Die Szene, die sich am Sonntag bei Sachsenheim im Landkreis Main-Spessart auf einer Wiese abspielte, könnte aus einem Horrorfilm stammen. Spaziergänger beobachten fünf riesige Hunde, die ein blutendes Wildschwein umringen. Ihre weißen Schnauzen sind rot vor Blut.
Dass im benachbarten Sachsenheim eine Drückjagd stattfindet? Der Schäfer, der 800 Tiere hat, ahnt es nicht. "Das hätten wir wissen müssen", sagt seine Frau Christiane Michler am Tag nach dem Vorfall. "Dann hätten wir eine Chance gehabt, das zu verhindern."
Wenig später habe er einen Anruf von der Polizei Gemünden bekommen, sagt Michler. "Ich bin sofort losgefahren."
Ein Hundeführer von den Operativen Ergänzungsdiensten (OED) der Polizei in Würzburg war eingetroffen, Michlers Hunde hatten ein Wildschwein in den Wald getrieben. Es wurde später von den Jägern tot aufgefunden und zur Sammelstelle gebracht.
Pilotbetrieb mit Herdenschutzhunden
Die Schäferei Michler fing 2013 als bayerischer Pilotbetrieb an mit den Herdenschutzhunden, die Schafe auf der Weide vor Angriffen durch Wölfe schützen sollen. In der Rhön, wo Michlers Schafe im Sommer stehen, ist das schon heute Realität. "Bei uns hier kommt das auch bald", sagt das Schäferehepaar aus Adelsberg. Den aktuellen Zahlen vom Bundesamt für Naturschutz zufolge ist die Zahl der Wolfsrudel in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr von 77 auf 105 gestiegen.
Auch vor Schwarzwild sollen die Hunde ihre Herde schützen. "Wildschweine reißen immer wieder Elektrozäune nieder und die Schafe brechen aus", so die Schäfer. Dass die Hunde über den Zaun springen, um Wild zu jagen, halten die Michlers für ausgeschlossen. "Die würden auch niemals über den Zaun springen, um Menschen oder andere Hunde anzugreifen." Der Elektrozaun stelle für die Hunde, trotz der geringen Höhe, eine feste Grenze dar.
Früher hatten Michlers Maremmaner Hirtenhunde. Bis zum Jahr 2016, als einer über den Zaun sprang und eine Joggerin biss. "Die Hunde haben sich als zu griffig herausgestellt. Der Vorfall hat dazu geführt, dass wir die Rasse gewechselt haben." Es gäbe Rassen wie zum Beispiel Kangals, die auch Menschen angreifen, sagt Michler: "In Ländern, in denen sie eingesetzt werden, müssen sie die Schafe auch vor Diebstahl schützen."
Dass sich die Vorfälle mit ihren Hunden in letzter Zeit häuften, bedauern die Schäfer. Ende September hatte einer der Herdenschutzhunde einen Autounfall bei Karsbach verursacht. "Auch da war der Zaun umgerissen und wir haben Wildspuren gefunden."
Nach dem Vorfall an diesem Sonntag bleiben die jungen Hunde nun erstmal auf dem Hof im Stall.
Noch ist nicht klar, ob die Hunde am Sonntag nicht doch von der Wildsau verletzt wurden. "Wir haben nun den Schaden", sagt Michler. "Die Jäger haben unverantwortlich gehandelt. Wir hätten von der Jagd wissen müssen."
"Wir informieren die Öffentlichkeit durch die Presse und es gibt eine Verkehrssicherungspflicht", sagt der erste Vorsitzende der BJV-Kreisgruppe Gemünden, Johannes Interwies, zu den Schutzmaßnahmen. Durch Absperrungen und Warnschilder werde auf die Jagd hingewiesen. Der Jagdveranstalter hat die Pflicht zur Vermeidung von Verkehrsunfällen durch erhöhten Wildwechsel.
Eine generelle Informationspflicht für Jagdveranstalter gegenüber Anliegern und Nutztierhaltern gibt es Juristen zufolge allerdings nicht, wenn Schüsse nicht in unmittelbarer Nähe abgegeben werden. Für außergewöhnliche Schäden, die zum Beispiel durch ein aufgescheuchtes Wildschwein verursacht werden, muss der Jagdveranstalter nicht aufkommen, so ein Urteil des Landgerichts Lüneburg.
Die beiden Schäfer bedauern die Vorfälle. "Es tut uns sehr, sehr leid was passiert ist und dass Menschen vor unseren Hunden Angst haben. Das soll so nicht sein. Wir möchten, dass die Leute das wissen."