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Privatbibliothek im Höxteraner Schloss Corvey ist eine der größten Deutschlands

FOTO: JULIA GESEMANN

Höxter. Eine breite Holztreppe hinauf – schon steht der Besucher mitten in der fürstlichen Bibliothek im Schloss Corvey. Angenehm kühl und still ist es dort. Die dicken Mauern halten die sommerliche Wärme draußen. Es riecht nach Holz und Papier. 15 Säle warten, der Rundgang kann beginnen.


Schon beim ersten Schritt knarrt und ächzt der alte Holzboden. Das Geräusch passt zur Atmosphäre. "Mit dem Ambiente ist diese Privatbibliothek eine Besonderheit für die Region", sagt Günter Tiggesbäumker. Er leitet die Bibliothek und kennt all ihre Geheimnisse. "74.000 Bücher stehen hier", sagt er und geht voran. "Damit ist die fürstliche Bibliothek eine der größten deutschen Privatbibliotheken." Sie gehört Viktor V. Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey.

In einem Saal französische Tapete, im nächsten Mahagoni-Schränke: Keiner der hohen, fast original erhaltenen Säle gleicht dem anderen. 200 Buchschrän-ke aus edelsten Hölzern bergen literarische Schätze auf Englisch, Französisch und Deutsch. "Geht man mit einem Blick für die Einbände an den Schränken entlang, kann man an ihnen die Geschichte der Bibliothek ablesen", verrät Tiggesbäumker. Hinter Glas stehen kleine Büchlein neben großen Folianten, dünne Heftchen neben dicken Wälzern, mal schlicht, mal edel gestaltet.

Bis 1860/70 wurden Bücher in ihrer Rohform – als Buchblock – geliefert. "Das hatte technische, aber auch Kostengründe." Die wohlhabenden Käufer ließen sie von eigenen Buchbindern nach eigenem Geschmack binden. Zu sehen ist das in der aktuellen Ausstellung "Der Fürsten Bücherlust". Besonders aufwendig gestaltete Bücher hat Tiggesbäumker im Sommersaal in Schaukästen ausgestellt. Verziert mit Gold oder Silberbeschlägen, in punziertes Leder oder farbigen Samt gebunden, mit eingelassener Emaille oder Edelsteinen – Bücher und Prachtmappen mussten im 19. Jahrhundert repräsentieren.


Wie die Bücher von Landgraf Ernst Leopold von Hessen-Rotenburg. "Fast schon archaisch sind sie", sagt Tiggesbäumker und deutet auf die in Leder gebundenen Bücher mit Gold, Löwentatzen und roten Signatur-Buchstaben. Oder die Prachtmappe mit den Grüßen der freiwilligen Feuerwehr Ratibor von 1890: Der Ledereinband zeigt Eichenlaub. Ein goldener Helm und ein goldener Feuerwehrschlauch zieren den Deckel.


Höhepunkt des Rundgangs: das Arbeitszimmer von August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Von 1860 bis 1875 war der Dichter der deutschen Nationalhymne in Corvey Bibliothekar. Die Nachmittagssonne scheint durch zwei Fenster direkt auf seinen Schreibtisch. Dort hat er gesessen und gearbeitet. Seine grüne Mütze, Handschriften und Büchermappe liegen noch auf dem Tisch.


Im Auftrag von Viktor I. Herzog von Ratibor erweiterte Hoffmann von Fallersleben die Bibliothek. "Der arme Ururgroßvater musste ganz viele Bücher kaufen, weil Hoffmann von Fallersleben gesagt hat, diese Bibliothek solle einmal für die Nachwelt etwas ganz Besonderes sein", erzählt der heutige Herzog von Ratibor. "In den letzten 200 Jahren ist es unserer Familie gelungen, Corvey wieder herzurichten." Gemeinsam mit seiner Familie versuche er, es für die kommenden Generationen zu hegen und zu pflegen – "wie es schon der alte Viktor gemacht hat".

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