Von Jan Söfjer
Bärbel Schwertfeger hat nie unterschrieben. Auch dann nicht, als alle Seiten sie bedrängten und sie ihre Existenz als freie Journalistin schwinden sah. Als sie dachte, sie müsse ihren Job aufgeben. Ein paar Jahre dauerte diese Zeit, aber sie hat durchgehalten und nie Geschäftsbedingungen unterzeichnet, mit denen sie sämtliche Rechte an ihren Texten verloren hätte. Heute sagt die 55-jährige Münchnerin: "Ich dachte, es kann doch nicht sein, dass mich die Verlage enteignen wollen. Ich habe mir jahrzehntelang einen Namen aufgebaut, und den verschenke ich nicht."
Schwertfeger hat durch die Auseinandersetzungen ein dickeres Fell bekommen. "Weil ich bekannt bin und für viele Verlage schreibe, verhungere ich nicht, wenn mal ein Auftraggeber wegbricht. Aber ein junger Journalist kann sich das nicht leisten", sagt sie. Bärbel Schwertfeger hat sich auf Themen wie Weiterbildung und Personalmanagement spezialisiert. Die Liste der Zeitungen und Zeitschriften, für die die freie Journalistin und Chefredakteurin der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aktuell schreibt oder geschrieben hat, ist lang: Süddeutsche Zeitung, Zeit, Handelsblatt, Financial Times Deutschland, Wirtschaftswoche, Welt. Doch immer wenn ein Verlag mit hanebüchenen Geschäftsbedingungen kam, hat sie es vorgezogen, für ein Blatt gar nicht mehr zu schreiben, anstatt auf ihre Rechte zu verzichten. Was Bärbel Schwertfeger passiert ist, ist keine Ausnahme, sondern beispielhaft für das immer aggressivere Gebaren der Verlage.
2007 engagierte die Süddeutsche Zeitung Schwertfeger als Autorin für eine Beilage zum Thema MBA & Postgraduate. Zuerst wurde ihr gar kein Autorenvertrag zugeschickt. Als er dann kam, gefiel der Journalistin nicht, was sie sah. Der zuständige Redakteur habe gesagt, dass sie nur noch für eine Ausgabe schreiben dürfe, wenn sie nicht unterzeichne. "Ich rief den Ressortchef an, doch der hat gar nicht mit sich reden lassen. 'Schade für Sie', sagte er bloß."
"Nach ein paar Minuten war das Gespräch zu Ende"
Auch beim Handelsblatt knallte es vor knapp zehn Jahren, weil Schwertfeger Buy-out-Verträge nicht unterschreiben wollte. Doch die Redakteure und Bernd Ziesemer, der damals mit Thomas Knipp zusammen Chefredakteur war, schätzten die Autorin. Schwertfeger wurde schließlich zum Verlagssitz nach Düsseldorf eingeflogen. Um eine Lösung zu finden, wie Schwertfeger dachte. Doch Knipp (Ziesemer war nicht dabei) begrüßte sie gleich mit der Frage, was sie eigentlich noch wolle? Sie bekomme doch ohnehin mehr Honorar als andere Autoren. Schwertfeger erinnert sich: "Nach ein paar Minuten war das Gespräch zu Ende, und ich durfte nicht mehr für das Handelsblatt schreiben."
Manchmal setzte sich Schwertfeger auch durch. Nach der Jahrtausendwende schrieb sie für das Magazin E-Market (Süddeutscher Verlag) und entdeckte eines Tages Dutzende ihrer Artikel im DIZ, einer Artikelverkaufsplattform des Verlags. Schwertfeger hatte aber schriftlich vereinbart, dass ihre Texte nur im Blatt und auf der Website genutzt und keinesfalls verkauft werden dürften. Sie schaltete einen Anwalt ein, bekam Recht und 10.000 Euro an nachträglichen Honoraren.
Der Gerichtsweg scheint meist der einzige zu sein, auf dem Verlage einzulenken bereit sind. Rund ein Dutzend Verfahren führen der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di unter Führung des DJV derzeit. Die Verlage kassieren dabei eine Niederlage nach der anderen, geben aber oftmals nicht auf, sondern ziehen vor die nächsthöhere Instanz. Würde Realität, was Verleger durchsetzen wollen, wäre das das Ende des Urheberrechts, wie wir es hierzulande kennen.
