Sowohl die Republikaner als auch die Demokraten widmen sich im Midterm-Wahlkampf ähnlichen Themen - wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Die Kolumne zu den Zwischenwahlen.
„Wir verstehen, dass für manche Leute - für Leute mit Geld, für Leute, die Wahlkämpfe finanzieren - Schusswaffen wichtiger sind als Kinder." Diesen tragischerweise wahren Satz sagte Kimberly Rubio diese Woche unter Tränen in einem Livestream in einer Anhörung des US-Kongresses. Sie ist die Mutter von Alexandra „Lexi" Rubio, eine der 19 Schüler:innen, die bei dem Schulmassaker in Uvalde im US-Bundesstaat Texas mit nur zehn Jahren ihr Leben verlor. Der Tod durch eine Schusswaffe ist inzwischen die Haupttodesursache bei Kindern und Jugendlichen in den USA, noch vor Verkehrsunfällen.
Kimberly Rubio hat recht, die mächtige US-Schusswaffenlobbyorganisation National Rifle Association (NRA) spendet Beträge in Millionenhöhe, insbesondere an republikanische Politiker:innen. Ihr Ziel ist es, zu verhindern, dass die ohnehin kaum vorhandenen Schusswaffengesetze in den USA verschärft werden - und damit ist sie äußerst erfolgreich. Zwar hat das Repräsentantenhaus diese Woche ein entsprechendes Gesetzespaket verabschiedet, doch im Senat hat es keine Chance. Dabei wünscht sich eine große Mehrheit der Menschen in den USA eine restriktivere Schusswaffengesetzgebung. Doch nicht der Wählerwille, sondern der Spenderwille zählt.
Republikaner bieten keine Lösungen für das Schusswaffenproblem - nur AusflüchteDie Antworten, die republikanische Politiker:innen vor den anstehenden Zwischenwahlen in den USA auf die drängende Frage nach Lösungen der Massentötungsdelikte mit Schusswaffen geben, sind an Ignoranz und Lächerlichkeit kaum zu überbieten: Sie reichen von der Reduzierung der Türen in Schulgebäuden auf nur noch eine einzige, über mehr bewaffnetes Sicherheitspersonal, bis zu der Forderung, Lehrkräfte mit Schusswaffen auszustatten. Auch bei den Erklärungsversuchen, wie es dazu kommt, dass es in den USA zu so vielen Tötungsdelikten durch den Einsatz von Schusswaffen kommt, übertrumpfen sich Mitglieder der republikanischen Partei mit grotesken Behauptungen.
Eine stammt von Blake Masters, der aufseiten der Republikaner in Arizona für den US-Senat kandidiert. Ihm zufolge sind es „schwarze Menschen, ehrlich gesagt", die maßgeblich für die Schusswaffengewalt verantwortlich seien. Bei derartigen - wohlgemerkt falschen - Behauptungen kann man ahnen, woher die Schützenhilfe für den Kandidaten kommt: aus der hintersten rechten Ecke. Der Risikokapitalgeber Blake Masters wird sowohl von Ex-US-Präsident Donald Trump als auch vom rechts-libertären Tech-Milliardär Peter Thiel unterstützt, der seinen Wahlkampf finanziert. Natürlich kann Masters nicht verstehen, weshalb ihm die US-Medien aufgrund seiner Aussage Rassismus vorwerfen.
Doch gibt es auch weniger reaktionäre Republikaner? Vereinzelt schon, allerdings überleben diese politisch derzeit nicht lange. Der republikanische Abgeordnete Christopher Jacobs aus dem Bundesstaat New York sprach sich nach den Massakern in Buffalo und Uvalde für striktere Schusswaffengesetze aus. Dies wurde ihm umgehend als Verrat ausgelegt, Waffenrechtsgruppen veröffentlichten geschäftliche und private Telefonnummern und die lokale Parteiführung entzog ihm ihre Unterstützung. Christopher Jacobs gab daraufhin seine Kandidatur zur Wiederwahl auf und wird 2023 aus dem Kongress ausscheiden.
Den Republikanern ist nicht wirklich am Schutz von Kindern gelegenDie republikanische Wählerschaft zieht derzeit einfach extremere Politiker:innen vor - rechtsextreme wie den christlichen Nationalisten Louis „Louie" Gohmert, einen Kongressabgeordneten aus Texas. Der 68-Jährige wird nach einer Amtszeit von insgesamt 18 Jahren im November nicht zur Wiederwahl antreten. Sein Rezept gegen Schulmassaker: „Würden die Anführer dieses Landes mehr beten, würden wir vielleicht keine Massentötungen haben, die wir nicht hatten, bis Gebete in Schulen abgeschafft wurden."
