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Psychische Erkrankungen bei Angehörigen? 8 Dinge, die du tun kannst, um zu helfen - im gegenteil

Priscilla Du Preez via Unsplash

Du hast Menschen in deinem Umfeld, die psychisch erkrankt sind? Du sorgst dich um sie und weißt nicht, wie du helfen kannst? Du bist nicht allein. Du bist nicht schuld. Und auch du kannst dir Hilfe suchen.

Psychische Erkrankungen sind nicht nur für die Erkrankten selbst belastend, sondern auch für ihre Liebsten. Angehörige fühlen sich mitverantwortlich, wollen helfen und sind zugleich hilflos.

Wir kennen vermutlich alle jemanden, der:die unter einer psychischen Erkrankung leidet. 27,8% der erwachsenen Bevölkerung sind in Deutschland jährlich von einer psychischen Erkrankung betroffen, wie eine Studie im Jahr 2018 ergab. Dieses Jahr scheint die Zahl bedingt durch die Corona-Pandemie sogar noch angestiegen zu sein. Die häufigsten Krankheitsbilder sind Angststörungen, Depressionen und Störungen durch Alkohol- oder Medikamentengebrauch.

Psychisch Erkrankte reden oft nicht über ihr Leiden und erleben große Angst davor, jemandem zur Last zu fallen. Sie sind möglicherweise sozial isoliert, was durch die Stigmatisierung psychisch erkrankter Menschen bedingt wird und zusätzlich dem Krankheitsbild, an dem sie leiden, innewohnen kann.

Das kann dazu führen, dass nur noch familiäre Angehörige und Partner:innen übrigbleiben, die sich für die erkrankte Person verantwortlich fühlen.

Im Folgenden ein paar Schritte, die du im Umgang mit psychisch erkrankten Angehörigen gehen kannst.

1. Psychische Erkrankungen erkennen

Manchmal sind psychische Erkrankungen bei Angehörigen offensichtlich, manchmal eher weniger. Gerade weil viele Menschen aus Angst, Abneigung zu erfahren, nicht über ihr verändertes Gefühl oder ihre andauernden psychischen und physischen Symptome sprechen, kann eine Erkrankung unbemerkt bleiben.

Wenn jedoch auffällige Veränderungen im Äußeren, im Verhalten, der Stimmung und auch der physischen Gesundheit bemerkt werden, kann dies auf psychische Erkrankungen hinweisen.

Äußerlich können Anzeichen beispielsweise das Vernachlässigen des eigenen Körpers oder eine starke Gewichtzunahme oder -verlust sein.

Veränderungen im Verhalten können Konzentrationsprobleme sein, Schwierigkeiten Entscheidungen zu treffen, das Vergessen von Terminen oder sozialer Rückzug. Der Konsum verschiedener legaler und illegaler Drogen kann steigen.

Veränderungen in der Stimmung zeigen sich durch leichtere Reizbarkeit, Aggressivität oder häufiges Weinen. Zunehmender Streit, obwohl es diesen vorher selten gab, oder Zweifel an der eigenen Person können ebenfalls Anzeichen sein.

Was die körperliche Gesundheit betrifft, können vermehrte Kopfschmerzen oder Magenprobleme, kleinere Beschwerden, die von der Arbeit, Schule oder jeglichen anderen Verpflichtungen fernhalten, Indizien sein.

2. Hilf dir selbst!

Ganz wichtig im Umgang mit Angehörigen mit psychischen Erkrankungen ist deine eigene psychische und physische Gesundheit. Wenn du merkst, dass dein:e Partner:in oder dein Familienmitglied sich plötzlich ganz komisch benimmt und es dich belastet, dann ist es gut und wichtig, zu helfen und das Gespräch zu suchen.

Das kann jedoch nur funktionieren, wenn du auf deine eigenen Bedürfnisse und Grenzen achtest. Die psychische Erkrankung deines:deiner Angehörigen belastet nicht nur ihn:sie selbst, sondern auch dich. Nicht umsonst gibt es Selbsthilfegruppen für Angehörige psychisch erkrankter Menschen. Viele Angehörige chronisch psychisch erkrankter Menschen erkranken selbst langfristig.

