Zwei progressive US-Politiker:innen der Demokraten verbinden Umweltschutz mit Minderheitengerechtigkeit. Sie wollen Joe Bidens Dekret zum Klimaschutz konkretisieren.
Präsident Joe Biden hat ein Dekret zur Bewältigung der Klimakrise verabschiedet. Die Demokraten Cori Bush und Ed Markey wollen einen Teil dieses Dekrets gesetzlich ausgestalten und Umwelt- mit Minderheitengerechtigkeit kombinieren. Beide sind Vertreterinnen einer progressiven Strömung in den USA- mit wachsendem Einfluss bei den Demokraten.
Ein Synergieeffekt ist die positive Wirkung, die entsteht, wenn mehrere sich zu einer gemeinsamen Sache zusammentun. Kürzlich geschehen im US-Kongress, als die sich erst seit Anfang Januar im Amt befindliche, schwarze Kongressabgeordnete für St. Louis, Missouri, Cori Bush (44), mit dem altgedienten, weißen Senator von Massachusetts, Edward „Ed" Markey (74), kollaborierte.
USA: Progressive Demokrat:innen schließen sich zusammenBeide erarbeiteten gemeinsam einen Gesetzentwurf, den „Environmental Justice Mapping and Data Collection Act", ein Gesetz zur Kartierung und Datenerfassung für Umweltgerechtigkeit. Bush und Markey orientierten sich dabei an Präsident Joe Bidens „Dekret zur Bewältigung der Klimakrise im In- und Ausland". Darin ist das Ziel festgehalten, 40 Prozent der Klimainvestitionen des Bundes „benachteiligten Gemeinden" zukommen zu lassen, d.h. hauptsächlich armen, schwarzen, Latino- und indigenen Gemeinden. Der Gesetzentwurf von Bush und Markey zielt darauf ab, die Gemeinden zu identifizieren, die am stärksten von Umweltungerechtigkeiten betroffen sind, damit die staatlichen Mittel auch dort ankommen, wo sie benötigt werden.
Die beiden Politiker:innen Cori Bush und Ed Markey wirken nur auf den ersten Blick sehr verschieden, doch tatsächlich verbindet sie viel. Zunächst wäre da die Parteizugehörigkeit: Beide sind Demokraten - progressive Demokraten, beide kommen aus einfachen Verhältnissen und haben sich den Weg in ihre Regierungsämter hart erkämpft. Die alleinerziehende Mutter Cori Bush war vor ihrem Einzug in den US-Kongress Krankenschwester, Pastorin und Black Lives Matter-Aktivistin. Ed Markey ist der Sohn eines Milchmannes und zugleich Gewerkschaftsführers. Der Jurist Markey vertrat den Bundestaat Massachusetts ab 1976 als Abgeordneter im Repräsentantenhaus und ist seit 2013 Senator.
Sunrise Movement - das US-amerikanische Pendant zu Fridays for FutureDie Zusammenarbeit mit Cori Bush ist nicht die erste dieser Art: Im Frühjahr 2019 brachte Markey gemeinsam mit der damals frisch im Kongress vereidigten, progressiven Abgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez den Gesetzentwurf für einen „Green New Deal" ein. Er ist überzeugter Klima- und Energiepolitiker, in Deutschland wäre er Mitglied der Grünen. Da verwundert es nicht, dass es Klimaaktivist:innen waren, die Markey zu Hilfe eilten, als im September 2020 seine Wiederwahl in Gefahr war. Sein Herausforderer war der zu dem Zeitpunkt 39-jährige Abgeordnete Joseph „Joe" Kennedy III, der Enkel von Robert Kennedy und Großneffe von John F. Kennedy. Vor Joe Kennedy hat noch nie ein Angehöriger der Kennedy-Familie eine Wahl in Massachusetts verloren.
Kennedy galt, trotz fehlender Wahlbotschaft als gesetzt, denn er war der Wunschkandidat des demokratischen Establishments und - nun ja, ein Kennedy, ein junger noch dazu. Aber man hatte die Rechnung ohne das noch jüngere, ethnisch diverse Sunrise Movement gemacht, dem US-Pendant zu Fridays for Future in Europa. Die Graswurzelbewegung, die sich für die Umsetzung des Green New Deals einsetzt, versammelte sich geschlossen hinter Ed Markey, dem Co-Autor dieses Gesetzentwurfs, und führte einen modernen, enthusiastischen Wahlkampf, sowohl in den sozialen Medien als auch im Realen. Markeys junges Kampagnenteam brachte einen viralen Wahlwerbespot mit dem Titel „The Green New Dealmaker" hervor, in dem Markey am Ende herausfordernd die berühmten Worte JFKs referenziert, indem er sagt: „Wir fragten, was wir für unser Land tun können, wir gingen hinaus, wir taten es. Bei allem Respekt, nun es ist an der Zeit zu fragen, was dein Land für dich tun kann."
