Wer von Haruo Miyagi wissen will, wie es um Japans junge Generation bestellt ist, ruckelt in einem engen Fahrstuhl ins oberste Stockwerk eines schlichten Bürogebäudes in Shibuya. Der bunte Tokioter Stadtteil mit verrückten Klamottenläden und Kneipen ist bei Teenagern beliebt. Hier fördert der 43-Jährige Miyagi mit dem „Entrepreneurial Training for Innovative Communities" (ETIC) junge Japaner, die etwas für ihre Gesellschaft tun wollen.
Die Fahrstuhltür öffnet sich direkt in einen Raum voller Tische und Stühle. An einer Wand sind Fachzeitschriften ausgestellt, im hinteren Eck besprechen einige Frauen ein Projekt. Am Eingang begrüßt Geschäftsführer Haruo Miyagi in Jeans und Pullover, den Firmenausweis um den Hals gehängt, herzlich einen Gast. Miyagi war selbst noch an der Uni, als er 1993 das Netzwerk ETIC gründete. Seit 2001 fördert er vor allem junge Sozialunternehmer. Weit mehr als 300 Projekte hat er bisher unterstützt. „Und wir erhalten fünfmal so viele Bewerbungen für unsere Social Entrepreneurship School wie noch vor fünf Jahren", sagt der jungenhaft wirkende Netzwerker.
Was ihn besonders freut: Viele Teilnehmer bleiben auch nach der Förderung von ETIC aktiv. Eine aktuelle Umfrage unter berufstätigen Japanern bestätigt, dass viele etwas Sinnvolles tun möchten: Ein Drittel der Befragten würde gerne für ein Sozialunternehmen arbeiten. Ein Fünftel könnte sich vorstellen, selbst zu gründen. Noch gibt es aber einen Graben zwischen solchen Umfragen und der Realität. Bei den Firmengründungen ist Japan OECD-Schlusslicht. Vor allem die Finanzierung neuer Projekte ist oft schwierig: Professionelle Wachstumskapitalgeber sind rar.
Haruo Miyagis ehemaliger Schützling Takashi Kawazoe ist einer der wenigen Vorzeige-Sozialunternehmer des Landes. Seit er von den Medien gefeiert wird, sind auch seine Eltern stolz auf den 33-Jährigen. Ursprünglich wollten sie, dass er Karriere in einer Bank oder Versicherung macht. Unternehmergeist und Risikobereitschaft waren ihnen fremd, wie den meisten Japanern.
In dem asiatischen Staat zählt gesellschaftliche Anpassung mehr als die Innovationskraft Einzelner. Es sind daher oft Außenseiter, die die verkrusteten Strukturen mit kreativen Ideen attackieren. Als Kind war Takashi Kawazoe dünn, blass und häufig krank. Als er mit einer Lungenentzündung im Krankenhaus lag, nahm er sich vor, in Zukunft so gesund wie möglich zu leben. Er wollte seinen Eltern nie wieder Sorgen machen. „Ich schlafe acht Stunden am Tag und nehme mir Zeit zum Joggen", erzählt der ernste junge Mann in zögerlichem Englisch.
Es zählt, die Gesellschaft voranzubringenDen Rest seiner Zeit widmet er seinem Unternehmen Carepro - und damit der Gesundheit der japanischen Bevölkerung. Bislang hat der ausgebildete Krankenpfleger zwei Probleme bearbeitet: die vielen Japaner, die nicht zu Vorsorgeuntersuchungen gehen und die wachsende Zahl alter Menschen, die häusliche Pflege benötigen. Zusammen mit ETIC hat Takashi Kawazoe an seinem Konzept der Vorsorgeuntersuchung für zwischendurch gefeilt: Krankenschwestern von Carepro stehen in Bahnhöfen, Einkaufszentren oder Kaufhäusern und messen für 500 Yen, umgerechnet 3,90 Euro, Cholesterinspiegel, Blutdruck oder Knochendichte. Das hilft all jenen, die kein Geld oder keine Zeit für die reguläre Vorsorge beim Arzt haben. Laut Kawazoe sind das 40 Prozent aller Japaner.
