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Schulbusunglück: "Ich bete für den Busfahrer"

Foto: t-online/Josephin Hartwig


Ein Schulbus verunglückt auf spiegelglatter Straße, zwei Kinder sterben. Ein Tag verändert in Berka vor dem Hainich alles. t-online.de-Reporterin Josephin Hartwig ist vor Ort und erlebt die Ohnmacht einer ganzen Gemeinde.

Etwa 15 Minuten lang klingen im Ort Bischofroda die Kirchenglocken. Es ist ein Abend, an dem ein Schleier über dem kleinen Ort in Thüringen liegt. Denn zwei in ihren Reihen fehlen jetzt. Deshalb ist die Kirche geöffnet und eine Andacht angesetzt. Deshalb kommen etwa 100 Menschen in Bischofroda zusammen - um Anteil zunehmen und zu trauern.


Von Bischofroda, der Ort aus dem die verstorbenen Kinder kommen, nach Berka vor dem Hainich sind es nur etwa vier Kilometer. Ein Katzensprung. Am Morgen verunglückt der Bus auf dem Weg zur Grundschule. Zwei Kinder, gerade einmal acht Jahre alt, sterben.


Das Mädchen und der Junge sind diesen Weg mit dem Schulbus sicher schon oft gefahren. Sie gingen in die zweite Klasse der Staatlichen Grundschule Hainich. Von Anwohnern in Berka vor dem Hainich wird dieser Schulbus sogar "Partybus" genannt. Der Busfahrer hatte immer gute Laune, drehte die Musik auch mal etwas lauter und verbreitete eine fröhliche Stimmung, erzählt Jan S., der nahe der Unglücksstelle wohnt. Doch heute Morgen geht etwas schief. Die Witterungsverhältnisse sind ersten Vermutungen zufolge Schuld an dem Unglück.


Am Morgen, so berichtet S., sei auch er auf der Straße unterwegs gewesen. Nur eine halbe Stunde vor dem Unglück. Die Fahrbahn sei spiegelglatt gewesen. "Ich bin ins Schlittern gekommen und mein Auto hat sich gedreht - der Busfahrer hatte keine Chance", vermutet er. Es handelt sich um eine Straße mit eingeschränktem Winterdienst, ein Schild gibt diesen Hinweis.


20 Kinder liegen mit Verletzungen im Krankenhaus

"Ich bete für den Busfahrer und seine Familie", sagt eine Frau, die sich bückt und in der Kirche eine Kerze anzündet. Leise Gitarrenklänge begleiten die Andacht in Bischofroda. Schaut man in die Gesichter der Einwohner, ist es - so kurz nach der Tragödie - vor allem Fassungslosigkeit, die darin zu lesen ist. Die meisten gehen schweigend nach vorn. Nehmen stumm und in ihre eigenen Gedanken vertieft die kleinen Kerzen in die Hand und zünden sie an. Bald ist der Boden bedeckt von den kleinen warmen Flammen, die der Trauer eine Gestalt geben.


"Wir haben keine Antworten, keine Worte, um dieses schreckliche Unglück zu begreifen", sagt der Regionalbischof Eisenachs, Christian Stawenow. Seine Stimme ist brüchig, Tränen wollen sich ihren Weg bahnen. Auch in seinem Gesicht sind tiefes Mitgefühl und Trauer zu sehen. "Der Glaube weiß von Unglück", sagt er. Es sei eine Zeit zu schweigen und zu weinen. Natürlich seien seine Gedanken auch bei den Familien und den Kindern, die noch bangen. 20 Kinder aus dem Schulbus liegen verletzt im nächsten größeren Krankenhaus in Eisenach.


Wenn zwei Kinder sterben, gibt es keine Worte, keinen Trost. So jung aus dem Leben gerissen, hilft kein Mitgefühl, keine Anteilnahme, helfen keine mit geweinten Tränen. In Bischofroda aber versuchen das Nachbarn, Verwandte und Freunde. An diesem einen Abend voll Glockengeläut und stummem Miteinander.

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