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Krimi-Autorin Elisabeth Herrmann: Der schwarze Rabe ist immer dabei

Foto: MOZ/Josephin Hartwig

Wenn Elisabeth Herrmann durch das schmale Fenster auf den Innenhof blickt, schweifen ihre Gedanken zu den düsteren Wendungen des menschlichen Seins. Mord, Entführung, Antisemitismus und Verfolgung. All diese Themen kommen ihr in den Sinn, wenn sie eine leere Seite vor sich hat. Die Berliner Autorin schickt in ihrem neuen Kriminalroman den Anwalt Joachim Vernau wieder auf Wahrheitssuche. Den Ursprung fand die Geschichte, wie auch 13 andere Romane der Autorin, an dem kleinen Schreibtisch vor dem Fenster. Ein schwarzer Rabe aus Plastik sitzt auf einem Stapel Taschenbücher. "Den fand ich bei einer Lesung damals so toll, dass ich ihn geschenkt bekommen habe", sagt sie.


Zum fünften Mal ist nun ein Band um die beliebte Hauptfigur erschienen. Das Ziel ist diesmal Israel. Dort will Joachim Vernau die Wurzeln eines Angriffs auf ihn und einen jüdischen Antiquar finden und eine Frau aufspüren. Seine eigene Vergangenheit spielt dabei eine große Rolle. Der charismatische Anwalt lebte selbst als freiwilliger Helfer in seinen jungen Jahren in einem Kibbuz.


Elisabeth Herrmann lässt, wie auch in ihren anderen Romanen, Krimis und Jugendbüchern, ein Stück ihrer eigenen Geschichte einfließen. Israel spielt seit vielen Jahren für die Berlinerin eine große Rolle. Tel Aviv würde sie Mallorca als Reiseziel immer vorziehen. "Beides ist schön, aber Tel Aviv hat noch mehr Stil, Kultur und Geschichte", sagt sie. Diese Stadt lässt sie vor dem geistigen Auge des Lesers lebendig werden, beschreibt Gassen, Straßen und Plätze, als würde man sich dort befinden.


An einem Buch schreibt sie etwa ein halbes Jahr. Noch einmal so viel Zeit hat sie zuvor "geplottet". Damit meint sie die Entwicklung des Fahrplans der Geschichte, die im Laufe des Schreibens auch mal andere Richtungen einschlägt. "Aber es ist sehr wichtig sich genau zu überlegen, was passieren soll. Dann schreibe ich drauf los und überarbeite noch etwa 30 bis 40 Mal", sagt Elisabeth Herrmann. Ihr Bauchgefühl sage ihr meistens, wann die endgültige Fassung erreicht sei.


Über 50 Mal ist ihr Erstling "Das Kindermädchen" von Verlagen abgelehnt worden, bevor ihr erstes Buch 2005 veröffentlicht wurde. Der Glaube an ihr Werk ließ die willensstarke, selbstbewusste Frau nicht aufgeben. An Inspiration mangelt es Elisabeth Herrmann nicht. Schreibblockaden sind ihr fern. Die ehemalige Journalistin versteht ihren Beruf als Handwerk. Das Schreiben eines Buches vergleicht sie mit dem Besteigen des Mount Everest. Erst gehe es noch recht gemütlich los, in den letzten Zügen zum Gipfel, dem Abgabetermin, könne der Sauerstoff mal knapp werden. "Dann werden die Nächte immer kürzer", sagt sie. "Es ist ein unglaublicher Kraftakt."


Immer wieder tauchen Herzensthemen in ihren Romanen auf. In "Totengebet" etwa die detaillierte, atmosphärisch dichte Beschreibung eines Antiquariats. Ein befreundeter Antiquar hatte ihr bei der Auswahl der Bücher in dem fiktiven Schaufenster beratend zur Seite gestanden. "Ich verstehe es als persönlichen Auftrag, eigene Meinungen mit meinen Büchern zu transportieren." Dazu zähle eben auch die Liebe zum gedruckten Buch und zu einer Gesellschaft, in der solche Dinge noch einen hohen Stellenwert haben. "Es sind untergehende Reservate des menschlichen Geistes." Ihre Bücher verlangen etwas vom Leser, fordern ihn zu eigenen Interpretationen, zum Nachdenken auf. Inzwischen hat die Autorin eine große Fangemeinde, nicht nur in Deutschland. Auch in Frankreich und Bosnien sind einige Bücher erschienen. Über ihre Facebookseite "Elisabeth Herrmann und ihre Bücher", treten viele Leser mit ihr in Kontakt, geben ihr Feedback oder fragen nach der Zukunft des Anwalts Joachim Vernau. "Ich denke, nach dem siebten Teil ist Schluss, aber wer weiß? Festlegen will ich mich noch nicht", sagt sie.


Heute wird die Autorin aus der Sicht eines Besuchers die Leipziger Buchmesse erleben. Das sei immer wie ein Klassentreffen, erklärt sie lachend. Schließlich kenne man sich unter den Autoren inzwischen schon gut. "Das gefällt mir so sehr an der Leipziger Messe, dort wird man als Autor geschätzt." Am Sonnabend wird sie bei "Leipzig liest" wieder selbst hinter dem Schreibtisch sitzen, das aufgeschlagene Taschenbuch "Totengebet" vor sich und die Zuhörer auf die Reise zu den menschlichen Abgründen ihrer Mörder mitnehmen. Wie an ihrem Fenster zum Berliner Hinterhof.


Elisabeth Herrmann: "Totengebet", Goldmann Verlag, 448 S., 9,99 Euro

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