Lange war unklar, ob solche Untersuchungen außerhalb von medizinischen Einrichtungen erlaubt sind. Doch nach sieben Jahren Kampf gegen mächtige Verbände und Politiker hat Takashi Kawazoe sein Ziel erreicht: 2014 änderte das Parlament die Richtlinien, so dass Carepro keinen juristischen Ärger mehr befürchten muss. Das lockt Nachahmer an. Inzwischen werben mehr als tausend Apotheken mit ähnlichen Vorsorgeuntersuchungen. Kawazoe ärgert das nicht. Für ihn zählt, dass er die japanische Gesellschaft ein Stück vorangebracht hat.
Er will das Vorsorgesystem nun auch im Ausland etablieren, in Indien hat er schon damit angefangen. Außerdem treibt er sein zweites Projekt voran. Bis 2020 will er 20 000 junge Krankenpfleger für die häusliche Pflege ausbilden. Die werden dringend gebraucht, sagt er. Es wären genug, um 300 000 alte Menschen zuhause zu pflegen.
Kawazoes Unternehmergeist ist eine Ausnahme. Die meisten jungen Japaner machen so weiter, wie die Alten es ihnen vorgelebt haben. Sie pressen sich morgens mit Tausenden von Anzugträgern in die U-Bahn, machen Überstunden und müssen abends mit ihren Chefs durch die Kneipen ziehen. Der Arbeitsplatz auf Lebenszeit im Konzern gilt als attraktiver Ausgleich für das freudlose Dasein. Sicherheit ist ein hoher Wert im Land der Erdbeben und Taifune. Immer mehr Menschen sind allerdings bereit, auch etwas für die Gesellschaft zu tun.
Das begann 1995 nach einem Erdbeben, das weite Teile der Stadt Kobe zerstörte. Damals kamen viele freiwillige Helfer zusammen, NGOs wurden gegründet, erstmals etablierte sich in Japan ein Spendensystem. Auch nach der Katastrophe von Fukushima 2011 halfen Scharen von Freiwilligen in der Region beim Wiederaufbau. Viele von ihnen engagieren sich bis heute. Allmählich wächst in Japan sogar eine Protestkultur heran: Studenten demonstrieren für den Atomausstieg und gegen die neuen Sicherheitsgesetze, die die japanische Regierung im vergangenen Jahr verabschiedet hat.
Wachsender ProtestEine kleine Gruppe von Aktivisten wehrt sich gegen das teure, neue Olympiastadion. In einer Gesellschaft, die Kritik und Konflikte traditionell vermeidet, ist das eine kleine Revolution. Die österreichische Japanologin Susanne Klien von der Hokkaido Universität in Sapporo kennt viele Leute, die aus dem japanischen Standard-Lebensentwurf geflohen sind. Architekten, die Do-It-Yourself-Läden gründen zum Beispiel. Oder Hochschulabsolventen, die Cafés in verlassenen Dörfern eröffnen. „Diese Aussteiger-Bewegung ist noch lange kein Mainstream", sagt sie. „Aber unter denen, die keine Lust mehr auf die klassische Karriere haben, sind mittlerweile selbst Leute von den Top-Unis. Da gibt es noch viel Potential."
Viel wurde in den vergangenen Jahren geschrieben über die egozentrische Jugend, die in der Krise aufgewachsen ist und sich nur für ihre eigenen Ziele interessiert. Für ihre Eltern war es immer nur aufwärts gegangen, Japans Hightech-Wirtschaft wurde weltweit bestaunt. Doch Anfang der Neunziger Jahre platzte die riesige japanische Aktien- und Immobilienblase. Es folgten lange Jahre der Rezession, eine „verlorene Dekade", wie Medien titeln. Die Immobilienpreise und der Aktienmarkt stürzten ab. Der Bankensektor, der die Blase mit faulen Krediten genährt hatte, geriet in eine schwere Krise. Und viele Jugendliche verloren die Hoffnung, dass sie selbst etwas an der gesellschaftlichen Situation ändern könnten. Sie klinkten sich aus.
Noch immer hat der wichtigste Aktienindex des Landes, der Nikkei-Index, seinen historischen Höchststand von 1989 nicht wieder erreicht. Dazu kommt ein weiteres Problem: Die japanische Bevölkerung altert und schrumpft dramatisch. Bis 2010 stieg die Einwohnerzahl auf 128 Millionen, seither geht es bergab. 2048 soll die Bevölkerungszahl unter die magische Grenze von 100 Millionen rutschen. Mehr als jeder dritte Japaner wird dann älter sein als 65 Jahre. Zum Vergleich: In Deutschland ist das derzeit nur jeder Fünfte.
