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Aufbruch am Rollfeld

Oberpfaffenhofen - Jahrelang hing das Damoklesschwert über dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen. Nach der erfolglosen Klage der Fluglärmgegner gegen die Geschäftsfliegerei blicken die Mitarbeiter nun wieder zuversichtlich in die Zukunft.

Den Tag wird Thomas Mayr so schnell nicht vergessen: Es war im September 2012, als sie in Oberpfaffenhofen aus dem Geschäftsflieger stieg. Nicht irgendwer. Es war Doutzen Kroes, das Top-Model. „Sie ist nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern auch wahnsinnig nett", schwärmt Mayr noch heute von der Niederländerin mit den Traummaßen. Mayr ist Manager des Dienstleisters Rheinland Air Service (RAS), der sich in Oberpfaffenhofen um das Wohl der Crews und um die Jets selbst kümmert. Und manchmal eben auch um die Passagiere, wie damals, als Kroes dem Sonderflughafen ihre Ehre gab. „Sie war so beigeistert von meiner Lederhose, dass sie sich mit mir fotografieren ließ und das Bild gleich bei Facebook gepostet hat", berichtet der Manager stolz. Die Tracht hatte er an dem Tag nicht zufällig an. Sie gehört zum Geschäft. Alle RAS-Mitarbeiter tragen Lederhosen, die Damen Dirndl. „Wir wollen damit das Lokalkolorit unterstreichen", sagt der Chef.

Der Manager könnte viel erzählen von Promis, Politikern oder auch wohlhabenden Landkreis-Bürgern, die in Oberpfaffenhofen ihre eigenen Jets geparkt haben. Aber er tut es nicht. Diskretion ist das oberste Gebot. Dass Mayr die Geschichte mit dem Model verrät, sei eine Ausnahme, sagt er. Schließlich habe Kroes das Foto ja auch veröffentlicht. Die Reisenden wissen es zu schätzen, dass sie auf dem Sonderflughafen nicht erkannt werden. Am Münchner Flughafen ist das anderes: „Da knipst ja jeder mit seiner Handy-Kamera", weiß Mayr.

Überhaupt ist die Geschäftsreise mit Landung in Oberpfaffenhofen eine bequeme Angelegenheit: Die Passagiere werden direkt am Flugzeug von einer Limousine oder einem Taxi abgeholt und sind nur zwei Minuten später auf der Autobahn. RAS wirbt zum Beispiel auch mit seiner Nähe zum Oktoberfest: „Vom Flugzeug ins Fest-Zelt ist es nur eine halbe Stunde." Zur Wiesn-Zeit brummt das Geschäft: 25 bis 30 Flüge betreuten die RAS-Mitarbeiter in den zwei Wochen des vergangenen Jahres in Oberpfaffenhofen. Mit einem ähnlichen Betrieb rechnet Mayr auch in diesem Jahr. Und vielleicht reist ja auch der reiche Amerikaner aus San Francisco mit seiner Gulfstream 550 wieder an. 2012 und 2011 kam er schließlich auch schon zum Oktoberfest - mit Kind und Kegel. Mayr: „Er ist im Rennsport tätig." Mehr verrät er nicht.

Nutzen kann die Geschäftsflieger in Oberpfaffenhofen praktisch jeder, der das nötige Kleingeld hat. Rechtlich ist das kein Problem. Denn: Der, wie er offiziell heißt, „qualifizierte Geschäftsreiseflugverkehr" beinhaltet auch den Taxi-Flugverkehr. Mit diesem dürfen auch Privatleute reisen, erläutert Flughafen-Sprecher Thomas Warg. Es könnten zwar keine einzelnen Tickets gebucht werden, aber eine ganze Maschine samt Pilot und Crew schon, erläutert Warg. Der Spaß ist gar nicht mal so teuer, wie viele denken: Schon für 8000 bis 9000 Euro geht es zum Beispiel mit einem Achtsitzer nach Paris, schätzt der Sprecher. So ein Angebot könnte doch auch mal für einen Kegelclub interessant sein, oder?: „Den hatten wir noch nicht, aber eine Fußballmannschaft schon", sagt Warg und meint nicht den FC Bayern.

