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Berlin: Crack löst Heroin ab - Wie im „Kotti" Drogen konsumiert werden

Seit einem halben Jahr finden Drogensüchtige im Konsumraum am Kottbusser Tor sauberes Material. Hier können sie in einem geschützten Raum und unter hygienischen Bedingungen konsumieren.

Kottbusser Tor

| Lesedauer: 5 Minuten

Die Kontaktstelle Kottbusser Tor ermöglicht Abhängigen einen sichereren Konsum. 1300 mal wurde hier im August konsumiert. Ein Besuch.

Berlin. Ein kleiner gefliester Raum mit Edelstahltischen, an jedem Platz ein Spiegel an der Wand, je eine angekettete Schere und ein gelber Plastikeimer auf dem Tisch. Der Drogenkonsumraum der Kontaktstelle „Kotti" strahlt Sterilität aus. Genau das soll er auch sein, hygienisch und funktional. Hier können vier Menschen gleichzeitig Drogen intravenös oder nasal konsumieren, anders gesagt: spritzen oder ziehen.

An vielen Tagen sind diese Plätze durchgehend ausgebucht. Seit Ende März hat das Gesundheits- und Sozialzentrum der Fixpunkt gGmbH geöffnet und die Zahl der „Konsumvorgänge" ist kontinuierlich gestiegen. Im August wurden hier 1300 Mal Drogen eingenommen.

Die Zunahme liege nicht an einem Anstieg des Drogenkonsums am Kottbusser Tor, sondern daran, dass das Team der Kontaktstelle immer besser eingespielt sei, so der Geschäftsführer von Fixpunkt Raphael Schubert. 16 Menschen arbeiten hier als Krankenpfleger und Sozialarbeiter, in einer Besetzung von fünf bis sechs Personen pro Schicht. Zwei Stellen sind noch unbesetzt, wie in allen Bereichen herrscht auch hier Personalmangel.

Morgenpost von Christine Richter

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Kottbusser Tor: Senat und Bezirk finanzieren Drogenkonsumraum

Der Senat und der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg finanzieren die Kontaktstelle mit etwa 800.000 Euro im Jahr. „Es war ein langer Weg, bis wir öffnen konnten", sagt Schubert. Lange wollte niemand Räume an Fixpunkt vermieten. Schließlich mietete der Bezirk eine ehemalige Seniorentagesstätte im „Kreuzberger Zentrum" an, der Umbau wurde mit Senatsgeldern bezahlt.

Jetzt stehen täglich zwei Mitarbeitende unten am Eingang der Reichenberger Straße 176, dem „Empfang" der Kontaktstelle. Auf einem Tisch liegen Teebeutel, Kaffee, Kondome. Von hier geben die Mitarbeitenden Konsumutensilien aus und kommen mit den Klienten und Klientinnen ins Gespräch. „Hier wird Vertrauen aufgebaut, damit die Menschen das gesamte Angebot der Kontaktstelle nutzen, zum Beispiel die Konsumräume oder die sozialarbeiterische Unterstützung", sagt Geschäftsführer Schubert, „am Anfang haben sich nur wenige die Treppe hochgetraut".

Das hat sich geändert. Oben im Aufenthaltsraum sei es inzwischen oft voll, Menschen ruhen sich aus, spielen Karten. Zwei Telefone und Laptops stehen zur Verfügung. An der Wand hängt eine Tafel, auf der die Angebote der Kontaktstelle abgebildet sind: Kleidung, Essen, Waschmaschine und Trockner, Konsumraum, eine Arztsprechstunde alle zwei Wochen. Auch manche Gäste haben sich mit Kreide verewigt. „Danke für eure Hilfe" steht da mit drei Ausrufezeichen und einem Namen.

In der Kontaktstelle können Drogenabhängige nämlich nicht nur risikoarm konsumieren. Sozialarbeiter versuchen, ins Hilfesystem zu vermitteln und Krankenpfleger helfen bei gesundheitlichen Problemen. Das sind vor allem Wunden, die durch den Konsum, aber auch durch das Leben in Obdachlosigkeit entstehen, von der viele Abhängige betroffen sind.

Nicht nur Konsum: Medizinische Versorgung und sozialarbeiterisches Angebot

„Wir können nur begrenzt medizinische Versorgung anbieten", sagt Schubert, der selbst ausgebildeter Krankenpfleger ist, „aber wenn wir unsere Klienten weiter in ein Krankenhaus schicken, kann es sein, das sie nie hingehen". Viele haben Job, Wohnung und Sozialleistungen verloren und sind nicht krankenversichert.

Hinter dem Aufenthaltsraum und dem Raum für intravenösen Konsum liegt der Raucherraum. Hier konsumieren Abhängige vor allem Crack, eine Form von Kokain, die in einer Pfeife geraucht wird. Hier verweilen die Menschen oft länger, bis zu 30 Minuten. Kokain und Crack hätten laut Schubert den Konsum von Heroin überholt.

Anders als im Injektionsraum ist im Raum für inhalativen Konsum keine Aufsicht dabei, sich dort aufzuhalten wäre gesundheitlich nicht zumutbar. Auch sei die Gefahr einer Überdosis beim Rauchen geringer. Durch ein Fenster hat dennoch eine Pflegerin oder ein Pfleger ein Auge auf die Konsumierenden. „Wir haben hier sehr erfahrene Konsumenten", sagt Schubert, „aber jeder hat mal einen schlechten Tag".

Was es jetzt in Friedrichshain-Kreuzberg nicht mehr gibt, sind mobile Kontaktstellen, also „Druckräume" in Wohnmobilen. Der mobile Konsumraum, der am Kottbusser Tor stand, ging mit Eröffnung der Kontaktstelle nach Neukölln. Dort sei der Bedarf groß. Zwanzig Menschen pro Stunde nähmen das Angebot des Kontaktmobils am Anita-Berber-Park wahr, so Schuberts Vorgängerin bei Fixpunkt und Geschäftsführerin von Fixpunkt e.V. Astrid Leicht.

„Aus Friedrichshain erreichen uns kaum Beschwerden und auch am Görlitzer Park oder im Wrangelkiez wäre eine mobile Stelle mit vier Mitarbeitern im Moment nicht angemessen", sagt sie. Eher wäre ein Angebot am Leopoldplatz im Wedding nötig. „Es handelt sich beim Drogenkonsum im öffentlichen Raum um eine gesamtstädtische Problematik", sagt Leicht.

Die geplante Polizeiwache im „Zentrum Kreuzberg" am Kottbusser Tor, also genau im selben Gebäude wie die Kontaktstelle, würde für die Klienten wenig ändern, heißt es bei Fixpunkt. Die seien es gewohnt, dass täglich Polizeiwannen vor Ort sind.

Viele Abhängige haben oder hatten Probleme mit der Justiz. Sei es wegen Beschaffungskriminalität oder dass sie mit Drogen in der Tasche kontrolliert werden. „Wir würden uns wünschen, dass suchtkranke Menschen die medizinische oder sozialarbeiterische Hilfe bekommen, die sie benötigen und nicht als Straftäter behandelt werden", sagt Raphael Schubert.

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