Ed Markey und Cori Bush - unterschiedliche Karrieren zwei progressiver DemokratenAm Ende besiegte Ed Markey Joe Kennedy III mit 55,4 zu 44,6 Prozent der Stimmen und behielt seinen Sitz im Senat. Die Tatsache, dass das junge - in weiten Teilen noch nicht wahlberechtigte - Sunrise Movement mit weit weniger Finanz- aber dafür umso mehr Woman und Man Power den Favoriten Kennedy schlagen konnte und einem Mann, der altersmäßig ihr Großvater sein könnte, zur Wiederwahl verhalf, rang auch den etablierten US-Medien einen gewissen Respekt ab. Laut Alexandria Ocasio-Cortez zählt indes nicht das Alter des Politikers, sondern das Alter seiner Ideen.
Auch wenn Ed Markey und Cori Bush politische Ideen teilen, war Bushs Weg in die Politik ein anderer, auf dem sie einige persönliche Schicksals- und Rückschläge hinnehmen musste. Sie gehört zu den wenigen US-Politiker:innen, die nicht studiert haben. „Ich bin einer der Menschen, die ich repräsentiere", so drückt es Cori Bush aus. Ihr Weg in die Politik führte über den Aktivismus: 2014 wurde in Ferguson, Missouri der 18-jährige Schwarze, Michael Brown, von einem weißen Polizisten erschossen. Daraufhin brachen langanhaltende Proteste in der Stadt aus, denen die Polizei mit Härte und Tränengas begegnete. Mit dabei: Cori Bush, die, indem sie als Krankenschwester Verwundete versorgte und als Pastorin mit den Protestierenden betete, mit der Zeit zu einer Leitfigur avancierte.
Cori Bush - erste Afroamerikanerin im Repräsentantenhaus für MissouriCori Bush hat in ihrem Leben Dinge erlebt, die jedem Menschen erspart bleiben sollten: Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, Partnerschaftsgewalt, Polizeigewalt, sexuelle Gewalt. Weil sie die Miete nicht mehr zahlen konnten, lebten sie und ihr damaliger Ehemann mit den beiden kleinen Kindern zeitweise in ihrem Auto. Als er ihr Leben bedrohte, schaffte sie es, ihm zu entkommen. Cori Bush weiß, was es heißt, ganz unten angelangt zu sein - eine Erfahrung, die kaum jemand im Politbetrieb Washingtons mit ihr teilen dürfte.
Zu den persönlichen Desastern kamen Rückschläge ihre politischen Ambitionen betreffend. Cori Bush benötigte drei Anläufe, bis sie im November erstmals eine Kongresswahl gewann. Im Jahr 2016 kandidierte sie erfolglos für den US-Senat, dann unterlag sie 2018 bei der Abgeordnetenwahl für Missouris 1. Kongresswahlbezirk dem Amtsinhaber, William Lacy Clay, wie Bush selbst schwarz und Demokrat, in den Vorwahlen. Im letzten Jahr dann aber gelang es ihr, die 20-jährige Amtsinhaberschaft Clays zu beenden und als erste Afroamerikanerin Missouri im Repräsentantenhaus zu vertreten.
Amtseid nach der Erstürmung des Kapitols in WashingtonAm 3. Januar, nur drei Tage vor der Erstürmung des Kapitols durch einen gewalttätigen Mob von Trump-Fanatikern, legt Cori Bush ihren Amtseid ab. Noch am selben Tag war es Bush, inzwischen Mitglied des Justizausschusses, die einen Beschluss einbrachte, wonach die republikanischen Mitglieder des Repräsentantenhauses, die in der gemeinsamen Kongresssitzung an jenem Tag die Rechtmäßigkeit der Präsidentschaftswahl infrage stellten, einer Untersuchung unterzogen und gegebenenfalls aus dem Amt entfernt werden sollen. Dazu twitterte sie: „Ich bin der Auffassung, dass die republikanischen Kongressmitglieder, die zu diesem innerstaatlichen Terroranschlag angestiftet haben, durch ihre Versuche, die Wahl für ungültig zu erklären, Konsequenzen erfahren müssen. Sie haben ihren heiligen Amtseid gebrochen." Kaum im Kongress angekommen, hat Cori Bush auch schon ihre Arbeit aufgenommen.
Diese setzt sie nun mit ihrem ersten Gesetzesvorhaben fort: „Ich fühle mich geehrt, mit Senator Markey und Senatorin Duckworth an dieser entscheidenden Gesetzgebung zu arbeiten, die deutlich macht: Umweltgerechtigkeit ist Minderheitengerechtigkeit." Neben Cori Bush und Ed Markey wirkte auch die demokratische Senatorin von Illinois, Tammy Duckworth, an der Gesetzesvorlage mit. (Johanna Soll)