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Christopher Street Day: Bunt und schillernd gegen Ausgrenzung

Dragqueens auf schwindelerregend hohen Absätzen, Regenbogenflaggen so weit das Auge reicht, Strass und Glitzer und feiernde Menschenmassen. Das ist der Frankfurter Christopher Street Day (CSD). Zwischen den ganzen bunten Flaggen findet sich auf der Demonstration seit mehr als 20 Jahren auch eine violette mit weißem Kreuz. Als einzige Gruppe der evangelischen Kirche in Frankfurt ist die Friedens- und Versöhnungsgemeinde jedes Jahr dabei. Ganz vorn läuft dann Pfarrer Nulf Schade-James, mal mit Perücke, mal im pinkfarbenen Kollarhemd. An der Seite des Pfarrers aus dem Gallusviertel läuft sein Ehemann David.

In diesem Jahr wird sich Schade-James am Samstag, 18. Juli, ins Auto setzen, die Musik aufdrehen und im Konvoi mit dem Gemeindebulli zum Römerberg fahren. Dort schließt sich die Gruppe der wohl ungewöhnlichsten Demonstration in der Geschichte des CSD Frankfurts an. Von 12.30 Uhr an fährt anstelle der knallig bunten Parade ein Autokorso durch die Stadt.

„Wenn gar nichts geht, geht immerhin das Auto", darauf sei das Planungsteam im März recht schnell gekommen, erzählt Joachim Letschert vom Vorstand des CSD Frankfurt. Das Programm habe schon gestanden, dann kam Corona - und mit dem Virus die Auflagen zur Durchführung von Großveranstaltungen. Rund 250.000 Teilnehmer, Künstler auf großer Bühne und die Parade rückten somit in weite Ferne. Eine Absage kam für den Verein trotzdem nicht in Frage. „Ein Zeichen setzen, zeigen, dass wir da sind", darum gehe es, sagt Andreas Gerlach, Moderator bei Radio SUB. Das Magazin des Senders Radio X berichtet immer montags über Themen der queeren Subkultur und sendet seit Jahren Sondersendungen vom CSD.

Als queer bezeichnen sich Menschen, die einer anderen als der heterosexuellen Geschlechtsidentität angehören. Für diese Menschen biete der CSD einmal jährlich einen sicheren Treffpunkt, sagt Gerlach. „Hier muss niemand Angst vor Pöbeleien haben." Uwe Koppers, beim CSD für Finanzen zuständig, nickt bekräftigend. „Man muss sich aber auch vor Augen führen, dass wir hier in einem relativ gesicherten Raum leben, 50 Kilometer weiter auf dem Land können sich viele schon nicht mehr so frei ausleben."

Der Impuls für mehr Toleranz gehe vielfach von Frankfurt aus. Dass es aber selbst in der Großstadt mit der Toleranz oft nicht weit her ist, kann Andreas Gerlach aus eigener Erfahrung berichten. Vor kurzem erst sei er in Sachsenhausen aus einem Auto heraus homophob angepöbelt worden, erzählt der Moderator. Und dass nur, weil sein Partner und er sich an den Händen gehalten hätten.

Erlebnisse solcher Art beschränken sich nicht auf einen Stadtteil. „Die wenigsten schwulen Pärchen gehen händchenhaltend über die Zeil", sagt Christian Gaa. Der Siebenundzwanzigjährige setzt sich seit drei Jahren als Aktivist für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft ein. Die Abkürzung LGBT ist dem Englischen entliehen und bedeutet übersetzt „Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender".

Gaa: „Alle Menschen haben es verdient, gesehen zu werden"

Gaa ist Teil der Hochschulgruppe „Rosa Liste", engagiert sich in der Bundesarbeitsgemeinschaft „Die Linke queer" und arbeitet festangestellt bei der Aidshilfe. Das Bündnis für Akzeptanz und Vielfalt wurde 2018 von ihm mitinitiiert, während er noch im Studium an der Goethe-Universität steckte. Im Gespräch wählt Gaa seine Worte mit Bedacht, er nimmt sich Zeit, überdenkt seine Antworten. Zum Aktivismus hätten ihn eigene Gewalterfahrungen und das Erstarken rechter Kräfte geführt, sagt Gaa. „Alle Menschen haben es verdient, gesehen zu werden", das sei seine feste Überzeugung. Auf seinem Instagram-Profil bezeichnet sich der studierte Soziologe als Menschenrechtsaktivist. (Mehr auf der Webseite)

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