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Nach Biss: Mischlingshund „Spicy" muss an die Leine

Der bizarre Streit um einen Hund beschäftigt Wildsteig schon seit Jahren. Die einen im Dorf halten „Spicy" für harmlos, andere dagegen für gemeingefährlich. Fest steht: Im Januar hat der Rüde einen Mann gebissen. Und weil der Hund jüngst im Ort ohne Leine gesichtet wurde, soll sein Frauchen nun 250 Euro Strafe zahlen. Die weigert sich bislang.

- Freundlich mit dem Schwanz wedelnd begrüßt „Spicy" den Besucher, der gerade aus dem Auto steigt. Ausgiebig lässt sich der Terrier-Mischling streicheln, bevor er den Weg zu Frauchen Hannelore Schmelzer freigibt. So sieht er also aus, der Hund, der Teile Wildsteigs und insbesondere einen Nachbarn in Angst und Schrecken versetzt.

Für „Spicy" sind harte Zeiten angebrochen. Früher hatte ihn seine „Freundin Beppi" abgeholt, berichtet Frauchen Hannelore Schmelzer von der Nachbarshündin, mit der „Spicy" regelmäßig streunen gegangen war. Ein Hundeleben also, wie es aufregender kaum sein könnte. Bei den Ausflügen im Dorf hatte sich der Rüde aber offenbar nicht immer wie ein Gentleman benommen. Ganz im Gegenteil: „Wir fühlen uns bedroht durch den Hund", hieß es schon im September 2013 in einem Schreiben an Bürgermeister Josef Taffertshofer. Der Hund würde nicht nur Erwachsene und Kinder laut anbellen, sondern habe sie auch „mit fletschenden Zähnen gestellt". Er laufe ständig frei herum und sei so gut wie nie angeleint. Gespräche mit der Hundehalterin blieben ohne Erfolg, klagte der Absender des Briefes, der eine Leinenpflicht forderte.

Zur der kam es erst in diesem Jahr, nachdem es „Spicy" nicht beim Zähnefletschen belassen hatte. Als im Januar ein Nachbar gerade dabei war, Schmelzers Zaun zu reparieren, kam ein anderer Nachbar hinzu. Und den kann Spicy überhaupt nicht leiden. Der Terrier-Mischling schoss regelrecht aus dem Garten und schnappte zu. Der Mann erlitt eine blutende Wunde an der Wade.

Damit waren die Tage der Freiheit von „Spicy" gezählt. Er bekam Besuch von der Polizei, die den Terrier-Mischling begutachtete. „Sie haben gesagt, es ist ein netter Hund", erinnert sich das Frauchen, das auf die Polizisten nicht mehr gut zu sprechen ist. Denn die Beamten empfahlen die Anleinpflicht für „Spicy". Und dabei blieb es nicht: Schmelzer flatterte im April der Bescheid ins Haus, dass sie ihr Grundstück so zu umzäunen hat, dass es der Hund nicht mehr verlassen kann. Und: „Türen und Tore sind geschlossen zu halten." Beim Gassi-Gehen muss „Spicy" an einer maximal drei Meter langen Leine samt „schlupfsicher angebrachtem Halsband" geführt werden. Bei Nichteinhaltung wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250 Euro angedroht.

Hund und Frauchen fügten sich angeblich in ihr Schicksal, bis im September der Streit erneut aufflammte. Als die 76-Jährige die Post aus dem Briefkasten holte, soll „Spicy" auf der Straße gesichtet worden sein, ein Nachbar zückte sogar den Fotoapparat. „Ja, es gibt Beweisfotos", bestätigt Bürgermeister Josef Taffertshofer. Die Folge war ein Zwangsgeldbescheid der Verwaltungsgemeinschaft Steingaden in Höhe von 250 Euro, den die Wildsteigerin noch nicht beglichen hat.

Taffertshofer bedauert das alles, betont aber auf Anfrage, dass sich Schmelzer „wissentlich in die Situation reinmanövriert" habe. Als der Nachbar damals von dem Hund gebissen worden war, habe sie nichts unternommen, sondern „sich amüsiert", berichtet der Rathauschef und bricht ein Lanze für Schmelzers Nachbarn. Er sei „ein herzensguter Mensch" und ehrenamtlich voll im Einsatz. „Er leidet unter dem Hund", so Taffertshofer. „Seit Jahren reden wir an die Frau hin, aber sie meint, wer gebissen wird, dem geschieht's grad recht", schüttelt der Bürgermeister den Kopf. Mehrfach sei der Hund ohne Leine gesichtet worden, auch in Angriffspose. Auch zu ihm ins Büro sei Schmelzer schon mit dem Hund gekommen, erinnert sich Taffertshofer. „Ich hab' gesagt, Hannelore, bitte tu den Hund raus, aber sie hat sich nur geschüttelt." Der Frau sei alles egal, sie habe ihn auch schon als „Depp" und „Rindviech" beschimpft.

Schmelzer hält dagegen: Der Bürgermeister und der Nachbar würden sie hassen, klagt sie. Letzterem wirft sie vor, ihr monatelang Hundekot vor die Garage geworfen und „Spicy" geschlagen zu haben. Belegen kann sie die Vorwürfe nicht. Und sie wird wohl in den sauren Apfel beißen und das Zwangsgeld bezahlen: „Der Karren ist im Dreck, kein Wunder bringt ihn mehr heraus", macht sich die Wildsteigerin keine Illusionen.

„Spicy" liegt traurig unter dem Küchentisch. Das Streunen kann sich der Mischling wohl für den Rest seines Lebens abschminken. Freundin Beppi kommt nur noch selten vorbei. „Die Liebe ist abgekühlt", weiß das Frauchen.

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