Und anders als in den USA oder in Deutschland ist Zuwanderung keine Lösung. Die Gesellschaft des Inselstaates ist stolz auf ihre Homogenität. Ausländer machen weniger als zwei Prozent der Bevölkerung aus - und das soll sich auch nicht wesentlich ändern. Japan hat daher eine unangenehme Vorreiterrolle: Es gilt zu erkunden, wie eine Gesellschaft im demographischen Sinkflug funktionieren kann.
Naohiro Yashiro von der International Christian University in Tokio erforscht die wirtschaftlichen Folgen dieser Entwicklung. Dem Wirtschaftsprofessor sind die Herausforderungen in diesem Experiment so klar, dass er gar nicht auf die vielen Statistiken, Tabellen und Grafiken blicken muss, die er aus seiner Aktentasche holt. Immer weniger Beitragszahler müssen immer mehr Rentenempfänger finanzieren. 1990 machten die Sozialausgaben 11,4 Prozent des Staatshaushalts aus, heute sind es schon 32,7 Prozent. Aktuell kann Japan mit dieser Situation leben. Schließlich ist es immer noch die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, nach den USA und China.
Anschluss verpasstJapanische Autos, Schiffe oder Maschinen genießen einen hervorragenden Ruf. Dort, wo es um Fleiß und Perfektion geht, haben japanische Firmen die Nase vorn. In vielen anderen Branchen hat die Industrie dagegen den Anschluss verpasst. Fernseher, Handys oder Laptops aus Japan haben es schwer gegen Konkurrenz aus Südkorea oder China. Außerdem ist es ein Leben auf Pump. Um Wirtschaft und Sozialsysteme am Laufen zu halten, hat das Land sich zum weltweit größten Schuldensünder entwickelt. Dringende Reformen werden so verzögert.
Einen erheblichen Teil der Sozialausgaben verursachen alte Menschen im Krankenhaus, sagt Wirtschaftsforscher Yashiro. Wer sich keine luxuriöse private Seniorenresidenz leisten kann, bleibt lieber wochen- oder monatelang im Krankenhaus. Das liege am schlechten Ruf der staatlich subventionierten Pflegeheime. „In die will niemand seine Eltern stecken", erzählt Yashiro.
Die Altenheime der Sozialunternehmerin Masue Katayama beweisen, dass es auch anders geht. Besucher ihres neu eröffneten Heims in Kawasaki sind allerdings erstmal irritiert. Die Lobby wirkt mit elegantem Parkett, Loungesesseln und einer offenen Designer-Küche eher wie die Cafeteria einer hippen Internetfirma. Klaviermusik schallt aus den Lautsprechern. Die quirlige Chefin wiederholt daher gleich mehrfach: „Das hier ist kein Heim für reiche Leute."
Die faltenlose 75-Jährige mit den bunten Turnschuhen hat eine Preisliste als Beweis dabei. Ein Platz im staatlich geförderten Pflegeheim kostet bei mittlerer Pflegestufe knapp 1000 Euro im Monat. Den Rest übernimmt die Pflegeversicherung. „Ein gutes Heim muss nicht mehr kosten als ein schlechtes", sagt Masue Katayama. „Wir geben uns einfach mehr Mühe, es den Leuten bei uns schön und angenehm zu machen." Das spricht sich herum: 900 Menschen stehen auf der Warteliste. 2014 verlieh die Schwab Foundation Katayama den Titel „Social Entrepreneur of the Year".
Neben einem guten Betriebsklima, genügend Mitarbeitern und einer großzügigen Ausstattung sind es die Details, die Katayama wichtig sind. So wird auf jeder Station der Reis für das Abendessen selbst gekocht. „Der wäre doch kalt, wenn er aus der großen Küche im Erdgeschoss angeliefert werden müsste", sagt sie entrüstet. So wie die Altenheime von Masue Katayama machen auch einige andere Orte in Japan Hoffnung, dass eine alternde Gesellschaft keine sterbende sein muss.
