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Warum das Wintersemester Bremer Studierenden Sorge bereitet

Coronabedingt soll das Wintersemester eine Mischung aus digitaler und Präsenzlehre werden. Bremen hat 15 Millionen Euro investiert. Doch trotzdem sorgen sich Studierende.

Was gestern noch galt, kann morgen schon wieder hinfällig sein. Das gilt auch für die Universität Bremen kurz vor Semesterbeginn am 2. November. Die muss ihre Planungen und ihre Hygienevorkehrungen derzeit dynamisch an das Infektionsgeschehen anpassen. Der Plan ist, im Winter ein Hybrid-Semester anzubieten, das aus Online-Angeboten besteht, aber eben auch wieder Treffen und Veranstaltungen in der Hochschule beinhaltet. Das Wissenschaftsressort und die Hochschulleitungen hatten sich darauf verständigt, dass an Veranstaltung in geschlossenen Räumen dabei maximal 100 Studierende teilnehmen dürfen - bei entsprechender Größe des Raumes, in dem die nötigen Sicherheitsabstände gewährleistet werden können.

Alle Fächer der Universität Bremen wollen - soweit es die Covid-19-Entwicklung zuließe - neben digitalen Formaten wieder mehr Elemente der Präsenzlehre anbieten. "Um die Abstands- und Hygieneregeln bei den Präsenzveranstaltungen auf dem Campus einhalten zu können, sollen die Studierenden in Veranstaltungen Gruppen zugeordnet werden, die sich abwechselnd auf dem Campus aufhalten", sagt Christina Selzer, Sprecherin der Universität. Die Studierenden, die nicht vor Ort seien, sollen bei den Präsenzformaten entweder digital zugeschaltet werden oder asynchrone Lernangebote erhalten.

Alle Maßnahmen haben das Ziel, ein hohes Schutzniveau für die Studierenden und Mitarbeiter zu erreichen und gleichzeitig auch unter Pandemiebedingungen ein hochwertiges Studium zu ermöglichen.

Sebastian Rösener, Sprecher der Senatorin für Wissenschaft und Häfen

Zudem soll es buchbare Arbeitsplätze auf dem Campus geben, an denen Studierende in Gruppen zusammenarbeiten können. Auch die Orientierungswoche für Erstsemester werde vom 26. bis 30. Oktober in einer Mischung aus Präsenz- und digitalen Angeboten stattfinden, sofern das Infektionsrisiko das erlaube.

Bremen investiert in Universitäten und Hochschulen

"Da der finanzielle Aufwand für die Hochschulen bei diesem Konzept deutlich höher ist, hatte der Senat auf Antrag der Senatorin für Wissenschaft und Häfen in seiner Sitzung am 22. September bereits 15 Millionen Euro zur Gewährleistung des hybriden Wintersemesters und zur strategischen Weiterentwicklung der Digitalisierung an den bremischen Hochschulen bewilligt", teilt Rösener mit.

Die Umstellung auf digitale Angebot habe bei allen Schwierigkeiten insgesamt gut funktioniert. "Wir wollen jetzt auf den guten Erfahrungen, die wir mit der digitalen Lehre gemacht haben, aufbauen und diese Erfahrungen weiter nutzen", so Selzer.

Jobsorgen und die Frage, ob das Studium richtig ist

Studentin Lisa hat im vergangenen Semester kaum gute Erfahrungen gesammelt: "Das letzte Semester war total überfordernd. Ich habe den Bezug zum Studium verloren. Hinterfragt, ob Inklusive Pädagogik und Englisch das richtige Studium sind", erzählt die Studentin. Sie ist im fünften Semester. Statt zwölf Kursen habe sie nur vier belegt, ihr Auslandsaufenthalt in Südafrika sei abgesagt worden. "Mein Studium verlängert sich schätzungsweise um zwei Semester", so die 23-Jährige. Zusätzlich hat sie ihren Job in der Uni-Kita verloren. Die Kita musste schließen, da sie sich sonst von Langzeitstudiengebühren finanziert - diese wurden durch Corona jedoch in Bremen abgeschafft. Und somit fehlen die finanziellen Mittel.

