusts Erzählungen über das Muttersein einem Genre zuzuordnen, hat es nicht leicht. Denn weder „Sachbuch“ noch „Ratgeber“ bringen auf den Punkt, was man von Drusts „Muttergefühlen“ erwarten kann.

2011 kam mit „Muttergefühle. Gesamtausgabe“ erstmals ein Buch auf den Markt, das ehrlich und nahbar vom Muttersein mit all seinen Facetten erzählt. Rike Drust schreibt sympathisch und kurzweilig über Unsicherheiten und Überforderung, über mangelnde Gleichberechtigung und über Langeweile in der Elternzeit. Dabei ist sie so offen, dass man beim Lesen das Gefühl hat, sich mit der besten Freundin zu unterhalten, die gerade zum ersten Mal Mutter geworden ist.

An dieses Gefühl knüpft „Muttergefühle. Zwei“ an und ist doch ganz anders. Reif, reflektiert und dankbar kommt die frischgebackene Zweifachmama inzwischen daher und ist dabei glücklicherweise noch immer nicht auf den Mund gefallen.

Auf 304 Seiten – das sind ganze 80 Seiten mehr als ihr Erstlingswerk – reflektiert Drust den Familienalltag mit zwei Kindern und widmet das ein oder andere Kapitel losen Gedanken, die irgendwie auch zum Elternsein dazugehören: Frühförderung und gegendertes Spielzeug, Eheverträge und Erziehungsberatung. Hierbei widmet sich Drust Themen, die schon vielfach von Frauenmagazinen und Blogs bedient wurden. Die Lektüre von „Muttergefühle. Zwei“ macht also nicht unbedingt schlauer als vorher, dafür punktet Drust mit sprachlicher Originalität und menschlicher Nähe.

Es sind Kapitelüberschriften, wie „Ist die Brust erst ruiniert, stillt es sich ganz ungeniert“, die Spaß machen und förmlich zum Weiterlesen auffordern, wenn man gerade in einem Kapitel feststeckt, in dem Drust ein beliebtes „Elternblog-Filterblasenthema“ nochmals auseinander nimmt oder den Leserinnen zum wiederholten Male erzählt, wie dankbar sie für ihre Familie ist.

Rike Drust darf das. Punkt. Schließlich ist sie Pionierin auf dem Gebiet der „Mutterschaftsverarbeitungsliteratur“. Mit „Muttergefühle. Gesamtausgabe“ wurde die ganz persönliche Auseinandersetzung mit dem Muttersein endlich salonfähig und verlegbar. Drust ebnete damit den Weg für viele Autorinnen, deren Stimmen ohne den Erfolg ihres ersten Buches vielleicht ungehört geblieben wären.

„Muttergefühle Zwei“ ist aber auch ein Buch, das es nur geben kann, weil Rike Drust mit ihrem Erstwerk zur richtigen Zeit etwas Neues gewagt hatte.

Leider hat die Euphorie der ersten Stunde nicht zu mehr Diversität auf dem Buchmarkt geführt und die dominierenden Mutterschafts-Autorinnen sind nach wie vor weiße Akademikerinnen der urbanen Mittelschicht.

Während andere Perspektiven auf das Muttersein im Diskurs noch fehlen, bleibt zu hoffen, dass künftig noch mehr Rike Drusts den Durchbruch in der Mütterliteraturszene schaffen. Vielleicht weniger verheiratet. Vielleicht weniger hetero. Aber auf jeden Fall so sympathisch und sprachgewandt wie die Hamburger Autorin.

Rike Drust: Muttergefühle. Zwei: Neues Kind, neues Glück, C. Bertelsmann Verlag, EUR 15,00

Der Artikel erschien zuerst in meinem Blog: http://journalxx.de/