7 subscriptions and 4 subscribers
Article

Neonazi-Gruppe verboten: Was wir über "Nordadler" wissen

Das Innenministerium verbietet die Neonazi-Gruppe "Nordadler". ZDFheute hat monatelang interne Chats beobachtet und Dokumente analysiert.


Die Gruppe Nordadler firmierte auch unter dem Namen "Völkische Renaissance". Sie stellt sich als kompromisslose NS-Elite dar. Quelle: Screenshot der Webseite

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die rechtsextremistische Vereinigung "Nordadler" verboten. Die Gruppierung umfasst mehrere Dutzend Mitglieder und verfolgt eine nationalsozialistische Ideologie, so das Ministerium. Bei sieben Führungsfiguren gab es am Dienstag Razzien.

Die Gruppe vernetzte sich in offenen und geschlossenen Chatgruppen und Kanälen, darunter auf Telegram, Instagram und Discord. Sie betrieb auch eine eigene Website. Laut Ministerium firmierte Nordadler auch unter den Bezeichnungen "Völkische Revolution", "Völkische Jugend", "Völkische Gemeinschaft" und "Völkische Renaissance".

ZDFheute hat monatelang diverse Telegram-Gruppen und auch die Webseite der "Völkischen Renaissance" beobachtet. Die Gruppierung sieht sich als Keimzelle einer kompromisslosen NS-Elite. Ihre Mitglieder bekennen sich zu Hitler und Antisemtismus, lehnen das Grundgesetz ab und fordern den Aufbau einer völkischen Diktatur.

Wer steckt hinter "Nordadler"?

Nach ZDFheute-Informationen ist der Anführer von "Nordadler" Wladislav S. aus Niedersachsen. S. ist kein Unbekannter. Er hatte sich im April 2018 in der ARD-Sendung Panorama zum Nationalsozialismus bekannt, nachdem es bei ihm eine Razzia gegeben hatte. Der Vorwurf damals: Er soll eine rechtsterroristische Vereinigung gebildet haben. 2017 wurde er außerdem als Helfer eines IS-Sympathisanten vom Landgericht Braunschweig zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

S. habe laut Innenministerium gezielt junge Menschen angesprochen. Auf der Chatplattform Discord gaben einige Mitglieder der Gruppe "Völkische Revolution" an, dass sie noch minderjährig seien. Auch auf anderen Plattformen wie Instagram oder der Gaming-Plattform Steam vernetzten und trafen sich die Mitglieder.

Ein Mitglied der verbotenen Gruppe gab sich selbst auf Telegram als Sohn einer früheren Abgeordneten zu erkennen:

Auch aus Österreich und der Schweiz waren Personen aktiv. Ein Sprecher des Innenministeriums sagte ZDFheute, dass es das erste Verbot einer Gruppierung sei, die "überwiegend im Internet agiert".

Leitkodex mit Rasse-Vorstellungen

In einem 22-seitigen Leitkodex der "Völkischen Revolution" geht es um ihre Ziele und Weltanschauung, die da lauten: "Völkisch zu fühlen, zu denken und zu handeln." Man strebe eine Renaissance "des deutschen Menschen" und "einen neuen Staat" an.

Das Manifest steckt voll mit neonazistischen Rasse-Vorstellungen: Man solle ein "arteigenes Leben" führen, Familie und Freunde "von Fremdlingen" rein halten. Ein einzelner "Kamerad" sei lediglich "ein Splitter der Rassenseele Deines Volkes".

Kein Alkohol, keine Piercings

Zu Gewalt wird in dem Dokument indirekt aufgerufen. "Wenn jemand nach Deinem Leben trachtet und am Abzug steht, sei du schneller und drücke zuerst ab." Und: "Deutschlands Feinde sind Deine Feinde, hasse sie aus ganzem Herzen." Man wolle der "Angriff auf alles Morsche" sein. Weiter heißt es: "Die Bewegung ist eine verschworene und einheitliche Gemeinschaft, auf Gedeih und Verderben." Daneben wird ein enthaltsames Leben gepredigt - die Gruppe sah sich als eine Art künftige NS-Elite und wollte sich von etablierten Neonazi-Strukturen in Deutschland abgrenzen: Man solle weder Alkohol trinken noch Drogen nehmen oder "Körperschmuck" tragen - gemeint sind wohl Piercings. Auch solle man den "Körper in Zucht halten" und sich geistig bilden. All das legte die Gruppe in dem Leitfaden dar, in dem es auch darum geht, wie man ein "Führer" wird.

Völkische Revolution: Leitkodex voll mit neonazistischen Zielen.

Was plante die Gruppe? Auf Telegram tauschten sich Nutzer des öffentlichen Kanals "Völkische Gemeinschaft" darüber aus, wo man am besten Hakenkreuzflaggen bestellen kann. Der Administrator teilte Fotos, in denen er eine Art Uniform bastelt, darunter Armbinden und Kragenabzeichen. Auch posierte er mit einem Stahlhelm. Im April 2020 plante die Gruppe ein Treffen in Niedersachsen - ob es stattfand, ist ZDFheute nicht bekannt.

In Telegram-Gruppen diskutierten und empfahlen Nutzer auch regelmäßig Literatur aus der NS-Zeit. Auf Discord besprachen sie dann in einer Art Lesezirkel die Nazi-Literatur.

Laut Innenministerium wurden bei den Razzien weder Waffen noch Sprengstoff gefunden. "Beschlagnahmt wurden in erster Linie PCs, Laptops und Handys", sagte ein Sprecher. Ob es konkrete Anschlagspläne gab, ist noch nicht bekannt. Online konnte die Gruppe ihren Hass und ihre Menschenfeindlichkeit aber offen ausleben.

Original