Berlin. Schatten tanzen auf der Leinwand. Einer sieht so aus, als würde er kraftvoll die Gitarre spielen, während ein anderer auf einem Schlagzeug trommelt. Der Saal ist in dunkelrotes Licht getaucht, als das Publikum mit erwartungsvollem Applaus beginnt. Erst vor wenigen Monaten spielten die Fleet Foxes im ausverkauften Festsaal Kreuzberg, diesmal sind sie in der gefüllten Columbiahalle in Tempelhof. "Das ist schon eher zeitlose Musik", sagt ein Besucher zu seiner weiblichen Begleitung. Recht hat er, denn diese Musik ist überwältigend, orientiert sie sich eben nicht an normierten Pop-Schemata, sondern besticht durch kunstvolle Arrangements.
Mit dem Opener "I Am All That I Need" des aktuellen Albums eröffnen die Sechs das Konzert und ziehen vom ersten Gitarrenklang an ihr Publikum in einen scheinbar magischen Sog. 20-, 30- und 40-Jährige, aufgewachsen mit Punk, Rock, Pop oder Techno, stimmen in die Folk-Choräle der Band ein. Das hat etwas Himmlisches, wie sie da dicht an dicht gedrängt singen.
Jedes Mal, wenn man den Eindruck hat, die Musik zu verstehen, wird man von einem neuen Element überrascht. Dabei nutzen die US-Amerikaner alle stilistischen Mittel - sei es harmonisch, rhythmisch oder dynamisch. Da ist zum Beispiel das galoppierende Schlagzeug in "Grown Ocean", zu dem die Zuschauer die Arme heben und tanzen, einen Song später wähnen die Gitarren einen in einer staubigen Prärie, während bei "Your Protector" viele die Augen schließen und sich den melancholischen Zeilen hingeben. Der Abend ist eine Hommage an den Folk-Rock, bei dem man sich ein bisschen fühlt wie Alice im Wunderland. Hinter jeder Tür erwartet einen etwas Neues.
Schon mit ihrem Debüt eroberten Fleet Foxes 2008 die Spitzenplätze der Best-of-Jahrescharts von Magazinen wie dem Rolling Stone oder Pitchfork und wurden mit Platin und Gold ausgezeichnet. Der Nachfolger "Helplessness Blues" war ähnlich erfolgreich und brachte ihnen eine Grammy-Nominierung ein. Es folgte eine Pause auf unbestimmte Zeit. Die wenigsten Musiker hätten wohl einen derartigen Moment ungenutzt gelassen. Sechs Jahre sind seitdem vergangen. Sechs Jahre, in denen Robin Pecknold seine Wahlheimat Portland verließ und sich an der New Yorker Columbia University für Literatur- und Kunstgeschichte einschrieb.
Diese Zeit hat sich gelohnt. Statt von den Träumereien eines 20-Jährigen handeln die Songs jetzt von Politik, Selbstzweifeln und dem möglichen Ende des Erfolgs, das in "Third of May" verarbeitet wird. Filigran spielt Skyler Skielset seine Gitarre, während die Querflöte perfekt zur Geltung kommt und so gar nicht kitschig wirkt. Einen Höhepunkt des Abends festzulegen, ist kaum möglich. "Blue Ridge Mountains", "Mykonos" und "White Winter Hymnal" sind die Hügel - so möchte man es eher nennen - des Abends, die durch eines vereint werden: Warme, ausgefeilte Satzgesänge, die die Fantasie anregen, Harmonien, manchmal so dissonant, dass es kaum auszuhalten ist, die dann aber in einer unglaublichen Harmonie münden und damit einer Erlösung gleichen.
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