Zubrot für SeniorenEiner dieser Orte ist Toyoshikidai, ein Viertel am Rande der 400 000-Einwohner-Stadt Kashiwa. In den Sechzigerjahren wurden hier Wohnblocks hochgezogen für das Heer von Angestellten, das Japan nach dem Krieg nach oben gebracht hat. Heute sind die Fensterscheiben blind, aus den blechernen Briefkästen quillt Werbung. Nur vereinzelt weht eine weiße Bettdecke über einem verrosteten Balkongeländer wie ein Signal der Kapitulation.
Seit einiger Zeit aber bewegt sich etwas: Nach und nach werden die alten Mietskasernen durch moderne Hochhäuser ersetzt. Kindergärten und Schulen sollen Toyoshikidai für junge Leute attraktiv machen. Und auch die Älteren sollen gut leben können. Die Altersforscherin Hiroko Akiyama leitet das Modellprojekt in der Trabantenstadt und sagt: „Die alten Männer haben ein Leben lang nichts als gearbeitet. Sie kennen nichts anderes. Wir müssen also dafür sorgen, dass sie hier vor Ort eine Beschäftigung haben."
So erhalten die Senioren neben einem Zubrot zur Rente auch das Gefühl, gebraucht zu werden. Ein Rentner mit Warnweste steht morgens als Aufpasser vor dem Kindergarten und begrüßt die Jungen und Mädchen mit Handschlag. Kleine Gruppen gebückter Männer fegen mit Besen und Handkarren das Laub von den Straßen. Daneben gibt es auch anspruchsvollere Jobs. Einige Senioren betreiben etwa eine Nachmittagsbetreuung für Schulkinder. Andere machen sich gerade mit Urban Farming selbständig. Und noch in diesem Jahr soll ein Restaurant eröffnen, in dem Menschen aus dem Stadtteil von Rentnern bekocht werden.
Die alternde Bevölkerung Japans ist inzwischen auch zu einer Herausforderung für viele Unternehmen geworden. Das Rentenalter wird gerade schrittweise von 60 auf 65 angehoben. Einige Experten plädieren schon für die Rente mit 70. Für die Konzerne wäre das teuer, denn die Löhne hängen in Japan stark vom Dienstalter ab. Viele Firmen entlassen ihre Mitarbeiter daher mit 60 und stellen sie dann mit niedrigerem Gehalt wieder ein.
Das Bewusstsein für ihre gesellschaftliche Verantwortung ist bei vielen Großunternehmen noch gering. Zwar kümmern sie sich um ihre Stammbelegschaft, Entlassungen sind in Krisenzeiten nur das allerletzte Mittel. Und viele Firmen engagieren sich für die lokale Bevölkerung, die Umwelt oder ländliche Regionen. Dieses soziale, ökologische und ökonomische Engagement ist aber nur Beiwerk und kein eigentliches Unternehmensziel.
CSR ist in Japan kaum ThemaMit dem westlichen Verständnis von Corporate Social Responsibility (CSR) können japanische Unternehmer dementsprechend noch wenig anfangen. Und das, obwohl viele Firmen inzwischen eigene CSR-Berichte veröffentlichen. „Aber die meisten machen das nur, weil ihre ausländischen Geschäftspartner darauf Wert legen", sagt BWL-Professor Kanji Tanimoto von der Waseda-Universität. „Sie setzen einen Beauftragten ein, veröffentlichen einen Bericht und schielen auf einen guten Platz in den CSR-Rankings."
An den starren Hierarchien und den fehlenden Mitspracherechten für die Mitarbeiter ändert das wenig. Erst allmählich, so der CSR-Experte, begriffen zumindest die großen, international tätigen Konzerne CSR auch als strategisches Werkzeug, mit dem sie ihr Image verbessern und den Firmenwert steigern können. Etwa mit ökologischen Innovationen oder mit der Förderung von Frauen. Die Unterstützung der Regierung haben sie dabei.
