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Gewachsener Glaube

Von Julia Fietz

Cornelia Bäurle ist 25 Jahre alt und studiert Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Sie wohnt in einer WG, hat ein Erasmussemester in Italien gemacht und geht am Wochenende gern mal feiern. Ihr Studentenleben unterscheidet sich kaum von dem tausender Altersgenossen. Mit einer Ausnahme: Bäurle hat sich heuer am Weißen Sonntag, stets der erste Sonntag nach Ostern, katholisch taufen lassen. Die nahenden Weihnachtstage werden also ihre ersten als getaufte Katholikin sein.

Ihre Taufe fällt in das Jahr der Schlagzeilen, dass sich die Mitgliederzahl der katholischen und evangelischen Kirchen bis 2060 halbiert haben wird. Im vergangenen Jahr waren es im Erzbistum München und Freising 22 580 Katholiken, die der Kirche den Rücken zukehrten. Das sind gut 25,5 Prozent mehr im Vergleich zu 2017 mit 17 998 Austritten. Gleichzeitig ist die Gesamtzahl der Taufen zurückgegangen, von 14 364 auf 14 257. Unter den Täuflingen ist die Anzahl der Erwachsenen im Vergleich von 2017 zu 2018 allerdings sogar leicht gestiegen, von 178 auf 180.

Wegen ihrer Masterarbeit ist Cornelia Bäurle momentan hauptsächlich in der Staatsbibliothek anzutreffen, sogar am Sonntag. Aber spätestens um 17.30 Uhr packt sie dann ihre Sachen zusammen. Denn sie will in den Abendgottesdienst in der St.-Michael-Kirche an der Neuhauser Straße, ihrer Taufkirche. "Ich bin viel unterwegs, im Gottesdienst kann ich einmal pro Woche dann richtig zur Ruhe kommen", sagt die 25-Jährige. Der Sonntagabend komme ihr außerdem durchaus gelegen, so stehe einer Party am Samstag und dem anschließenden Ausschlafen nichts entgegen. Aufgewachsen ist Cornelia Bäurle in der katholisch geprägten Bodenseeregion. Ihre Eltern waren beide aus der Kirche ausgetreten, die Schwester und sie blieben ungetauft. Sie sollten einmal selbst ihre Wahl treffen können.

Die Studentin trägt einen dunklen Pullover, am Kragen blitzt ein goldenes Kreuzkettchen hervor. Ein Taufgeschenk ihrer Großmutter, mit der sie früher die Gottesdienste in der Heimatgemeinde besucht habe, erzählt Bäurle. Den Gedanken, sich taufen zu lassen, habe sie gut sechs Jahre mit sich herumgetragen. Zum ersten Mal kam er ihr in den Sinn, als sie mit 19 Jahren einen schweren Autounfall hatte. "Irgendwie war da jetzt was, da wollte einer, dass ich weiterlebe". Dieses Gefühl habe sich damals in ihr festgesetzt, sagt die 25-Jährige. In der Schule hatte sie freiwillig den katholischen Religionsunterricht besucht, mit der Kirche, "diesem Verein", habe sie aber damals nichts zu tun haben wollen. Der Umzug nach München brachte dann die Wende: "Ich habe hier viele junge, coole Katholiken kennengelernt." Dadurch habe sich ihr Bild von der katholischen Kirche verändert. Hinzu kam die kunstgeschichtliche Beschäftigung mit Kirchen als Bauwerken. Die Aufenthalte in Italien taten ihr Übriges. Die Idee, sich durch die Taufe zu dem zu bekennen, woran sie im Grunde ja schon längst glaubte, habe sie nicht mehr losgelassen.

Als sie ihren Verwandten und Freunden davon erzählte, seien die meisten nicht besonders überrascht gewesen. Am allerwenigsten ihre Großmutter, der vor Rührung die Tränen kamen. Bäurle lächelt, wenn sie davon erzählt. Ihre Großmutter war später dann ihre Taufpatin, hat neben ihr gestanden, als Kardinal Reinhard Marx ihr das Weihwasser über den Kopf goss.

Zwar überwogen in ihrem Umfeld bei weitem die positiven Reaktionen, doch nicht alle waren mit Bäurles Entscheidung einverstanden. "Als junge, emanzipierte, aufgeklärte Frau - wie kannst du nur", habe sie zu hören bekommen. Auch die Missbrauchsfälle wurden angeführt. "Die Missbrauchsfälle sind furchtbar, ich verurteile sie absolut", betont die 25-Jährige. Sie spricht ruhig und ohne zu zögern, hat sich vor ihrer Taufe viel mit ihrer Einstellung zur Kirche auseinandergesetzt.

Ihr Glaube und ihre Überzeugung, zur kirchlichen Gemeinschaft dazugehören zu wollen, seien größer als ihre Zweifel an der Institution. Dennoch ist es ihr wichtig, zu unterscheiden: "Ich trenne heute zwischen Glauben und Institution." Die katholische Sexualmoral stößt ihr zum Beispiel auf. Einige ihr nahestehende Personen leben homosexuell, erzählt Bäurle, "und deren Lebenskonzept ist völlig richtig und gut". Sie glaube fest, dass Gott alle gleichermaßen liebe. "Ich halte die Kirche manchmal noch nicht für so weit wie Gott selber."

Begonnen hatte ihr Taufkurs im Oktober 2018. Die Täuflinge lernen dort wesentliche Inhalte des christlichen und katholischen Glaubenslebens kennen, berichtet Pater Andreas Leblang. Der Jesuit leitet die Taufkurse für Erwachsene in St. Michael. Wichtig sei ihm vor allem eins, betont der 57-Jährige: "Der Taufkurs ist eine Weggemeinschaft, bei der man sich gegenseitig auf dem Weg des Glaubens begleitet."

Am Tag von Cornelia Bäurles Taufe füllten gut 40 Freunde und Verwandte die Kirchenbänke in St. Michael. Ein Foto zeigt Kardinal Marx mit den Täuflingen. Bäurle steht rechts. Auf ihrem Gesicht liegt ein breites Lächeln, "wie ein Honigkuchenpferd", sagt sie lachend. (Mehr auf der Webseite)

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