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Wuppertaler Tanztheater: Nachhaltig verfahren

Ist Veränderung konservierbar? Kann man den Wandel wiederholen, obwohl die dahinterstehende Entwicklung bereits Geschichte ist und damit genau das Moment fehlt, das die Erneuerung ausgemacht hat: dass progressive Kräfte etwas bisher nicht Dagewesenes erschaffen? An der Auflösung dieses Paradoxons scheitert gerade das Tanztheater Wuppertal. Adolphe Binder - 49, eine versierte Kulturmanagerin - hatte dort als Intendantin das Erbe der großen Pina Bausch angetreten. Vergangenen Freitag nun entschied der Beirat des Tanztheaters, Binder fristlos zu entlassen. Warum?

Die Kündigung ist das Ergebnis eines wohl nachhaltig verfahrenen und zerrissenen Verhältnisses zwischen der Geschäftsführung und der Intendanz. Demonstrativ stellte sich der Beirat hinter den Geschäftsführer Dirk Hesse. Dessen Vorwürfe waren massiv: Binder habe ihre Aufgaben als Intendantin nicht erfüllt, einen fehlerhaften Spielplan erstellt und Stücke aufgenommen, die nicht adäquat hätten besetzt werden können. Binder ihrerseits wies die Anschuldigungen zurück, auch Tänzer der Kompanie distanzierten sich von der Kritik. In einem offenen Brief schrieb die Ex-Intendantin, der Beirat setze mit seiner Entscheidung ein fatales Zeichen: "Nicht die Kunst, also die Tänzer*innen und die künstlerische Leitung und Intendanz sollen den erfolgreich begonnenen Weg fortsetzen, sondern die kaufmännische Geschäftsführung bestimmt die künstlerische Zukunft des Tanztheaters."

Was bleibt, ist die Frage, wie Fortschritt formuliert werden kann, wo Altes bewahrt werden soll. Glaubt man Adolphe Binders Interpretation der Pläne der Geschäftsführung, dann sollen Bauschs ikonografische Aufführungen fortan nicht künstlerisch weitergedacht, sondern vor allem kaufmännisch verwaltet werden, als eine Art ewiges Vermächtnis ihrer selbst. Momentan funktioniert eine solche Reproduktion des Bewährten bestens, sie bringt bei Gastspielen verlässlich Geld ein und sichert auch zu Hause hohe Zuschauerzahlen. Ein solches Andenken an Pina Bausch allerdings würde ihr Werk auf längere Sicht aushöhlen. Eine grundstürzende Prägung der Theatergeschichte, wie Pina Bausch sie mit ihrem Begriff von Tanz gelungen ist, wird in einem festgezurrten Repertoiremodell kaum weiterleben - und sei dieses auch noch so erfolgreich. Vielleicht muss man sich auch einfach eingestehen, dass hier etwas an sein Ende gelangt ist.

Es gilt, Neues zu finden. Genau dafür war Binder eingestellt worden. Die Situation erinnert an andere ästhetisch-institutionelle Erbstreitigkeiten, an Frank Castorfs Abschied von der Volksbühne zum Beispiel. Noch lässt der Phönix aus der Asche auf sich warten. In Berlin wie in .

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