Frauenförderung ist eines der Kernthemen von Premierminister Shinzo Abe. Seine Regierung hat erkannt, dass das Sozialsystem der alternden Gesellschaft dringend mehr Frauen als Beitragszahler braucht. Abes Ziel: 2020 sollen Frauen 30 Prozent aller Führungspositionen einnehmen, in Politik, Verwaltung und Unternehmen. Das scheint schwierig für ein Land, das beim Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums abgeschlagen zwischen Swaziland und Zypern auf Platz 101 landet. Unerreichbar, aber besser als gar kein Ziel, sagen die Kritiker. Erste Maßnahme ist der Ausbau der Kinderbetreuung.
Trotz sinkender Geburtenraten gibt es in vielen Gemeinden lange Wartelisten für einen staatlichen Kita- oder Krippenplatz. 400 000 neue Plätze sollen daher bis 2017 entstehen. Ein Regierungschef, der sich für die Öffnungszeiten von Kindergärten interessiert, ist neu in Japan. Doch Shinzo Abe will, dass weniger Frauen als bisher mit der Heirat oder spätestens mit dem ersten Kind ihre schlecht bezahlten Jobs aufgeben, um Hausfrauen zu werden. Frauen sollen nicht nur mehr arbeiten, sie sollen auch mehr Kinder kriegen. Seit Oktober 2015 gibt es einen Minister für die Aufgabe, die japanische Bevölkerung nicht unter 100 Millionen fallen zu lassen. Eine höhere Geburtenrate wird zum Staatsziel. Wie das gehen soll, ist unklar.
Scheitern erlaubtFür Nana Watanabe ist der Ministerposten daher reine Symbolpolitik. „Solange Paare immer noch Steuern sparen, wenn die Frau nicht oder nur wenig arbeitet, bringt das gar nichts", sagt sie wütend. „Dieses Land ist gescheitert. Es hat versagt bei der Erziehung der jungen Menschen und die alten Männer in Politik und Wirtschaft checken es nicht." Watanabe erzählt, dass sie selbst vor ein paar Jahren aufgerüttelt wurde von den Berichten über Selbstmorde unter japanischen Jugendlichen, über lethargische Kinder und „Hikkomori", die ihr Zimmer monatelang kaum verlassen.
Sie entschloss sich zu Handeln. Davor hat die gebürtige Japanerin 30 Jahre als Fotografin in New York City gelebt, führte ein glamouröses Leben unter Künstlern und Modemenschen. Heute sitzt sie mit zwei jungen Mitarbeitern in einem winzigen Einraumbüro in einem unscheinbaren Bürogebäude in Tokio. Es ist der Sitz von Ashoka Japan. Seit 2011 fördert die Organisation auf Betreiben Watanabes japanische Sozialunternehmer und engagierte Jugendliche. „Das hier ist meine Herzensaufgabe, für die habe ich mein altes Leben aufgegeben", sagt die ganz in schwarz gekleidete Frau.
„Ich möchte den jungen Leuten Vorbilder geben, die zeigen, dass ein Mensch die Welt verändern kann." Vier Ashoka-Fellows gibt es in Japan, neben Takashi Kawazoe und Masue Katayama sind da noch Junto Ohki, der ein globales Wörterbuch für Gebärdensprache entwickelt sowie Hisashi Sonehara, der verwaiste Agrar-Regionen wiederbelebt. Nana Watanabe aber liegen besonders die „Youth Ventures" am Herzen. Mit diesem Programm unterstützt Ashoka junge Leute zwischen 12 und 20 Jahren bei sozialen Projekten. Zwei Hochschüler starteten etwa ein Tutorensystem für Grundschüler aus sozial schwachen Familien. Ein 17-Jähriger organisierte ein Musikfestival in einer vom Tsunami zerstörten Stadt. Die Initiative soll eine möglichst erwachsenenfreie Zone sein, erzählt Watanabe.
„Viele ältere Männer wären gerne Mentoren bei uns", erzählt sie und lacht sarkastisch. „Keine Chance, die würden unsere Jugendlichen doch nur verderben!" Ein Mädchen, erzählt Watanabe, brach bei der Eröffnung in Tränen aus, als sie erfuhr, dass die Ausgewählten von Ashoka ein Jahr lang rund 750 Euro monatlich als Stipendium erhalten. Sie hatte Angst, zu scheitern und das Geld zu verschwenden. „Aber genau das wollen wir den jungen Leuten beibringen", sagt Nana Watanabe. „Scheitern ist erlaubt."