Oft nehmen Angehörige psychisch Erkrankter Rollen ein, für die sie selbst keine emotionalen Kapazitäten haben und nicht ausgebildet sind. Du kannst deine Liebsten nicht retten. Du trägst keinerlei Schuld am Leid deiner:deines Angehörigen. Und letztlich ist es genauso wichtig, dass es dir gut geht.

Du kannst da sein, zuhören und unterstützen. Deine Aufgabe könnte es sein, dem:der psychisch Erkrankten unter die Arme zu greifen und mit ihr:ihm einen Therapieplatz zu finden, damit ihm:ihr psychologisch geholfen werden kann. Wenn dein:e Angehörige:r das wünscht, kannst du auch zum Erstgespräch mitkommen und draußen auf sie:ihn warten. Das kann helfen und auch dir ein besseres Gefühl geben.

Darüber hinaus musst du auf dich achten. Schau, wo deine Grenzen liegen und kommuniziere sie klar. Such dir selbst Hilfe. Es gibt Beratungen und Selbsthilfegruppen für Angehörige psychisch Erkrankter. Schau doch beispielsweise mal beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen e.V. vorbei.

3. Informier dich.

Wo bekomme ich selbst Hilfe und wo bekommt mein:e psychisch erkrankte:r Angehörige:r Hilfe? Wie spreche ich mein:e Partner:in/mein Familienmitglied/mein:e Freund:in am besten auf die plötzlichen, andauernden Verhaltensveränderungen an? Kann ich das überhaupt?

Es sind viele Fragen auf einmal, die sich auftun, wenn du feststellst, dass der:die Angehörige professionelle Hilfe braucht, weil die eigenen Bemühungen nicht ausreichen.

Vor Kurzem habe ich diese Liste zusammengestellt, auf der diverse Hilfestellen zu verschiedenen Themen aufgelistet sind. Bei jeder dieser Hilfestellen kannst du auch als Angehörige:r anrufen, die Situation schildern und erste Ressourcen oder vielleicht sogar schon eine Beratung in Anspruch nehmen.

Vielleicht kannst du, wenn deine (emotionalen) Kapazitäten es zulassen, darüber hinaus ein paar erste Anlaufstellen für deine:n Angehörige:n raussuchen. Hier kannst du beispielsweise Psychotherapeut:innen in der Nähe finden. Es kann sehr hilfreich sein, wenn der:die psychisch Erkrankte die Suche nicht selbst übernehmen muss oder zumindest unterstützt wird.

Informier dich auch, wer dir hilft. Wenn du überfordert bist, könntest du dich zunächst an eine Vertrauensperson wenden und schließlich Hilfsorganisationen für Angehörige kontaktieren. Hierfür steht der Bundesverband zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es einige regionale Angebote, in der Hauptstadt beispielsweise den Landesverband Berlin e.V. Angehörige psychisch Kranker.

Suche wenn nötig eine Beratung oder eine Gruppensitzung auf. Auch deine mentale Gesundheit ist essenziell.

4. Such das Gespräch.

Wenn du dich gründlich informiert hast und bereit bist, zu helfen und dafür Zeit zu investieren, kannst du dich mit der betroffenen Person für ein Gespräch zusammensetzen. Dies sollte unbedingt unter vier Augen stattfinden und kann durch die einfache Frage „ Wie geht es dir? " eingeleitet werden. Wichtig ist, Mitgefühl zu zeigen und unterstützend zur Seite zu stehen.

Sollte dein:e Angehörige:r selbst keinen guten Start im Gespräch finden, kannst du beispielsweise auch die beobachteten Veränderungen ansprechen. Auch hier gilt: verständnisvoll und unterstützend. Das veränderte Verhalten deines:deiner Angehörigen mag dich belasten, ihn:sie aber auch. Daher ist es wichtig, die Beobachtungen frei von Wertung und Vorwurf zu schildern.

