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Puhdys nehmen Abschied in Berlin

Foto: POP-EYE

Es riecht nach Bier, Rauch und Schweiß. Die Fan-T-Shirts kleben an den erwartungsvollen Konzertbesuchern, die am Sonnabend in die Berliner Waldbühne strömen. In der ersten Reihe stehen etwa 100 hartgesottene Fans der Puhdys. Sie wollen ihre großen Idole noch ein letztes Mal live erleben, sind teilweise stundenlang nach Berlin gefahren.

Einer von ihnen ist Ralf Heber. Der 50-Jährige hat mehr als 70 Konzerte der 1969 gegründeten Band gesehen. Für ihn ist dieser Abend etwas ganz besonderes. Er hat vier Stunden gewartet, um seinen Puhdys so nah wie möglich zu sehen. Ein letztes Mal. "Es gibt kaum ein Thema aus dem Leben, dass von den Puhdys nicht in einem Songtext verarbeitet wurde", sagt er. "Heute sind City und Karat für mich nur die Vorbands."


Es seien vor allem die stimmungsvollen und ehrlichen Texte, die ihm die Band so nahe gebracht hätten. Deshalb habe er bei Tanz-Veranstaltungen in seiner Heimat immer einen Speicherstick mit Liedern seiner Lieblingsgruppe in der Tasche. "Da wird auch mal ein DJ bestochen", erklärt der Sachse.


"Der blaue Planet" ist der erste von 28 Titeln des Konzerts. Claudius Dreilich, Frontsänger der 1975 gegründeten Band Karat, zieht das Publikum sofort in seinen Bann. "Heute haben wir einen Preis bekommen", erzählt Dreilich dem Publikum. Für 100 000 verkaufte Karten einer Tour, die am 24. Juni in sächsischen Schwarzenberg beendet wird. Das Publikum tanzt und klatscht in den riesigen Rängen, die Texte sind bekannt, viele singen mit. Über eine große Leinwand in der Mitte der Bühne werden Ausschnitte von Auftritten der Bands und Filmszenen aus früheren Zeiten abgespielt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, die sowohl Wehmut als auch große Freude auslöst.


Die Rock Legenden unterstützen sich gegenseitig. Bei Songs von City oder den Puhdys taucht Karat-Lead-Gitarrist Bernd Römer auf und legt fantastische Soli hin. Seine rote, abgegriffene Gitarre wird von einem Peace-Zeichen geziert, der Griff ist verschlissen. So wie die Rocker ihre Jugend eingebüßt haben, nicht aber ihr Gefühl für Timing und Melodien, so sieht man den Lauf der Zeit auch an ihren geliebten Instrumenten.


Auch Dieter "Quaster" Hertrampf von den Puhdys genießt das Bad in der Menge und stimmt bei vielen Liedern der anderen Gruppe mit ein. "Aus Respekt voreinander besuchen wir uns auf der Bühne gegenseitig", erklärt er. Claudius Dreilich, der nach dem Tod seines Vaters den Platz des Frontsängers bei Karat eingenommen hat, ist der Jüngste unter den Rockern. Er witzelt herum, spricht vom "betreuten Musizieren" und lässt das Publikum an seiner Freude über den denkwürdigen Abend teilhaben.


City trumpft mit Georgi Gogow auf, der die Geige spielt wie kein Zweiter. Mit Liedern wie "Amerika" und auch "Sind so kleine Hände" geben die Bandmitglieder den Zuschauern genau, was sie sich wünschen. "Es ist atemberaubend schön", ruft eine Zuschauerin. Als die letzten Zeilen des Songs, "Leute ohne Rückrat haben wir schon zu viel", ertönen, folgt tosender und langanhaltender Applaus. Doch der absolute Höhepunkt ist für viele der Song "Am Fenster". Georgi Gogow liefert ein minutenlanges Intro. Als das Schlagzeug einstimmt, sitzen viele schon längst nicht mehr auf ihren Plätzen. "Das ist ein unglaublicher Song, der im Herzen etwas Einzigartiges auslöst", sagt Rainer Herrmann aus Frankfurt (Oder).

City-Frontsänger Toni Krahl stimmt auch ernste Töne an, als er ein Lied singt, dass spürbar eine große Bedeutung für ihn hat. "Helden" heißt seine deutsche Version des Songs "Heroes" vom im Januar gestorbenen David Bowie. Auf der Leinwand sind Szenen des Mauerfalls zu sehen, das Publikum klatscht, jubelt, tanzt und feiert die Freiheit, die für viele mit der Musik der ostdeutschen Bands untrennbar verbunden ist.


Dann ist es endlich so weit. Die Band, auf die so viele gewartet haben, betritt die Bühne. Die Puhdys, allen voran Frontsänger Dieter "Maschine" Birr, eröffnen ihren letzten Bühnenauftritt in Berlin mit dem Song "Unser Schiff". Darin heißt es: "Und wenn das Meer dann unsere Geschichte erzählt, Vom Lachen, vom Lieben, vom Leben, dann kann uns keine Macht dieses Wunder mehr nehmen, Das Lachen, das Lieben, das Leben, uns hat es nicht umsonst gegeben." Das Publikum ist überwältigt. Es folgen die bekannten Lieder "Geh zu ihr", "Melanie" und natürlich die "Eisbären".


Immer wieder zeigen die Großleinwände, auf der das Konzert auch für die hinteren Reihen gut zu verfolgen ist, die Gesichter der Menschen, die ihre Band so groß gemacht haben. 47 Jahre lang. Natürlich fehlt auch "Alt wie ein Baum" nicht im Repertoire. Dieter "Maschine" Birr wird beim Singen von einem Chor aus tausenden Menschen begleitet.


Der Song "Es war schön" drückt nicht nur für die Puhdys aus, was dieser Abend bedeutet. Auch dem Fan Ralf Heber ist die Trauer über den endgültigen Abschied seiner Lieblingsband deutlich ins Gesicht geschrieben.Seine zehnjährige Tochter trägt er auf den Schultern. Sie streicht ihm mitfühlend über den Kopf. "Es war schön, einfach schön, endgültig vorbei, aber schön. Winde dreh'n, Menschen geh'n. Was war, kann uns keiner mehr neh'm, Denk an unsre Zeit, sie war schön", singt Birr und mit ihm Ralf Heber als einer der größten Fans.


Den letzten Song singen City, Karat und die Puhdys gemeinsam: "Sternenstunden". Ein Lied, dass das Publikum noch einmal verzaubert, sie mitnimmt in eine ostdeutsche, musikalische Vergangenheit. Und dann fällt der schwarze Vorhang für die Puhdys für immer.

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