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Jeder vierte Lehrling gibt vorzeitig auf

Überstunden, miese Bezahlung, schlechte Arbeitsbedingungen - viele Betriebe schrecken Jugendliche ab. Der Betriebsalltag hat sich zwar verbessert, doch die Arbeitszufriedenheit ist gesunken. Auch deshalb bleiben viele Lehrstellen unbesetzt.

In der Küche ist der Ton rau. Wer schon einmal gekellnert oder als Tellerwäscher gearbeitet hat, wird das kennen. Es ist heiß, die Luft ist fettgeschwängert und alle müssen zugleich schnell und fehlerfrei arbeiten. Es ist nicht verwunderlich, dass der Beruf des Kochs unter Auszubildenden nicht beliebt ist: Knapp 60 Prozent der unter 18-jährigen Köche arbeiten schon in der Ausbildung mehr als 40 Stunden pro Woche, die Mehrheit muss zudem Arbeitsmaterialien wie etwa Messer im Wert von durchschnittlich 360 Euro jährlich selbst bezahlen. Die Folge: Rund die Hälfte der Koch-Azubis bricht die Ausbildung ab.

Diese Zahlen gehen aus dem Ausbildungsreport 2014 hervor, den der Deutsche Gewerkschaftsbund am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat. Darin wirft der DGB vielen Betrieben schlechte Ausbildungsbedingungen vor. Während angehende Industriemechaniker oder Bankkaufleute in der Regel zufrieden sind, gaben vor allem künftige Köche, Hotel-Fachkräfte und Lebensmittelverkäufer ihren Arbeitgebern schlechte Noten.

Dabei seien 71,4 Prozent aller Auszubildenden mit ihren Stellen zufrieden oder sogar sehr zufrieden, schreibt der DGB. „Das ist zwar erfreulich, darf aber nicht über die bestehenden Probleme hinwegsehen lassen", sagte Jugendsekretär Florian Haggenmiller. Denn der aktuelle Wert sei der niedrigste, den es bisher gegeben habe.

Der jetzt vorgestellte Bericht könnte die Debatte über die Berufsausbildung in Deutschland wieder befeuern. Etliche Firmen klagen über einen Mangel an Fachkräften und Azubis. Viele junge Leute gehen lieber studieren, als einen Beruf zu lernen. Es liegt für die Unternehmen nahe, mit attraktiven Arbeits- und Lernbedingungen um junge Leute zu werben. Doch wo dies versucht wird, gelingt es nicht immer.

Laut DGB wird die klassische Lehre in Deutschland zunehmend unbeliebt: Im vergangenen Jahr wurden nur 530.000 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen, so wenige wie nie zuvor. Zugleich bildet nur rund ein Fünftel der Betriebe überhaupt aus - ebenfalls ein neuer Tiefstand. Jeder vierte Lehrling gibt vorzeitig auf. Die Wirtschaft klagt seit vielen Jahren, dass nicht jeder Schulabgänger ausreichend qualifiziert sei: Oft fehle es an Disziplin oder grundlegenden Kenntnissen, etwa in Mathematik und Deutsch.

In den Branchen, die im DGB-Report am schlechtesten abschneiden, ist der Fachkräftemangel am größten. In Hotels und Restaurants etwa sind derzeit 11.000 Ausbildungsplätze unbesetzt. „Das Gastgewerbe muss endlich die Ausbildungsqualität verbessern und an seinem Image arbeiten", forderte am Donnerstag die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Andernfalls drohe ein weiterer Verlust von Fachkräften.

Ähnlich argumentiert der DGB: „Statt über Fachkräftemangel zu klagen, sollten die Betriebe lieber qualifiziert ausbilden und den Ausbildungsrahmenplan und die Arbeitszeiten einhalten", sagte Haggenmiller. Tatsächlich arbeite jeder zehnte Azubi regelmäßig in Bereichen, die nichts mit seiner Ausbildung zu tun hätten. Jeder Dritte leiste Überstunden.

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