Das Telefon klingelt um 9:15 Uhr im Schleusenhäuschen. „Wasserstraßenamt Lübz, wie kann ich Ihnen helfen?", fragt Schleusenwärterin Brigitte Dietterle. Dann leitet sie die erste Schleusenüberfahrt des Tages ein.
Am anderen Ende der Leitung machen Inge und Herbert Ferch mit ihrem Motorsegler am Steg Halt. Seit elf Jahren ist das Ehepaar aus Baden-Württemberg auf den mecklenburgischen Wasserstraßen unterwegs. Ihr Heimathafen, Linkenheim-Hochstetten, liegt etwa 750 Kilometer entfernt. Doch immer wieder zieht es das Ehepaar in den Norden. „Die Orte sind per Boot gut erreichbar", schwärmt Inge. Mehr als 1000 Schleusenüberfahrten liegen hinter den Ferchs. Heute begleite ich sie auf der „Carpe Diem 2", einem Motorsegler der Marke Finnclipper, bei ihrer Schleusenüberfahrt im Zentrum von Lübz. Die Ferchs befinden sich auf der Rückreise zu ihrem Winterliegeplatz in Potsdam. „Wir haben uns vier Wochen Urlaub in Schwerin gegönnt", sagt Inge, während wir auf die Öffnung des Schleusentors warten. Sogar ihr Sohn habe mit der Familie in der Landeshauptstadt vorbeigeschaut „Ein sehr schöner Ort, da möchte man verweilen", findet die 73-Jährige. Die Ampel leuchtet uns Rot entgegen.
Dann öffnet sich das Schleusentor. Zum Vorschein kommt der blau-weiße Bug der MS Mecklenburg. Langsam schiebt sich das Flusskreuzfahrtschiff an uns vorbei. Einige Touristen an Deck winken uns vergnügt zu. Spätestens jetzt kann ich die Urlaubsstimmung, die sich bei wehendem Haar und Sonne im Gesicht, breit macht, nicht mehr leugnen. Plötzlich schaltet die Ampel auf Grün, ein Startsignal ertönt und Herbert legt routiniert den ersten Gang ein.
Derweil befinden sich Inge und ich uns auf dem Vorderdeck. Wir passieren die Spindelhubbrücke. Einige Passanten haben sich auf dieser postiert, um unsere Einfahrt im Schleusenbereich zu beobachten. Inge und Herbert scheinen die Blicke gewöhnt zu sein. „Wir winken auch ab und an", scherzt Inge. Nach kurzer Zeit steht das Schiff mitten in der Schleusenkammer. Beim Anblick der uns umschließenden Wände überkommt mich Platzangst, doch Inges und Herberts seemännische Gelassenheit wirkt ansteckend. Herbert vermindert die Geschwindigkeit und wir legen unweit eines Pollers an. Inge befestigt das Tauwerk lose um den Poller und hält es fest. „So kann das Boot auch bei stärker auftretenden Kräften auf Spur gehalten werden", erklärt sie mir.
Die Abläufe an Bord sind routiniert. Als Team sind die Ferchs eingespielt. Nicht mal streiten würden sie sich. Dennoch braucht jeder Zeit für sich. „Dann spiele ich Sudoku auf meinem Laptop", scherzt Herbert, der mir eine kurze Innenraum-Führung gibt. Das lackierte Holz und die zahlreichen Verstaumöglichkeiten versprühen ihren nautischen Charme. „Es ist wie ein Wohnmobil, nur auf dem Wasser", sagt der 66-Jährige über sein liebgewonnenes Transportmittel.
Mittlerweile haben sich drei weitere Boote hinter uns im Wasser aufgereiht. Gemeinsame Schleusenüberfahrten seien effizienter, so Brigitte Dietterle. Die Kressinerin arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Schleusenwärterin. Besonders nach der Wende habe sich der Verkehr auf der Elde erhöht: „Es kommen heute in der Hochsaison bis zu 60 Boote am Tag", so Dietterle. Früher sei es familiärer zugegangen. „Der Zusammenhalt auf dem Wasser war groß", erinnert sich die 57-Jährige.
Schließlich beginnt das Wasser im Schleusenbecken zu steigen. Dietterle läuft zwischen den Booten auf und ab und witzelt mit den Crewmitgliedern. Nach zehn Minuten ist der Höhenunterschied von 3,20 Metern überwunden. Der Ablauf wirkt simpel: Schiffe rein, Wasser steigt, Schiffe wieder raus.
Die Fahrt geht weiter in Richtung Stadtmarina. Hier bringt Herbert das Boot zum Stehen, denn meine Mitfahrgelegenheit hat weitere Pläne. „Wir müssen weiter, um die nächste Schleuse in Bobzin rechtzeitig zu passieren", rufen mir die Ferchs beim Abschied zu. Voller Sehnsucht blicke ich den Beiden hinterher.
von Julia Hahnke erstellt am 11.Aug.2015 | 12:00 Uhr
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