Die Musik der Band Equilibrium lebt von dramatischen Gegensätzen: Harte Gitarrenriffs und Schlagzeug-Gewitter wechseln mit sanften Melodien, die gebrüllten Texte erzählen Heldensagen. In ihre Heavy-Metal-Phantasiewelt träumen sich Fans auf der ganzen Welt.
Equilibrium bringt alle Facetten von Metal zusammen, manchmal sogar in einem einzigen Lied: In Unbesiegt wechselt die Stimmung nach nur zehn Sekunden. Träumerisch und heiter klingt die Panflöte, bis sie plötzlich von einer Kaskade aus Keyboard und Schlagzeug übertönt wird. Wie ein kalter Sturm vertreiben sie die sehnsüchtige Stimmung, dann grollt der Donner: Die Stimme des Sängers kommt tief aus der Kehle. Sie klingt wie böses Gebrüll, die Worte sind kaum zu verstehen. Wer den Text nicht kennt, käme nicht auf die Idee, dass das Lied die Geschichte eines Helden erzählt:
„Schwarz die Nacht, die mich umgibt, die heulend an die Felsen bricht Sieh, wie ich dem Sturme trotz, werd' Zeuge meiner Kraft! Wo die anderen niederknien, Staub, Verachtung sich verdienen, stehe ich - komm sei mein Zeug' - blutig aber ungebeugt!"
Dieser dramatische Kontrast zwischen dichter Atmosphäre und rohen Emotionen ist typisch für Equilibrium, auf Deutsch: Gleichgewicht. Die meisten ihrer frühen Lieder erzählen Mythen aus der germanischen Sagenwelt. Auch der getragene Stil der auf Deutsch verfassten Liedtexte ahmt alte Heldengesänge nach. Die Geschichten in den jüngeren Stücken sind selbst erfunden, aber spielen noch immer in einer Märchenwelt: Blut im Auge erzählt vom Zauber einer wunderschönen Frau, Der Wassermann hält im gleichnamigen Lied am Grund eines Sees die Seelen unschuldiger Menschen gefangen.
Erstes Konzert in einer Kirche
„Am Anfang waren wir vor allem inspiriert durch die Musik, die uns damals gefallen hat: Iron Maiden, Metallica, Ensiferum, aber auch viel Black Metal und Filmmusik", erzählt René Berthiaume, der Gitarrist und Keyboarder von Equilibrium. Er ist das letzte verbliebene Gründungsmitglied und Mastermind der 2001 gegründeten Band.
Damals hatte er eine Hand voll Kumpels aus dem bayerischen Ort Maisach zusammengetrommelt, um gemeinsam auf einem Jugendfest aufzutreten. Ihr erstes Konzert spielte die Band in einer evangelischen Kirche: „Weil wir nur Cover-Versionen anderer Bands gespielt haben, war das kein Problem", meint René. Auch der Bandname war ursprünglich nur als provisorischer Titel gedacht.
Doch der Auftritt hatte beim Publikum so viel Erfolg, dass die Gruppe zusammenblieb. Das erste Album Turis Fratyr produzierte René noch selbst, die Lieder dazu schrieb Helge Stang, der damalige Sänger. Der schroffe Kontrast zwischen Helges finsterem Kehlkopfgesang, der von Metal-Fans „Growling" genannt wird, und der bombastischen Atmosphäre der Melodien wurde zum Markenzeichen von Equilibrium. Im Jahr 2006 unterschrieb die Band einen Vertrag mit dem Musiklabel Nuclear Blast, das auch Metal-Bands wie Nightwish, Epica und Die Apokalyptischen Reiter produziert.
Seitdem hat die Gruppe drei weitere Alben aufgenommen und sich bis auf René komplett neu besetzt: Wegen unterschiedlicher Vorstellungen über Musik und Erscheinungsbild verließ Sänger Helge Stang vor fünf Jahren die Gruppe. Das Mikrofon übernimmt seitdem Robse, der auch bei der Band Vrankenvorde singt, am Schlagzeug kommt Hati aus Israel hinzu. Für die 2014 ausgestiegenen Geschwister Andreas und Sandra Völkl rückten Gitarrist Dom und Bassistin Jen Majura nach.
Neue Wege: Klargesang statt Growling
Ihrem charakteristischen Stil ist Equilibrium zwar treu geblieben. Noch immer ist die Natur für Songwriter René die wichtigste Metapher für menschliche Gefühle wie Mut, Hass und Begeisterung. Doch es gibt auch Veränderungen: Sänger Robse setzt seine Stimme nicht nur zum Growling ein, sondern kann auch klar singen. Auf dem jüngsten Album Erdentempel von 2014 ist erstmals auch ein Lied auf Englisch zu finden. „Es macht Spaß, in einer anderen Sprache zu arbeiten und damit auch Fans anzusprechen, die kein Deutsch verstehen", sagt René.
Denn längst ist die Band auch international bekannt. Im vergangenen Jahr war Equilibrium in Mexiko, Russland, Rumänien und auf einer Metal-Kreuzfahrt in der Karibik unterwegs. Die nächste geplante Tour soll durch China, Taiwan und Japan führen. Die Band hofft auf neue Hörer aus Asien, denn außerhalb Deutschlands sind die Fans oft enthusiastischer, meint Gitarrist Dom: „In Deutschland kannst du jedes Wochenende auf ein Metal-Konzert gehen. Die Fans aus dem Ausland sind ausgehungerter. Sie springen auf die Bühne und schreien die Texte mit - auch wenn sie manchmal die Aussprache gar nicht beherrschen."
Ein Fan aus Asien hat die Band sogar einmal inspiriert: Das Lied Shingo Murata trägt den Namen eines japanischen Fans, der Equilibrium zur Zeit ihres ersten Albums auf Myspace angeschrieben hatte. Eine besondere Ehre für ihn - denn der Song handelt von einem tapferen Krieger.
Sich selbst sehen die Bandmitglieder trotz des Weltrufs in der Metal-Szene nicht als Helden. Sänger Robse und Schlagzeuger Hati sind außerhalb der Festival-Zeit berufstätig, Gitarrist Dom ist noch Student. Seine Kommilitonen an der Uni wissen nichts von seinen internationalen Touren, wenn sie nicht gerade selbst Metal-Fans sind. Das ist Dom nur recht: „Ich trenne Musik und Privates. Im Seminar erzähle ich nicht von der Band."