"Was mich fertiggemacht hat, war das Gefühl, dass ich nichts mache und trotzdem überlastet bin. Für die Prüfungen lernen war mir viel zu viel. Ich konnte meinem eigenen Anspruch nicht gerecht werden", lässt sie das Sommersemester Revue passieren. Dass es im nächsten Semester besser wird? "Glaube ich nicht. Anfangs haben die Dozierenden noch Rücksicht auf die Situation genommen. Das wurde immer weniger."

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch der Studiengangsausschuss (StugA) des Bildungswissenschaften des Primar- und Elementarbereichs: Bei einer Umfrage gaben 455 Studierende des Fachbereichs 12, Erziehungs- und Bildungswissenschaften, dem Sommersemester ein strenges Urteil. Die Mehrheit empfindet den Arbeitsaufwand als höher und ihr fällt es schwer, sich für die digitale Lehre zu motivieren. Zudem fehle der Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen und der Leistungsdruck sei deutlich höher.

Verzögerter Studienstart durch fehlende Visa

Auch die Jacobs University Bremen (JUB) ist von den Corona-Regelungen betroffen. Nach internationalem Beispiel hat das Semester bereits im September begonnen. Da die Studierenden der Universität aus über 120 Nationen kommen, hätten viele große Probleme gehabt, ein Visum zu erhalten, teilt die Pressesprecherin Melisa Berktas mit: "Da es aufgrund der Pandemie nicht allen Neu-Studierenden möglich war, rechtzeitig zu Semesterbeginn nach Deutschland zu reisen, wurden alle Erstsemester-Lehrveranstaltungen in den ersten Wochen online abgehalten." Die Umstellung auf Präsenzlehrbetrieb für die Erstsemester-Studierenden werde am 26. Oktober erfolgen, Studierende höherer Semester nähmen bereits an Präsenzveranstaltungen teil. "Neben einem umfassenden Schutz-und Hygienekonzept zum Schutz der physischen Gesundheit unserer Studierenden ist auch der psychologische Support ein wichtiger Bestandteil der Gesundheitsfürsorge unserer Universität", so Berktas. Die Studierenden der Jacobs University seien in vier Unterkünften, sogenannten "Colleges", untergebracht. Jedes College habe einen eigenen "Resident Mentor", der gemeinsam mit den Studierenden lebe und erste Anlaufstelle bei Problemen und Sorgen sei.

Hochschule für Künste bietet Präsenzlehre an

Auch die Hochschule für Künste plant ein Hybridsemester aus Präsenz-Veranstaltungen und Online-Formaten, wobei schwerpunktmäßig Erststudierenden und Studierenden, die in ihrem Abschluss-Semester sind, der Vorrang für Präsenzveranstaltungen gegeben werden soll. Seminare werde es in kleinen Gruppen von fünf bis maximal 25 Personen unter Berücksichtigung der Hygieneregeln geben, so Susanne Schäfer, Sprecherin der Hochschule für Künste. Der Zutritt zu den Werkstätten wie Gießerei, Siebdruck, Mode, Holzwerkstatt, 3D, Film- und Fotowerkstatt bleibe bestehen.

Präsenzlehre ist essentielle Grundvoraussetzung einer Hochschule für Künste.

Susanne Schäfer, Sprecherin der Hochschule für Künste

"Es war schwer, sich während des Sommersemesters zu motivieren. Alleine zuhause zu sitzen und kreativ zu sein, ist eine Herausforderung", sagt Chiara. Sie kommt jetzt ins dritte Semester und studiert "Integriertes Design". Pro Kurs solle es drei Präsenzveranstaltungen geben, erklärt die 20-Jährige. Für die Online-Seminare will sie sich mit Kommilitonen treffen - um sich gegenseitig zu inspirieren und motivieren.

Weniger Studienanfänger in Bremen

Leere Hörsäle? Dafür gibt es noch einen Grund. "Generell ist es so, dass zum Wintersemester die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger rückläufig ist", teilt Rösener mit. Grund dafür sei, dass im Land Niedersachsen durch die Verlängerung des gymnasialen Abiturs auf 13 Jahre Schulzeit ein sogenannter „Null-Jahrgang" entstanden ist. Rund ein Drittel der Studierenden in Bremen sei im Schnitt aus Niedersachsen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. Oktober 2020, 19:30 Uhr

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