Heilbronn Theater des Lachens spielt Kleists "Über das Marionettentheater"
Schöner kann man Kleists philosophisches Gespräch über die Ästhetik vielleicht gar nicht auf die Bühne bringen. Mit so einfachen wie wirkungsvollen Mitteln, überraschenden Ideen und einer einfühlsamen Umsetzung spielt das Theater des Lachens aus Frankfurt/Oder bei der Imaginale am Dienstag seine Inszenierung "Über das Marionettentheater oder Die Überwindung der Schwerkraft in drei Akten". Alice Therese Gottschalk, Torsten Gesser und Björn Langhans zeigen eine witzige, poetische und liebevolle Hommage an den Dichter und nicht zuletzt an das Figurentheater selbst.
Mit Zeilen von Henriette Vogel an Heinrich von Kleist beginnt die Inszenierung, sie bilden den Rahmen des rund 60-minütigen Theaterstücks (Regie: Frank Soehnle). Mit ihr beendet Kleist 1811 sein Leben, nur ein Jahr nachdem der berühmte Essay erscheint. In einer fiktiven Unterhaltung zwischen dem Erzähler und einem Herrn C. stellt Kleist darin die Anmut und Grazie der Marionetten, die kein Bewusstsein besitzen, der steten Bewusstheit des Menschen gegenüber.
Schwerpunkt
Eng an der Kleistschen Textvorlage beginnen Thorsten Gesser in der Rolle des Dichters, Björn Langhans in der Rolle des Tänzers Herr C., das Spiel in drei Akten, um sich Szene für Szene pointiert davon zu lösen. Die Schlüsselbegriffe und Kernaussagen sind auf eine Leinwand projiziert, während Alice Therese Gottschalk mit ungeheurer Präzision den Figuren Leben einhaucht. Doch nicht nur die Marionetten bewegen sich mehr und mehr mit einer unendlichen Leichtigkeit. Auch an Fäden über die Bühne flatternde Papiere beginnen in der Luft zu tanzen, schwingende Pflastersteine machen Überlegungen zum Schwerpunkt der Bewegung anschaulich. Packpapier wird zur Figur, im Schattenspiel können die Zuschauer verfolgen, wie der Jüngling beim bewussten Versuch, eine natürliche Bewegung zu wiederholen, seine Unschuld verliert.
Die Überlegungen des Dichters zur Mathematik, zur Mechanik der Puppen, die er auf einer langen papierbahn aufbringt, werden durchkreuzt von einer Spinne mit Pinseln an ihren acht Beinen.
Die Auseinandersetzung mit den Schlagworten Leichtigkeit, Beweglichkeit, Proportion und Flexibilität gelingt in der schrittweisen, szenischen Untersuchung des Textes eindrucksvoll. Die Herren in dunklen Anzügen, die sich synchron mit einer Figur bewegen, geben ein famos komisches Bild. Eine Schreibfigur mit Feder in der Hand jagt dem Dichter nach, um seine Gedanken zu notieren. Das Theater der Figuren wird zu einem Wechselspiel der Rollen zwischen Mensch und Figur.
Bewegung
Der Vorteil der Puppen, so heißt es bei Kleist, ist der, dass sie "antigrav" sind. Und tatsächlich scheint es am Ende, als könnten die Figuren die Schwerkraft überwinden, als löse sich die "Trägheit der Materie" auf. Das Publikum spendete kräftigen Applaus.
Heilbronner Stimme, Kultur, 16.2.2014
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