Vor drei Jahren ist die sogenannte Rente mit 67 eingeführt worden. Ein Problem ist seither aber immer noch ungeklärt: Wie schaffen es Arbeitnehmer so lange durchzuhalten – Vor allem in körperlich anstrengenden Berufen wie etwa in der Metallindustrie. Dieser Frage ist jetzt die Handelskammer Hamburg zusammen mit der Zeit-Stiftung nachgegangen. Über die Ergebnisse der Studie berichtet Jennifer Lange.
In der Stahlwerkshalle von Arcelor Mittal in Hamburg ist es laut und staubig. Erz und Schrott werden in den großen, runden Schmelzofen geladen. Heraus kommt flüssiger Stahl – bis zu 1700 Grad heiß.
„Der Stahl kommt raus flüssig wie Wasser. Das ist faszinierend, das ganze," sagt Peter Freudenreich. Der 60-jährige hat 35 Jahre am Schmelzofen gearbeitet. Ein Knochenjob, den viele nicht bis zur Rente durchhalten. Bei ihm kam noch eine Krankheit dazu. Bei einer Routineuntersuchung wurden Herzrhythmusstörungen diagnostiziert. Er wurde operiert - bekam einen Defibrillator eingesetzt. „Defi war mir klar darf ich nicht mehr ins Stahlwerk. Und das war natürlich erst mal ein Schock.“
Zusammen mit seinem Arbeitgeber hat Freudenreich überlegt, wie es für ihn weitergehen kann. Er war damals erst 55. Ein neuer Job war schnell gefunden: Auf dem Schrottplatz, also der Zulieferung für den Schmelzofen.
„Dadurch, dass ich da oben das Zeug dünn gemacht habe, und hatte das Hintergrundwissen, war das für mich einfach," sagt Freudenreich. Auf dem Schrottplatz hat er organisatorische Aufgaben übernommen. Und er konnte normal tagsüber arbeiten, anstatt in Früh-, Spät- und Nachtschichten. Das ist auch eine Empfehlung der Studie, die heute veröffentlicht wird.
Eine gute Ausbildung mache den Wechsel einfacher, sagt Hans Frankenberg, Personalleiter bei ArcelorMittal. Und je besser die Berufsausbildung desto besser hat auch ein Arbeitsplatzwechsel funktioniert. "Sonst bleibe nur die Möglichkeit, sie zum Beispiel in den Transport zu geben, wo sie dann Stapler fahren und auf den Krahn, wo sie Krahn fahren."
Manchmal sei allerdings ein Wechsel im Unternehmen nicht möglich, sagt Michael Göring, Vorstandsvorsitzender der Zeit-Stiftung, die die Studie initiiert haben. "Also wo ein Arbeitnehmer mit 55 nicht nur den Beruf, sondern auch den Arbeitgeber wechseln muss.“
Früher wurden ältere Mitarbeiter im Alter von 60 bis 65 Jahren noch regelmäßig in den Wachdienst übernommen. Doch diese kleinen und einfachen Jobs sind heute meist an Fremd-Firmen ausgegliedert. „Das heißt diese Jobs, wo man Menschen über Jahre noch beschäftigen konnte, die wegen Rückenleiden oder irgendwelcher Leiden nicht mehr am Ofen stehen konnten, die fallen weg.“
Die demografische Entwicklung mache es aber nötig, dass jeder so lange wie möglich arbeite. „Da ist aber auch der Einzelne gefragt, ob er sich sagt, gut, ich kann netto auch mit 1800 auskommen, habe dafür aber keine so belastende Tätigkeit mehr, und kann einfach glücklicher leben und wahrscheinlich auch länger leben.“
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Regelmäßige Gespräche mit den Mitarbeitern sind wichtig – Um früh über Jobwechsel, Weiterbildungen und Perspektiven im Alter zu reden. Und auch der Betriebsarzt müsse verstärkt auf die Gesundheit der Mitarbeiter achten. Die Studie nennt als gutes Beispiel die sogenannte Gesundheitsschicht bei TyssenKrupp. „Wo die Arbeitnehmer lernen sich gesundheitlich anders zu verhalten. Also wo man morgens mit Gymnastik anfängt. Das klingt blöd, aber das hilft ungeheuer," sagt Michael Göring. Außerdem lernen die Mitarbeiter wie sie sich richtig ernähren, welcher Sport hilft und wie man beim Schichtdienst den nötigen Schlaf bekommt.
Für Peter Freudenreich hat sich alles gut gefügt. Er ist inzwischen in Altersteilzeit und hat endlich mehr Zeit, in sein Häuschen nach Schweden zu fahren.
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