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Deutsche Küsten: Lieblingsorte an der Küste

Niendorf: Der wilde Strand


Ich bin in Lübeck groß geworden, die Sommer meiner Kindheit und Jugend habe ich an der Ostsee verbracht, an einem Strandabschnitt zwischen Timmendorf und Niendorf, der mich über die Jahre begleitet hat. Wer älter wird, der wandelt sich: So ist das mit mir, und so ist das auch mit diesem Stück Strand. Ich bin größer geworden und habe mehr Schwimmabzeichen gesammelt. Der Strand wurde ein bisschen weniger wild, je älter wir beide wurden.

Es geht um ein Stück breiten Sandstrand, das den Buckel des Niendorfer Hafens bildet. Dort sind die Wellen höher als an den angrenzenden Sandstreifen. Anders als an den ruhigeren Abschnitten zahlt man hier auch keine Kurtaxe, was meinen 68er-Vater damals, glaube ich, vor allem dazu bewegt hat, hierhin zu gehen und nicht ein paar Meter weiter, wo meine Mutter es schöner fand. Für die Ostsee ist das Wasser oft ziemlich unruhig, und wer zur Sandbank schwimmt, braucht Puste, Selbstvertrauen in die eigenen Schwimmfähigkeiten oder im Zweifel einen Vater, der bereitwillig die Luftmatratze plus Kindern darauf hinter sich herzieht.

Seit ein paar Jahren gibt es an diesem Ort eine hippe Strandbude. Auf wertigen Loungemöbeln kann man jetzt Mojitos schlürfen. Die Bässe der DJs tönen über die Liegen und Handtücher. Man könnte sagen, die Bude hat den Strandabschnitt gentrifiziert. Und wie das mit der Gentrifizierung so ist, ist der Abschnitt jetzt ein bisschen weniger ursprünglich. Aber dafür gibt es Qualitäts-Eis. Das Wasser ist nicht so anfällig für solche Bezähmungsversuche wie der angrenzende Streifen Sand. Die Wellen bewahren das besondere Gefühl von Wildheit. Vielleicht ist es auch das und nicht die fehlende Kurtaxe, was meinen Vater immer schon hierhin gezogen hat.
Jana Luck

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