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FinCen-Files: Geldwäsche-Ermittlungen nach Datenleak

Ein Datenleak bei der US-Finanzbehörde FinCen hatte gravierende Probleme bei der Geldwäschebekämpfung offenbart. In Deutschland ermitteln nun zwei Staatsanwaltschaften, dem BKA liegen Teile der Daten vor.

Von Jennifer Lange und Benedikt Strunz

Eine Milliarden-Überweisung für einen zweifelhaften Geschäftsmann in Malaysia, Millionen-Dollar-Zahlungen für eine Firma in Panama oder einen bekannten Kokain-Händler - dies sind nur einige Beispiele, die in den sogenannten FinCen-Files dokumentiert sind. Eigentlich müssten sich Banken solche Transaktionen unter dem Verdacht der Geldwäsche genau ansehen. Doch das ist offenbar unzureichend geschehen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) prüft nun einige dieser Fälle. Ihm liegen mittlerweile Teile der Daten vor. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP hervor, die NDR und WDR vorliegt. Demnach handelt es sich um 59 Dateien mit einem Umfang von etwa 124 Megabyte.

Diese Datenpakete erhielt das Bundeskriminalamt im November 2020 und im März 2021. Sie umfassen "Geldwäscheverdachtsmeldungen von Geschäftsbanken an die US-Finanzaufsicht" und "Transaktionsdaten in Excel-Tabellen sowie Ermittlungs- und Sachstandsberichte von US-Ermittlungsbehörden", schreibt das Bundesfinanzministerium (BMF).

Der Veröffentlichung der FinCEN Files, benannt nach der US-amerikanischen Anti-Geldwäsche-Behörde "Financial Crimes Enforcement Network", ging eine monatelange internationale Recherche voraus. Der Datensatz ist Journalisten von "BuzzFeed News" zugespielt worden, die sie dann mit internationalen Partnern gemeinsam ausgewertet haben. Koordiniert wurde die Kooperation vom International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ), beteiligt waren fast 90 Partner-Medien, darunter die französische Zeitung "Le Monde", das italienische Magazin "L'Espresso" und die BBC. In Deutschland waren an den Recherchen Reporterinnen und Reporter von NDR, WDR, "Süddeutscher Zeitung" und "Buzzfeed News" beteiligt. Insgesamt handelt es sich um mehr als 2100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, einige davon betreffen Dutzende Transaktionen auf einmal. Die Gesamtsumme, die in diesen Transaktionen abgewickelt worden ist, liegt bei etwa zwei Billionen US-Dollar. Die Verdachtsmeldungen haben Banken in den Jahren 2000 bis 2017 bei der US-Anti-Geldwäsche-Behörde angezeigt, wobei der überwiegende Teil von 2014 bis 2017 stammt. Der von den Journalistinnen und Journalisten ausgewertete Datensatz stammt teilweise aus Ermittlungen im Zusammenhang mit einer möglichen Manipulation der Wahl von US-Präsident Donald Trump durch Russland. "BuzzFeed News" hat sich zur Quelle der Daten nicht geäußert.

Überweisungen von zwei Billionen US-Dollar

Bei den FinCEN-Files handelt es sich um mehr als 2100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen, die Journalistinnen und Journalisten des Medienportal "BuzzFeed News" zugespielt worden waren. In Deutschland werteten sie die Daten gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) aus.

Die Verdachtsmeldungen hatten Banken zwischen 2000 und 2017 bei der US-Anti-Geldwäsche Behörde (Financial Crimes Enforcement Network - FinCen) eingereicht. Die Gesamtsumme der Transaktionen, die in diesen Daten auftauchen, liegt bei etwa zwei Billionen US-Dollar.

Die internationalen Recherchen hatten gravierende Probleme bei der Bekämpfung von Geldwäsche offengelegt. Namhafte Banken transferierten Milliarden Euro für mutmaßliche Mafiosi, Millionenbetrüger und sanktionierte Oligarchen. Die Banken unterliefen dabei strenge Anti-Geldwäscheregularien und teils eigene Standards.

"Schallende Ohrfeige für Finanzplatz Deutschland"

Die Geldinstitute meldeten die verdächtigen Überweisungen nur sehr zögerlich, in einigen Fällen mit jahrelanger Verspätung. Einige der weltgrößten Geldhäuser, darunter die Deutsche Bank, JP Morgan und die HSBC, machten demnach sogar noch Profite mit zweifelhaften Kunden, nachdem die Banken in den USA bereits wegen Geldwäsche-Verstößen sanktioniert worden waren. Die Recherche zeigte daher ein systematisches Versagen und auch, wie einfach offenbar der Zugang zum internationalen Finanzmarkt für Geldwäscher, Drogenkartelle oder korrupte Politiker ist.

"Die FinCEN Files haben ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein und fahrlässiges Agieren beim Thema Geldwäsche offengelegt und sind eine schallende Ohrfeige für den Finanzplatz Deutschland", sagt Markus Herbrand, Finanzexperte der FDP auf Anfrage von NDR und WDR. Herbrand hatte die Kleine Anfrage gestellt. Die staatlichen Strukturen zur Bekämpfung von Geldwäsche seien in einem desolaten Zustand, an dem es nichts schönzureden gebe.

Bezüge zu Wirecard

Auf Grundlage der nun dem BKA vorliegenden Daten leiteten die Staatsanwaltschaften Frankfurt am Main und München I Ermittlungsverfahren ein. Die Staatsanwaltschaft München bestätigt, dass Auszüge aus den FinCEN-Files an sie weitergeleitet wurden. Es gebe Bezüge zu Wirecard, so eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Weitere Informationen könnten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht gegeben werden. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erklärte, dass wegen des Verdachts der Geldwäsche gegen Unbekannt ermittelt werde. Derzeit warte man auf Ergebnisse aus einem ausländischen Staat im Zuge der Rechtshilfe. Konkreter wollte die Staatsanwaltschaft nicht werden.

Herbrand kritisiert in Anbetracht der Geldwäsche-Skandale der vergangenen Jahre den mangelnden Datenaustausch mit anderen Staaten: "So lange das nicht der Fall ist, bleibt Deutschland ein Geldwäscheparadies und die Kriminellen lachen die Behörden aus." Zudem bemängelte er, dass die Daten offenbar nur dem BKA und nicht der eigentlich zuständigen Financial Intelligence Unit (FIU) des Zolls vorlägen.

Auf welchem Weg Deutschland die Daten erlangt hat, dazu will die Bundesregierung aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben machen. "Im Übrigen könnte sich eine Veröffentlichung negativ auf die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung des Bundeskriminalamts oder anderer Sicherheitsbehörden auswirken", teilt das Bundesfinanzministerium dazu mit. In der Vergangenheit hatte das BKA immer wieder große Datensätze erhalten, wie etwa Daten aus den Panama-Papers und den Paradise-Papers.

In der Vergangenheit haben das Bundeskriminalamt und verschiedene Finanzverwaltungen der Länder immer wieder große Datensätze erhalten, wie etwa Daten aus den Panama-Papers und den Paradise-Papers. Offenbar wurde hierfür Geld bezahlt. Medienberichten zufolge zahlten das Land Hessen und das BKA etwa für die Panama-Papers fünf Millionen Euro. Das BKA hat diese Summe bislang nicht bestätigt. Das Finanzministerium in Hessen teilte auf Anfrage mit, sich mit 312.500 Euro am Ankauf der Panama-Papers beteiligt zu haben.

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