Neonazis propagieren gern, wie sehr Drogen dem sogenannten deutschen Volkskörper schaden. Die Dealer seien die Ausländer, die Konsumenten die Linken. Jenseits der Propaganda sieht es etwas anders aus.
Die Leipziger Polizei präsentierte Anfang Oktober 1,8 Kilogramm Crystal, Marktwert 150.000 Euro. Der drittgrößte Einzelfund, den es bisher in Sachsen gab. Zu verdanken ist der Coup zwei aufmerksamen Streifenbeamten im sächsischen Frohburg. Ende September fielen ihnen hier zwei junge, polizeibekannte Männer auf. Einer der beiden war wieder mal ohne Führerschein, aber mit seinem Mercedes da. Uwe N., in dessen Wagen die Drogen gefunden wurden, kommt aus Colditz in Mittelsachsen. In der Kleinstadt ist der 26-Jährige kein Unbekannter. Seit Jahren gehört er zur militanten Neonazi-Szene der Stadt.
Link: zum Fernsehbeitrag http://www.mdr.de/exakt/neonazis_drogenhandel102.html
In Colditz kennt ihn jeder, reden wollen nur wenige. Ralf Gorny betreibt eine Pension in der Altstadt und hat seine eigenen Erfahrungen mit Uwe N. gemacht: Beleidigungen ausländischer Touristen und Rasen ohne Führerschein - im Fall des Uwe N. sind das noch die harmloseren Vorwürfe. 2012 stand er mit Vater und Bruder wegen Überfällen auf Andersdenkende vor Gericht, kam mit einer Bewährungsstrafe davon. Die Firma des Vaters galt lange als Treffpunkt der Neonazis, der Senior als Sponsor und Mentor der örtlichen Szene. Bis zum Prozess vor zwei Jahren schien Colditz fest im Griff der Familie N. und ihrer Kameraden. Beim Kulturbüro Sachsen spricht man von einem Klima der Angst.
Vater N. ist schon länger im Gefängnis, nun hat es auch Sohn Uwe erwischt. Der Verdacht gegen Uwe N. ist kein Einzelfall. Vor zwei Jahren stellten Polizei und Zoll bei Neonazis aus Delitzsch 800 Gramm Crystal sicher. Haupttäter Lars S. war NPD-Mitglied, kandidierte bei der Stadtratswahl für seine damalige Partei. Ein Aussteiger aus der Neonazi-Szene hält das drogenfeindliche Gebaren der Rechtsextremisten schlichtweg für Heuchelei.
Aus Sicht des Düsseldorfer Rechtsextremismus-Forschers Alexander Häusler sind Neonazi-Gruppierungen durchaus anfällig für organisierte Kriminalität.
Was aber passiert mit den Gewinnen aus den Drogengeschäften? Finanziert sich die Neonazi-Szene daraus? Der sächsische Verfassungsschutz sieht im Drogenhandel eher keine Finanzierungsgrundlage für Rechtsextremisten - Zitat: "...ist der Handel mit illegalen Drogen keine Finanzierungsgrundlage für Rechtsextremisten in Sachsen. Hier spielt eher die Vertriebs- und Musikszene eine wesentliche Rolle." Franz Hammer vom Kulturbüro Sachsen beobachtet die Szene in Sachsen seit Jahren. Er hält es durchaus für möglich, dass Gewinne aus den Drogengeschäften Neonazi-Strukturen finanzieren. Immerhin seien die beiden mutmaßlichen Großhändler einflussreiche Aktivisten gewesen.
Im Fall von Lars S. aus Delitzsch ist das Urteil längst gefallen. Er muss für neun Jahre und acht Monate ins Gefängnis. Wenn sich der dringende Tatverdacht gegen Uwe N. aus Colditz bestätigt, hat die Stadt zumindest vor ihm auf absehbare Zeit Ruhe.
Autoren: Julia
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