Herr Lustnauer, haben Sie sich in den letzten Monaten Sorgen um Ihre teilweise sehr jungen Klienten gemacht?
Wir haben versucht, zu unseren Sorgenkindern Kontakt zu halten. Einige Jugendliche haben wir aber verloren, die haben wir telefonisch nicht mehr erreicht, oder sie haben sich nicht mehr gemeldet. Zum Glück war dies nur ein kleiner Teil.
War die Zeit für manche besonders dramatisch?
So unterschiedlich die Lebensbedingungen des Einzelnen sind, so unterschiedlich sind auch die Auswirkungen der Corona-Zeit. Von Vereinsamung waren vor allem Einzelkinder betroffen und Grundschulkinder, die noch nicht durch digitale Medien Kontakt halten können. Bei manchen wurde dies aber durch Nachbarskinder aufgefangen, die man zumindest draußen gesehen hat.
Spielt bei den Langzeitfolgen dieser Krise das Alter der Kinder eine Rolle?
Generell waren die Auswirkungen für Kleinkinder weniger entscheidend als für Ältere – wobei es auch für Kindergartenkinder eine Umstellung war, plötzlich eine so lange Zeit ohne Gleichaltrige zu verbringen. Letztlich kommt es aber viel darauf an, was die Kinder in ihren Familien erlebt haben und wie es den anderen Familienmitgliedern während der Krise ging. In einigen Familien hat es geknallt, und es ging drunter und drüber. Manche Alleinerziehende hatten plötzlich gar keine Pause mehr für sich, oder die Kinder haben nur noch genervte Elternteile erlebt. Und Corona hat manches verstärkt, womit es eventuell zuvor schon Probleme gab, zum Beispiel Ängste. Für manche könnte sich die Zeit aber auch wie verlängerte Ferien angefühlt haben, die ja ebenfalls keine Langzeitfolgen haben.
Hat die Corona-Zeit auch positive Folgen – etwa für den Familienzusammenhalt?
Obwohl das Virus katastrophale Effekte für unsere Gesellschaft hat, gab es auch positive Effekte, ja. Geschwisterkinder haben eine engere Bindung zueinander entwickelt. Mütter haben berichtet, dass der ganze Stress durch die Terminplanung weggefallen ist und sie nicht mehr so viel hin und her fahren mussten; für manche hat die Zeit auch eine Entlastung bedeutet. Einige fanden es spannend, näher dran an den Lerninhalten ihrer Kinder zu sein – andere waren davon überfordert, was die Beziehung stark belastet hat.
Halten Sie es für richtig, dass die Sommerferien nun wie geplant stattfinden?
Für manche wäre es gut, wenn die Schule wieder richtig losginge und es eine Struktur gäbe. Zugleich endet durch die Ferien aber die Vermischung zwischen Schule und Familie, Eltern sind nicht mehr der Belastung durch Homeschooling ausgesetzt. Eine große Herausforderung für viele Eltern ist es, die Regeln für die Mediennutzung auf die Vor-Corona-Zeit zurückzuschrauben. Das könnte ein Projekt für die Sommerferien sein.
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