Zum 99. Geburtstag von Helmut Schmidt neue Facetten des Musikliebhabers aufgezeigt
Neue Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung stellt den "Kanzler als Pianist" vor Hamburg, 27. Februar 2018. „Es könnte heute auch der 23. Dezember sein, das eigentliche Geburtsdatum von Helmut Schmidt, schaut man auf das Winterwetter", begrüßte Hausherr Prof. Dr. Elmar Lampson die Gäste der Konzertmatinee „Der Kanzler als Pianist" in der Hochschule für Musik und Theater. Eingeladen hatte die neue Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, um den 99. Geburtstag ihres Namensgebers nachzufeiern. Vorstand Dr. Knut Nevermann erläuterte die Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Stiftung, nachdem Professoren und Studenten der Hochschule ein Mozart-Klavierkonzert aufgeführt hatten, das Helmut Schmidt nicht nur gerne gehört, sondern 1981 noch während seiner Kanzlerschaft gemeinsam mit Christoph Eschenbach und Justus Frantz auf Schallplatte eingespielt hatte. Unter den Gästen waren auch Kultursenator Dr. Carsten Brosda, der ein Grußwort sprach, sowie Dr. Dieter Rexroth, der sich gemeinsam mit Prof. Lampson und Stiftungsvorstand Stefan Herms bei einer Talkrunde an den Musikliebhaber Schmidt erinnerte.Politik als säkulare Variante der Kompositionskunst Wie Kultursenator Dr. Brosda den Gästen im vollbesetzten Konzertsaal erzählte, sei eine Aufnahme des Klavierkonzert F-Dur KV 242 für drei Klaviere von Eschenbach, Frantz und Schmidt sein Antrittsgeschenk als Kultursenator gewesen: „Hier ist offensichtlich die größtmögliche Schnittmenge aus Politik, Kultur und Hansestadt Hamburg gegeben." In seinem Grußwort beleuchtete der Kultursenator die wechselvolle Beziehung von Politik und Musik durch die Jahrhunderte. „Schon Platon hat in seiner Schrift über den idealen Staat festgestellt ‚Rhythmen und Töne dringen am tiefsten in die Seele'." Musik sei für Schmidt weit mehr als nur Rekreation gewesen. „Disziplin, Konzentration und Beharrlichkeit finden sich in der Musik wie in der Politik. Letztere kann als säkulare Variante der Kompositionskunst gesehen werden." Drei Klaviere im Dialog Die Aufführung des Mozart-Klavierkonzertes F-Dur KV 242 für drei Klaviere hatten die Mitwirkenden der Hochschule für Musik und Theater extra für die Matinee vorbereitet. Es spielten die beiden Professoren für Klavier, Hubert Rutkowski und Stepan Simonian, zusammen mit sieben Studenten, die für die Solopartien wechselten. Begleitet wurden die Pianisten vom Ensemble der Hochschule unter Leitung von Simon Edelmann. Wie Hubert Rutkowski nach dem begeisterten Applaus des Publikums betonte, strahle das Klavierkonzert durchweg Freude und entspannte Atmosphäre aus, bestimmt durch den Dialog der drei Klaviere. Aktivitäten und Pläne der Stiftung Bei seinem Rück- und Ausblick der seit gut einem Jahr aktiven Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung, hob Vorstand Dr. Knut Nevermann hervor, dass es gelungen sei, im Helmut-Schmidt-Haus am Kattrepel Räumlichkeiten zu finden, die ideal seien, um in der Mitte der Hansestadt einen Ort zu schaffen, wo Menschen mit dem Wirken Helmut Schmidts in Bezug treten können. Nevermann kündigte an, dass es zum 100. Geburtstag Ende des Jahres hier bereits eine Foto-Schau geben wird, die bis 2020 durch eine Dauerausstellung abgelöst sein soll. Das Konzept sieht vor, über die Person Helmut Schmidts hinaus Effekte für die Demokratiegeschichte zu erzielen und zukunftsorientierte Antworten auf gesellschaftlich relevante Fragen im Sinne des großen Staatsmannes zu formulieren. Seine Auseinandersetzung mit der Musik spielte sich im Denken ab In einer von der WELT-Journalistin Jana Werner moderierten Talkrunde ließen die Zeitzeugen Dr. Dieter Rexroth, Musikwissenschaftler und dramaturgischer Berater von Kent Nagano, Hochschulpräsident Prof. Dr. Elmar Lampson und Stefan Herms, Vorstand der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung Begebenheiten Revue passieren, die die musische Seite des Politikers beleuchteten. Lampson erinnerte sich daran, wie er 2007 mit seiner Familie die Schallplatten-Sammlung aus dem Privathaus des Ehepaares Schmidt abgeholt hat, was mehrere Tage in Anspruch nahm, weil diese rund 2.500 LPs umfasst. „Helmut und Loki Schmidt waren ganz bei der Sache. So gut wie jede Platte wurde nochmal kommentiert. Die hohe Präsenz von Helmut Schmidt im Moment ist die Brücke zur Musik." Stefan Herms berichtete von einem Gespräch mit dem hochbetagten Staatsmann, bei dem es um die Wahl der Musik für dessen Beerdigung ging: „Mir saß jemand gegenüber, der systematisch sein Haus bestellte. Beim Thema Musik orientierte sich Schmidt in erster Linie am klassischen Kantatenschatz der protestantischen Kirche. Zum Schluss aber sollte das vertonte Gedicht "Ik wull, wi weern noch kleen, Jehann" einen Bezug zu seiner Familie und seiner Herkunft im Hamburger Stadtteil Barmbek herstellen." Bei einem Interview, um das Kent Nagano Helmut Schmidt für ein Buchprojekt gebeten hatte, war Dr. Dieter Rexroth dabei und staunte damals, wie tiefgehend auch die musiktheoretischen Kenntnisse Schmidts reichten. „Seine Auseinandersetzung mit der Musik spielte sich im Denken ab", resümierte der Dramaturg. Nach einem weiteren Mozart-Klavierstück klang die Konzertmatinee mit einem Empfang im Foyer der Hochschule für Musik und Theater aus.