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Stillsitzen statt stillstehen: Studium in Uniform

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An der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg studieren mehr als 2.000 Soldaten. Wie gehen sie mit ihrer Doppelrolle als Soldat und Student um? Ein Besuch auf dem Campus in Hamburg.

Eigentlich sieht es aus wie an einer normalen Uni: Studentin Karen Haak sitzt in einem Seminar ihres Politik-Masterstudiengangs mit dem Titel Demokratieforschung. Dass es sich nicht um eine "normale" Uni handelt, ist gleich auf den ersten Blick zu erkennen: Karen trägt ihre grüne Bundeswehr-Uniform, das Uni-Gelände ist von einem hohen Zaun umgeben, und die Mensa nennen sie hier Truppenküche.

"Wir sind an erster Stelle Soldaten und erst an zweiter Stelle Studenten. Das heißt, wir halten uns immer fit, wir treiben viel Sport", erzählt die 28-Jährige. Regelmäßig würden sie auch überprüft, dass die Fitness nicht unter dem Studium gelitten habe. Sie selbst macht am liebsten Kampfsport: "Ich gehe regelmäßig Boxen, sehe aber auch zu, dass ich regelmäßig Laufen gehe. Deswegen bin ich bei uns in der Uni auch in der Marsch-AG sehr engagiert", so Haak. Regelmäßig fahren die Studenten ins Ausland, absolvieren dort Militärmärsche - pro Wochenende sind das dann etwa 80 Kilometer.

Nur wenige Frauen studieren an der Bundeswehr-Uni

Haak ist eine von drei Frauen im Seminarraum - an der gesamten Uni liegt der Frauen-Anteil bei zwölf Prozent. Sie und die anderen Frauen müssten sich immer noch häufig dumme Sprüche anhören. "Hier an der Uni sind ja auch sehr viele junge Männer, die sich eben auch noch beweisen wollen. Die profilieren sich oft darüber, dass sie Frauen mal einen Spruch drücken", sagt die Studentin und zuckt nur mit den Achseln. Vieles habe sich in den vergangenen Jahren gebessert. Und sie freut sich, wenn sie es den Männern mal richtig zeigen kann - so wie letztens bei einem sehr langen Marsch: "100 Kilometer in 24 Stunden, das ist eine absolute Spitzenbelastung. Nach 70 Kilometern, da bin ich ganz ehrlich, musste ich weinen. Ich habe geheult, aber dann bin ich doch weitergelaufen. Und ganz viele Männer haben vor mir abgebrochen."

Kleine Seminare und direkter Kontakt zu Professoren

Am Studium an der Bundeswehr-Universität in Hamburg schätzt Haak besonders die kleinen Seminare und den direkten Kontakt zu den Professoren. Das Studieren an der Uni sei ganz anders als der Truppen-Alltag in der Kaserne, da es viel weniger Hierarchien gebe. Die 28-Jährige hat den Schritt zur Bundeswehr aber ganz bewusst gemacht, erzählt sie: "Ich komme gebürtig aus Ostdeutschland. Dort gab es mal eine lange Zeit viele Werte, die dort nicht gegolten haben. Deswegen habe ich mich für die Bundeswehr entschieden, um aktiv für Werte eintreten zu können."
Die Studentin bedauert, dass die Bundeswehr in der breiten Gesellschaft so wenig akzeptiert wird. Soldaten sollten ihrer Meinung nach öfter auch mal in der Öffentlichkeit Uniform tragen. Aber das macht auch Haak äußerst selten. Sie komme sich dann vor wie "ein Tier im Zoo, das angestarrt wird".

Beförderung zum Leutnant

Auf dem Uni-Gelände ist das anders - erst recht am Tag des großen Fahnenappells. Student und Oberfähnrich Matthäus Holzmann hat lange auf diesen Tag hin gefiebert: Er wird zum Leutnant befördert, dem ersten Offiziers-Dienstgrad. "Ich habe mich verpflichtet und das ist so ein kleiner Meilenstein im Laufe der Karriere. Es ist schön, den ersten Offiziersdienstgrad zu erlangen", sagt Holzmann stolz. Zusammen mit seinen Kommilitonen marschiert er zum Beförderungsappell auf den Sportplatz der Helmut-Schmidt-Universität. Familie und Freunde sitzen auf der Tribüne und schauen der Zeremonie zu. Mehr als zwei Stunden steht der frischgebackene Leutnant in seiner hellgrauen Heeres-Uniform in Reih und Glied. Um die Taille trägt er den breiten Gürtel mit einer Bundesadler-Schnalle, an der rechten Hand der Ring seines Jahrgangs. Im Anschluss an die offizielle Ernennung spielt das Musikkorps unter anderem die Nationalhymne.

Offiziers-Laufbahn dauert 13 Jahre

In diesem Sommer wird der Student seinen Bachelor-Abschluss im Wirtschaftsingenieurwesen machen. Bei Freunden, die nicht bei der Bundeswehr sind, musste sich der Soldat noch nie für seine Arbeit rechtfertigen. Für die parallele Laufbahn zum Offizier hat er sich direkt nach dem Abitur entschieden. Sein Vater war selbst lange Jahre beim Heer. "Das sind 13 Jahre ein gesicherter Job, ein gesichertes Einkommen. Ich habe hier ein Studium vier Jahre lang. Das könnte man ja von diesen 13 Jahren abziehen", sagt der Student. In dieser Zeit würde er sich lange Zeit in der Ausbildung befinden. "Die Bundeswehr investiert viel in mich und möchte die letzten Jahre etwas von mir haben. Ich finde das sehr wichtig, dass ich ein sicheres Einkommen habe, ein geregeltes Leben. Und das habe ich hier eindeutig."
Sein Berufsziel steht auch schon fast fest: Fernmelder beim Heer. Kurz nach dem Appell feiert der Student aber erst mal seinen neuen Dienstgrad. Sein Vater und seine Freunde laufen zu ihm auf den Platz und klopfen ihm stolz auf die Schulter.

NDR Info Serie "Leben mit der Bundeswehr"
Dieses Thema im Programm:
NDR Info | 19.08.2015 | 06:20 Uhr

Alle Beiträge zum Nachlesen:
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