„Uschi", fragt Gabriele Koberski, „willst du nicht etwas trinken?"
„Danke", antwortet Uschi Blank, „ich hab noch."
„Uschi", mischt sich Richard Westermann ein, „du musst wirklich mehr trinken!"
Wenn das Ehepaar Koberski seine Freunde empfängt, wird nicht nur groß aufgetischt. Es geht immer auch ums Trinken. Nierenspender brauchen viel Flüssigkeit, da in ihrem Körper ein Organ die Arbeit von zweien übernehmen muss. Nierenempfänger sollten viel trinken, weil sie nur eine funktionsfähige Niere bekommen haben. Bei Koberskis rund um den Esstisch sitzen vier Menschen mit nur vier gesunden Nieren.
Es ist ein Sommermorgen früh um halb acht, als zwei Ärzteteams das Skalpell ansetzen. Pünktlich um 7.30 Uhr, exakt abgestimmt zwischen den Kliniken in Freiburg und Köln. 15 Zentimeter lang wird der Schnitt sein an der Leiste, genauer: an zwei rechten Leisten und zwei linken Leisten. Genau zur selben Zeit sind die vier Patienten in Narkose versetzt worden, genau zur selben Zeit beginnt die Operation. Nur so ist sichergestellt, dass keiner der vier abspringen kann. Denn sie alle begeben sich in eine Grauzone des deutschen Rechts. Es geht um eine Crossover-Organspende. Zwei Ehefrauen spenden ihre Niere einem fremden Mann, damit der eigene ein Spenderorgan bekommt. Einen Rechtsanspruch hat keiner. Deshalb stellt allein die Gleichzeitigkeit sicher, dass die Organe tatsächlich getauscht werden.
Die Cross-over-Spende ist eine sehr seltene Form der Organtransplantation. 30 Kontrollfaktoren im Blut müssen übereinstimmen, damit Spender und Empfänger zusammenpassen. Doch ist das längst nicht der einzige Engpass. Alle Beteiligten müssen psychisch stabil sein. Und sie müssen sich gemäß Transplantationsgesetz „in besonderer persönlicher Verbundenheit" nahestehen. Der Gesetzgeber hat an Eltern gedacht, an Kinder und an Ehepartner.
Doch manchmal werden aus Fremden Freunde. Die Ehepaare Koberski und Westermann hat nur der Computer zusammengeführt. Er hat die seltene Übereinstimmung aller Faktoren ermittelt. Das Suchprogramm stand am Anfang ihrer Rentnerfreundschaft.
Zuerst in Einzelgesprächen, dann paarweise und am Ende erst zu viert wurden sie nicht nur auf ihre Nieren, sondern auch auf ihr Herz geprüft. Die psychologische Vorbereitung ging über Monate. Geschont wurde keiner.
„Was, wenn Ihre Niere abgestoßen wird?"
„Was, wenn Ihr Partner bei der Operation stirbt?"
Solche Dinge wollten die Psychologen von den Rentnern wissen. Sie wollten sichergehen, dass das Spendequartett die Operation nicht nur körperlich übersteht. Auch mit den psychischen Belastungen sollten die vier zurechtkommen können.
8000 Menschen in Deutschland stehen zurzeit auf der Warteliste. Sie brauchen eine neue Niere. Im Durchschnitt warten sie sechs bis sieben Jahre. Im vergangenen Jahr wurden 1500 Nieren von Verstorbenen transplantiert. Etwa 700 weitere Nieren kamen von lebenden Spendern, die allermeisten aus der engsten Familie. Die Spendenbereitschaft in Deutschland ist dramatisch gesunken - eine Folge des Organspendeskandals, als Ärzte Empfänger auf den Wartelisten nach oben manipuliert hatten.
Wolfgang Koberski, 59, wusste von seiner ererbten Nierenkrankheit. Als die Beschwerden zu massiv wurden, wollte seine Frau Gabi helfen. Doch hat sie Blutgruppe A, ihr Mann B. Sie versuchten es mit einem Trick. Eine Art Blutwäsche sollte die Antikörper gegen das Spenderblut aus dem Körper des Empfängers filtern. Doch Wolfgang Koberskis Körper baute die Antikörper immer wieder neu auf. „Mein Körper hat sich gewehrt", sagt er. Inzwischen lacht er dazu.
In ihrer Verzweiflung meldeten sich die Rheinländer zur Crossover-Spende an. Zu lange hatte Koberski schon dialysiert. Seine Nieren waren so vergrößert, dass er sich kaum mehr bücken konnte, um seine Schuhe zu binden. Er musste zur Bauchfelldialyse. „Alle fünf, sechs Stunden beutelst du wieder", beschreibt der Kölner diese Zeit, in der ihm die Gifte übers Bauchfell abgelassen wurden. Ein Körper wie eine Kaffeemaschine im Reinigungsmodus.
Original