Die Gegner gegen die Regierungsbildung in Thüringen haben in den vergangenen Wochen mobil gemacht. Doch die Kritik an Rot-Rot-Grün vermischt sich zusehends mit finsterster Polemik und blanker Wut.
von Jennifer Stange, MDR INFO
Er ist der einzige SPD-Kandidat, der bei den jüngsten Landtagswahlen ein Direktmandat holen konnte: Matthias Hey, Fraktionsvorsitzender der Thüringer SPD. Nach langem Zögern hat sich seine Partei für eine rot-rot-grüne Regierungskoalition entschieden.
Unzählige diffamierende Mails, Drohbriefe und Drohanrufe sind seitdem für ihn und seine Genossen Alltag. Und nicht nur für sie: "Ich hab mich mit mehreren Abgeordneten meiner Fraktion unterhalten und kann auch aus persönlicher Erfahrung sagen: das hat mittlerweile nicht nur was mit dem Mandat im Landtag zu tun, sondern das spielt auch ins Familiäre mit rein. Das sind zum Teil eben auch Familienmitglieder, die auf der Straße - und ich möchte es mal so deutlich formulieren-, dumm angemacht werden oder auch beschimpft werden."
Bedrohungen und Beschimpfungen von Politikern nehmen zuDen Mitgliedern der Linkspartei und der Grünen geht es nicht anders. Neu ist das Politikerbashing aber nicht. Besonders Abgeordnete, die sich gegen Rechts engagieren, stehen seit Jahren unter Beschuss. Das Landeskriminalamt Thüringen zählt durchschnittlich mehr als 20 Straftaten jährlich, die sich gegen Politiker richten.
Auch Katharina König, Nachwuchspolitikern der Linken, ist Ziel dieser Attacken. Für sie haben die Anfeindungen und Angriffe derzeit schon allein durch die Häufigkeit eine neue Qualität. Sie sagt dazu: "Die Bedrohungssituation stellt sich dar durch Mails, in denen ganz konkrete Bedrohungen ausgesprochen werden. Bis hin zu Autos, die beschädigt werden, Radmuttern die abgedreht werden, Reifen, die angestochen werden. Büros die beschädigt werden, Telefone mit Drohanrufen und vieles mehr."
Angriffe aus allen politischen LagernEtwas sei neu, meint König: Die Angriffe könnten nicht mehr wie bisher klar dem rechten Spektrum zugeordnet werden."Also bei mir war es so, dass die Schaufensterscheiben von meinem Büro in Saalfeld mit den Sprüchen zugesprüht wurden, die ganz klar auf Wolf Biermann zurücgehen, beziehungsweise auf die Aussagen die er im Bundestag getätigt hat. Drachenbrut stand dran, Stasi Mauermörder, Terroristenfreunde."
Fragwürdige Anschuldigungen, die sich am Tag von Biermanns Rede auch bei den Protesten gegen die sogenannte rot-rot-grüne "Räuberbande" in Erfurt Luft machten. Die Initiative dazu kam von einem Mitglied der CDU, doch auch NPDler und Kameradschaften demonstrierten mit. Eine Entwicklung, die Matthias Quendt mit Sorge sieht. Er ist Mitarbeiter des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismusforschung der Universität Jena und erklärt: " Die Gefahr ist, dass Tabus aufgebrochen und aufgehoben werden. Nämlich das Tabu, dass man mit den Antidemokraten von NPD und Kameradschaften, egal unter welcher Flagge, nicht gemeinsame Sache macht."
Mit weiteren Protesten ist zu rechnenErneute Proteste gegen rot-rot-grün sind für den kommenden Donnerstag, also einen Tag vor der Wahl des Ministerpräsidenten, angekündigt. Wie die meisten Abgeordneten der neuen Koalition hat die Linke Katharina König kein Problem mit Kritik, entscheidend sei allerdings das "Wie". Sie sagt: " Als wir dann das Büro, die Schaufensterscheiben gesäubert haben, hab ich von Wolf Biermann das Lied "Du lass dich nicht verhärten in dieser harten Zeit" laut angemacht und gedacht das passt."
Zuletzt aktualisiert: 02. Dezember 2014, 14:40 Uhr