Hündin Josie liegt in der vorderen Ecke im Klassenzimmer der Schule Altstadt. Auf ihrer blauen Decke hat sie es sich gemütlich gemacht und streckt genüsslich die Beine aus. Während Lehrer Frithjof Meislahn über die Berufschancen nach der Schule spricht, entwischt ihr ein Gähnen. Für Josie ist das alles schließlich uninteressant. Sie hat längst einen Job. Josie ist ein Hypo-Hund. Ihre Aufgabe ist es, auf den an Diabetes erkrankten Erik Neas aufzupassen. Am Geruch kann sie erkennen, ob der 14-Jährige unterzuckert ist.
Eine spezielle Ausbildung ist für Hypo-Hunde notwendigDie meiste Zeit des Unterrichts in der 8d liegt die Goldendoodle-Dame (eine Mischung aus Golden Retriever und Pudel) ruhig auf der Decke. Doch sobald sich Herrchen Erik bewegt, wird sie aufmerksam. Sie beobachtet ihn, wenn er an die Tafel geht, sie folgt ihm durchs Klassenzimmer, wenn er die Arbeitsblätter an die Mitschüler verteilt. Die Hündin muss immer in seiner Nähe bleiben, um die Gefahr schnuppern zu können. Zwischendurch gibt Erik ihr ein Zeichen, dann kommt sie schnell zu ihm gelaufen, springt an dem Schüler hoch. Er haucht sie an, Josie überprüft den Geruch. Wenn etwas nicht stimmt, beißt sie in sein T-Shirt oder macht durch lautes Bellen auf sich aufmerksam. Dann muss Erik etwas essen, um den niedrigen Blutzuckerspiegel auszugleichen.
Seit zwei Jahren sind er und Josie ein Team. „Wir waren schon immer eine Hundefamilie", erzählt der gebürtige Rendsburger. Dann seien sie durch das Fernsehen auf die Diabetikerwarnhunde aufmerksam geworden. Als Josie acht Wochen alt war, ist sie von Münster nach Rendsburg gekommen. Gemeinsam mit Erik ging sie zu einer Hundeschule in Uelsby (Kreis Schleswig-Flensburg) und bekam dort eine spezielle Ausbildung. In die Schule Altstadt kommt sie bisher nur montags und dienstags mit. Fünf Tage pro Woche wären noch zu viel - für sie und für Erik. „Josie ist noch sehr jung und sie passt nicht nur auf mich auf. Ich muss auch auf sie achten", sagt der 14-Jährige. Der Sportunterricht sei außerdem noch eine Herausforderung. Die Versuchung, dem Basketball hinterherzulaufen, ist einfach zu groß - schließlich ist sie auch nur ein Hund.
In der großen Pause geht es in den StadtparkDie meiste Zeit bleibt Josie im Unterricht unbemerkt. „Man bekommt kaum mit, dass wir einen Hund in der Klasse haben", sagt Klassenlehrer Meislahn. „Die Kinder haben keine Angst vor ihr, sie gehen locker damit um." Das war am Anfang nicht immer so, erinnert sich Erik. Ein paar Schüler hatten Angst vor Hunden, doch die ist inzwischen weg. „Sie ist also nicht nur ein Therapiehund für mich, sondern auch für andere."
Es klingelt zur Pause. Erik und sein Kumpel Friedrich Becker (14) machen sich mit Josie auf den Weg in den angrenzenden Stadtpark. In der großen Pause ist Auslauf angesagt. Von dem ruhigen Hypo-Hund ist kaum mehr etwas da. Josie rennt am Ufer des Stadtsees entlang und schnappt sich einen Ast. Sie genießt es, an der frischen Luft zu sein und tobt sich aus. Zwischendurch kontrolliert sie, ob Erik noch da ist. Klassenkamerad Friedrich ist bei ihnen, falls etwas passiert. Zurück auf dem Schulhof zieht Josie alle Blicke auf sich. Und der Ball, mit dem ein paar Kinder auf dem Schulhof in der Pause spielen, sieht wieder einmal so verlockend aus. Doch Josie hört auf ihr Herrchen und geht brav mit in die Klasse. Jetzt ist Englisch dran - nicht gerade Eriks Lieblingsfach und Josies auch nicht. Sie mag lieber Kunst, erzählt Erik. Denn wenn alle konzentriert an ihren Bildern malen, kann sie in Ruhe ein Nickerchen halten.
von Jana Walther erstellt am 05.Feb.2015 | 06:00 Uhr