Zu Tausenden rattern rote Passionsfrüchte über das Fließband. Sie werden gewaschen, halbiert und ausgehöhlt. Nach 30 Minuten ist der Saft in der Flasche. Sina Gerad ist einer der ersten Unternehmer in Ruanda, der industriell produziert. Er hat 300 Festangestellte - für ruandische Verhältnisse ein Großunternehmer. Er exportiert unter anderem Chili-Öl, Saft und Bananenwein auch ins Ausland - zum Beispiel nach Deutschland, England und in die USA.
Ruanda ist für viele Experten ein Musterland. In 20 Jahren habe es eine Entwicklung durchgemacht, für die andere Länder 100 Jahre bräuchten, sagt Daniela Beckmann von der KfW Entwicklungsbank. Das Wirtschaftswachstum liegt seit Jahren bei rund sieben Prozent. Die Weltbank kürte Ruanda 2013 zu einem der unternehmerfreundlichsten Staaten der Welt. Und auch bei der Korruptionsbekämpfung schneidet das afrikanische Land gut ab. Ruanda wolle damit Privatinvestoren anlocken, sagt Beckmann: "Die Einwerbung privater Mittel ist einer der Schlüsselfaktoren, um die ambitionierten Ziele der wirtschaftlichen Transformation zu erreichen."
Bisher ist die Regierung von Präsident Paul Kagame damit allerdings nicht erfolgreich. Derzeit machen private Investitionen gerade einmal rund zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Zum Vergleich: in Deutschland sind es rund 17 Prozent. Private Firmen investieren nur selten in Ruanda, weil ihnen die Situation zu unsicher ist. Viele haben die Erfahrung gemacht, dass am Ende Rechnungen doch nicht bezahlt wurden. Die vielen Bauvorhaben und diversen Entwicklungsprojekte werden stattdessen von der ruandischen Regierung und internationalen Organisationen wie der EU oder der Weltbank finanziert.
Hoffnungsträger ist die IT-BrancheBesonders die Hauptstadt Kigali hat sich inzwischen herausgeputzt. Dort spazieren die Menschen über breite Bürgersteige. Die Straßen sind ausgebaut und gesäumt von grünen Parkanlagen. Im Stadtkern entsteht ein Hochhaus nach dem anderen. Das alles ist Teil des ambitionierten Masterplans von Präsident Kagame. In einem dieser Hochhäuser, im 15. Stock des City-Towers, sitzt Ara Nashera, der vor zwei Jahren eine IT-Firma gegründet hat. Der 27-Jährige möchte die Kommunikation zwischen Bürgern und Unternehmen verbessern - über neue Medien wie Twitter und Facebook. Sein Geschäft läuft gut, dennoch ist der IT-Sektor noch eine Nische in Ruanda - wenn auch einer der Hoffnungsträger für den Aufschwung des Landes. "Die Nachfrage hier ist nicht sehr groß. Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn ich hier 100 Apps produzieren möchte, finde ich dafür in Ruanda noch keinen Markt", sagt Nashera.
Mehrheit der Bevölkerung ist weiterhin armRuanda hat gerade einmal elf Millionen Einwohner, wobei die Mehrheit nach wie vor arm ist. Nur wenige haben das Geld, um durch die neuen Geschäfte in der Hauptstadt zu bummeln oder in einem Restaurant essen zu gehen. Das zeigt sich schon ein paar Stockwerke tiefer im City-Tower. Der Geschäftsführer eines Bekleidungsgeschäfts erzählt, dass er die zweite Etage seines Geschäfts wieder schließen musste, weil die Kunden fehlten. Er hofft, dass sein Laden es Ende des Jahres endlich in die Gewinnzone schafft.
International denkenBesser sieht es bei der ruandischen Kaffeehauskette Bourbon aus. Die Läden erinnern sehr an die amerikanische Kette Starbucks. Bourbon hat fünf Filialen in Ruanda und drei in den USA. Die Kaffeebohnen kaufen sie von Landwirten aus der Umgebung. Inzwischen arbeitet Bourbon mit über 5.000 Bauern zusammen, die nach New Yorker Börsenpreisen für Rohkaffee bezahlt werden. Das sind zwischen drei und vier Dollar pro Kilo. 90 Prozent der Kaffeeernte exportiert das Unternehmen ins Ausland. "Das ist etwas, was wir lokalen Unternehmern zeigen wollen: Wir haben es geschafft, also könnt ihr es auch schaffen. Denkt nicht nur an den ruandischen Markt, sondern denkt international. Das wird unsere Wirtschaft weiter öffnen und stärken", sagt Geschäftsführer Serge Mushinzimana.
Das ist das übergeordnete Ziel der Regierung. Ruanda ist ein Land mit wenig Ressourcen. Es hat keinen Zugang zum Meer. 80 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft. Die wichtigsten Exportgüter sind Tee und Kaffee. In Zukunft jedoch soll eine wachsende Dienstleistungs- und IT-Branche den Wirtschaftsaufschwung bringen. Gleichzeitig möchte Präsident Kagame aus der Hauptstadt Kigali ein Konferenzzentrum machen. Die Tagungsräume und das Hotel sind gerade im Bau. In ein paar Wochen soll hier das erste Mal eine große internationale Konferenz tagen. Bisher ist dort jedoch noch eine große Baustelle.
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