5. Hör zu!

Hör dem:der Betroffenen zu. Klingt einfach, aber irgendwie kommen wir doch schnell in einen Modus des Tröstens: „Das wird schon wieder, wir kriegen das hin."

Und das kriegt ihr im besten Fall. Es kann aber von einem:einer Betroffenen schnell anders aufgefasst werden. Er:sie könnte denken, sein:ihr Empfinden und Erleben, seine:ihre realen Probleme werden runtergespielt. Dies kann dazu verleiten, sich in Zukunft nicht mehr zu öffnen und die psychischen und physischen Symptome doch wieder für sich zu behalten.

6. Die psychologische Beratung

Sollte der:die Betroffene direkt erzählen, wie es ihm:ihr ergeht, kannst du Hilfe anbieten, indem du die Möglichkeit ansprichst, eine Psychotherapie durchzuführen. Die Hilfestellung kannst du konkreter darstellen, indem du vorschlägst, gemeinsam nach einem:einer geeigneten Therapeut:in zu suchen und zusammen anzurufen und das Erstgespräch zu vereinbaren.

Wichtig ist, auf die Bedürfnisse des:der Erkrankten einzugehen. Wenn die Person offen mit ihrem psychischen Zustand umgehen möchte, ist das super. Wenn nicht, ist es auch okay.

Einige Betroffene weigern sich, eine Therapie durchzuführen und das muss akzeptiert werden. Nichtsdestotrotz kann versucht werden, die Notwendigkeit einer Psychotherapie aus eigener Sicht zu betonen. Ohne Druck und Wertung. Einfach, indem der eigene Wunsch kommuniziert wird, dass es dem Gegenüber bald wieder besser geht.

Unter Umständen ist die betroffene Person zu bewegen, zumindest einen Anruf an eine Hilfsorganisation zu tätigen und zunächst eine telefonische Beratung wahrzunehmen. Dies kann helfen, neue Perspektiven zu eröffnen.

In einigen Regionen gibt es auch die Möglichkeit der aufsuchenden Hilfe. Hier werden Erkrankte direkt in ihrer Wohnung aufgesucht, was eine kleine Hürde nimmt. Vielleicht überlegt sich der:die Betroffene es ja doch anders, wenn er:sie in heimischer Umgebung über Hilfsangebote informiert wird.

7. Informier dich - nochmal!

Sollte sich dein:e Angehörig:e in Psychotherapie begeben und bereits eine psychische Erkrankung diagnostiziert worden sein: Informier dich nochmal! Je mehr du über die Krankheit und ihre verschiedenen Erscheinungsformen und Auswirkungen weißt, desto leichter kann es dir fallen, das veränderte Verhalten deines:r Liebsten zu verstehen, akzeptieren und anzunehmen und stärkend zur Seite zu stehen.

8. Die Unterstützung hört hier nicht auf.

Der Beginn einer Psychotherapie oder ähnlicher Maßnahmen sind erst der Anfang. Es wird der:dem Betroffenen sehr wahrscheinlich nicht von jetzt auf gleich besser gehen und vielleicht merkst du als Außenstehende:r zunächst gar keine Veränderungen.

Früher oder später sollte die Therapie jedoch Erfolge zeigen - wenn auch vielleicht nur kleine. Du kannst also weiterhin für die betroffene Person da sein und deine Unterstützung und ein offenes Ohr anbieten.

Beachte trotzdem, dass du nicht in eine Rolle abrutschst, die dich überfordert und für die du nicht gemacht bist. Du bist nicht hier, um die betroffene Person zu retten.

Auch die Unterstützung für dich hört hier nicht auf! Wie wär's, wenn du dich doch nochmal über Hilfsangebote für Angehörige psychisch Erkrankter schlau machst? Vielleicht kann es dir ja doch helfen, wenn du eine Beratung oder eine Gruppensitzung besuchst.

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