In Wirklichkeit will die republikanische Partei, entgegen ihrer Behauptung, Kinder nicht schützen. Obwohl ihnen angeblich nichts wichtiger sei, als das „ungeborene Leben", dessen Abtreibung sie um jeden Preis verhindern will, ist ihnen egal, ob und wie Kinder leben. Sie stellen immer mehr Hürden für ihre Bildung an öffentlichen Schulen auf und lehnen die finanzielle Unterstützung armer Familien durch den Staat ab. Und diese Partei behauptet von sich „pro-life", für das Leben, zu sein.
Die Demokraten liefern nicht - weder beim Thema Kinder noch beim Thema SchusswaffenDoch wie sieht es bei den Themen Schusswaffen und Kinder bei den Demokraten aus? Diesen ist es weit überwiegend nicht einerlei, ob Kinder oder andere Menschen durch Schusswaffen umkommen. Allerdings sind Establishment-Demokraten, die die große Mehrheit der Partei ausmachen, sehr zögerlich darin, die Hauptursache dafür zu benennen, weshalb die Republikaner strengere Schusswaffengesetze blockieren: die Hörigkeit gegenüber der NRA.
Ebenfalls halbherzig zeigen sich die Demokraten, wenn es um Kinder- und Familienpolitik geht. In seinem Präsidentschaftswahlkampf 2020 hatte US-Präsident Joe Biden versprochen, endlich bezahlte Elternzeit in den USA einzuführen und staatlich finanzierte Kitaplätze für Drei- und Vierjährige. Doch die Demokraten haben nicht geliefert - und werden es wohl vor den Midterm-Wahlen im November auch nicht tun. Das wiederum lässt den aktuellen Umfragen zufolge befürchten, dass ein Teil der Demokraten-Wählerschaft enttäuscht zu Hause bleibt.
Für fast die Hälfte der US-Familien ist die Situation besonders fatal, denn ihr Einkommen reicht wegen der inflationsbedingten Preissteigerungen nicht einmal mehr, um ausreichend Lebensmittel zu kaufen. Im Rahmen von Bidens Corona-Hilfspaket wurden die darin vorgesehenen Kinderfreibeträge zwischen Mitte und Ende 2021 als monatliches Kindergeld ausgezahlt. Das child tax credit erfreute sich selbstverständlich großer Beliebtheit und für viele ist sein Wegfall äußerst schmerzlich. Kindergeld kurzzeitig einzuführen und wenig später vor der Wahl wieder einzustellen, ist für die regierenden Demokraten mehr als ungünstig.
Bernie Sanders gibt Demokraten Wahlkampftipps - Joe Biden gibt sich herzlosUm das sich ankündigende Midterm-Wahldebakel für die Demokraten doch noch abzuwenden, hat der prominente, progressive, parteilose Senator Bernie Sanders in der Tageszeitung Politico Wahlkampftipps gegeben. Gleichzeitig übte er scharfe Kritik an seinen beiden konservativen demokratischen Parteikolleg:innen, den „Konzern-Demokraten" Joe Manchin und Kyrsten Sinema für ihre Blockadehaltung. Er riet Joe Biden dazu, folgendes zu sagen: „Ich möchte den Mindestlohn erhöhen, ich möchte mich mit der staatlichen Krankenversicherung Medicare befassen, mit dem Wohnungswesen, mit dem Klima - ich kann es nicht tun. Ich brauche mehr Stimmen." Außerdem hielt Bernie Sanders Joe Biden dazu an, in diesen Angelegenheiten so viel wie möglich durch Exekutiverlasse zu tun.
Allerdings ist nicht damit zu rechnen, dass Joe Biden oder die Parteispitze der Demokraten Bernie Sanders' Ratschläge befolgen werden, denn obwohl er recht hat, gilt er ihnen als zu links und zu radikal.
Biden hingegen ist diese Woche durch eine besonders herzlose Aktion aufgefallen. Als Präsident ist er befugt, Verurteilte und Inhaftierte dauerhaft zu begnadigen. In diesem Fall ging es allerdings lediglich um zeitweiligen Freigang für den Vater eines der Todesopfer des Schulmassakers in Uvalde. Eli Torres, der Vater von Eliahna Torres, die nur zehn Jahre alt wurde, sitzt wegen Drogenhandels im Gefängnis im Bundesstaat Kentucky und hatte sich gewünscht, an der Beerdigung seiner Tochter teilzunehmen. Doch offenbar ignorierte Joe Biden die Briefe von Politiker:innen und Aktivist:innen. Der trauernde Vater musste die Beerdigung seiner Tochter über einen Livestream im Gefängnis verfolgen. In der Woche nach dem Schulmassaker war ursprünglich der Besuch Eliahnas im Gefängnis geplant.