Auch wenn es mal schnell gehen muss, steht der Flughafenbetreiber EDMO Gewehr bei Fuß: Zum Beispiel für einen Geschäftsmann, der dringend nach New York muss. „Für ihn steht in drei bis vier Stunden ein Flugzeug bereit", weiß Warg. Externe Unternehmen wie HTM, NetJets oder DC Aviation organisieren den Jet und die Crew, die EDMO sorgt für ihre Sicherheit, RAS übernimmt das Catering und die Betreuung.

Was für die Reichen ein Vergnügen und Geschäftsleute Zeitfaktor ist, ist für den Sonderflughafen überlebenswichtig. Das betonen die Verantwortlichen immer wieder: Drei Viertel seiner Einnahmen erwirtschaftet zum Beispiel RAS mit der Geschäftsfliegerei. Allein mit dem Werkflugverkehr der Unternehmen am Flughafen könnte sich die Firma nicht halten: „Meine Mitarbeiter und ich müssten uns einen neuen Job suchen", so Mayr. Ein Verbot der Geschäftsfliegerei wäre „eine Katastrophe", sagt auch Flughafensprecher Warg. Er nennt zwar keine Zahlen, lässt aber durchblicken, dass für die EDMO mit ihren zwölf Mitarbeitern der Standort ernsthaft gefährdet gewesen wäre, hätten die Gerichte den Fluglärmgegnern Recht gegeben. „Der Beschluss von Leipzig war sehr wichtig", sagt Warg mit Blick auf den jahrelangen Rechtsstreit, den das Bundesverwaltungsgericht vor rund zwei Wochen beendet hat - zu Gunsten der EDMO (wir berichteten).

Geblieben ist verbrannte Erde. Die vielen Gegner und wenigen Befürworter des Geschäftsreiseflugverkehrs stehen sich unversöhnlich gegenüber. Das ist auch vor Ort zu spüren. Bis auf den Pressesprecher halten sich die EDMO-Mitarbeiter mit Kommentaren zurück und wollen auch nicht aufs Foto. Zu groß ist bei den Männern und Frauen die Furcht vor Ressentiments. Viele von ihnen leben in der Umgebung des Flughafens. Befeuert wird der Streit durch die Änderung des Landesentwicklungsprogramms (LEP), die jüngst Wirtschaftsminister Martin Zeil mit den Fluglärmgegnern im Weßlinger Pfarrstadel gefeiert hatte. Die Kernaussage des Papiers, das keine rechtlich Wirkung hat: Die Geschäftsflieger sind unerwünscht, basta!

Auf dem Sonderflughafen versteht man das bis heute nicht. 3300 Arbeitsplätze hängen laut Warg am Flughafenbetrieb und damit auch an der Geschäftsfliegerei: Flugsicherung, Feuerwehr, Sicherheit, Handling, Wartung, Catering, Transport und mehr. Indirekt seien es noch viel mehr Menschen, die profitieren, ist der Pressesprecher überzeugt und nennt Pensionen, Hotels, Taxiunternehmen oder auch den Metzger.

Die stolze Flughafen-Familie, zum Teil schon seit Jahrzehnten in Oberpfaffenhofen beschäftigt, wird nicht geliebt. Aber sie hat Zukunft: Um jährlich 15 bis 20 Prozent konnte die Geschäftsfliegerei in den vergangenen Jahre gesteigert werden, sagt Warg. Für dieses Jahr rechnet er mit einer ähnlichen Zahl von Business-Flügen wie 2012, als es 2300 waren. Insgesamt starten und landen zurzeit pro Jahr 12 000 kleine und größere Maschinen. Es herrscht Aufbruchstimmung am Rollfeld: Auf die Frage, ob sich nach dem Ende des Rechtsstreits bereits jemand gemeldet habe, der jetzt bereit ist, in den Flughafen zu investieren, sagt der Pressesprecher laut und deutlich „Ja!" Details nennt er nicht.

Jörg von Rohland

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