Die Gruner+Jahr Wirtschaftsmedien, wo unter anderem Capital erscheint, wollten ihren Autoren etwa alle Nutzungsrechte mit einem Pauschalhonorar abkaufen, auch Buy-out genannt. Das Landgericht Hamburg untersagte das vor zwei Monaten. Der Südkurier wollte Texte und Fotos seiner Autoren ohne Absprache mit den Urhebern an andere Titel des Holtzbrinck-Verlags ( Zeit, Tagesspiegel, Handelsblatt) weitergeben und die Rechte an Dritte übertragen können. Die Vergütung dafür wurde nicht klar geregelt. Unrechtmäßig, urteilten das Landgericht Mannheim (November 2010) in erster und das Oberlandesgericht Karlsruhe in zweiter Instanz (März 2011).
Der Nordkurier möchte nicht nur das "ausschließliche, zeitlich und räumlich unbeschränkte Nutzungsrecht", sondern auch, dass seine freien Mitarbeiter ihre Rechte "nicht in einer Weise geltend machen, die einen Konflikt mit den der Gesellschaft überlassenen Befugnissen und den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft herbeiführen kann". Nicht rechtmäßig, urteilte das Landgericht Rostock im Mai. Der Bauer-Verlag wiederum wollte seinen Fotografen alle Bildrechte mit einer Einmalzahlung abknöpfen und sich die Freiheit nehmen, die Bilder für Werbung zu nutzen sowie im Normalfall keine Reisekosten zu zahlen. Besonders einfallsreich ist der AGB-Passus: "Das Renommee (des Verlags) kommt dabei auch dem Urheber zugute und wurde bei der Festlegung der Vergütung angemessen berücksichtigt." So nicht, sagte das Oberlandesgericht Hamburg im Juni in einem rechtskräftigen Urteil. Neben dem Axel Springer Verlag, dessen AGB demnächst vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden, der Braunschweiger Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, den Ruhrnachrichten und weiteren Verlagen wollte selbst der Zeit-Verlag sämtliche Nutzungsrechte für ein Jahr an sich reißen.
Brauchen Verlage mehr Rechte als früher?
Dirk Platte ist der Justiziar des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ). Er versucht, die Sicht der Verlage zu erklären: "Um heute publizistisch erfolgreich zu bleiben, sind die Verlagstitel darauf angewiesen, ihre Inhalte nicht nur in Print, sondern auch auf verschiedenen und neuen digitalen Vertriebswegen zu publizieren." Dazu bräuchten Verlage mehr Rechte als früher. Und sie bräuchten diese Rechte, um mangels eines Leistungsschutzrechts Prozesse gegen Urheberrechtsverletzungen führen zu können. Vor den Gerichten werde derzeit also nicht darüber verhandelt, "ob strittige Geschäftsbedingungen zulässig sind, sondern allein über den konkret formulierten Umfang der AGB einzelner Verlage", so Platte.
Genau dort liegen die Probleme. Denn das Gesetz ist in der Tat eindeutig. Schreibt ein Autor einen Beitrag, so ist und bleibt er Urheber dieses Werks. Mit allen Rechten, die dazugehören. Will ein Verlag diesen Beitrag veröffentlichen, muss er vom Autor die Nutzungsrechte erwerben. Heute genügt Verlagen eine einfache Nutzung nicht mehr. Da sie einen Beitrag mehrfach, vielleicht sogar dauerhaft exklusiv veröffentlichen und darüber hinaus weiterverkaufen wollen, benötigen sie dafür ausschließliche und umfassende Nutzungsrechte. Der Rechteerwerber, sagt das Gesetz, muss den Urheber angemessen beteiligen. In fast allen Fällen monieren die Gerichte den Mangel an klaren Regelungen der Verlage, wenn es um die Bezahlung geht.
Die Lawine der Niederlagen, die die Verlage in den AGB-Klagen bislang erlitten haben, lässt nur einen Schluss zu: Über die Sache mit der "Angemessenheit" müssen die Verlage noch mal nachdenken. Rechtskräftig sind die Urteile bis auf die Fälle Bauer-Verlag und Ruhrnachrichten noch nicht. Heißt: Die Verlage probieren es nicht einfach mal, sondern sie meinen es ernst. Fragt man bei den einzelnen Verlagen nach, warum sie so viele zusätzliche Rechte für den oft gleichen Preis ohne weitere Vergütung haben wollen, und ob sie keine Sorge haben, die wirtschaftliche Existenz ihrer freien Autoren zu gefährden, so hört man in vielen Fällen nur Allgemeinplätze. Oder: "Keine Auskunft zu laufenden Verfahren."
Der Zeit-Verlag erklärt dem journalist, dass man die Rechte lediglich für ein Jahr haben wollte. Nachdem ein Thema also veraltet ist, darf es auch der Autor weiterverwerten. Zudem heißt es weiter, die alten, vom Gericht verbotenen Geschäftsbedingungen wären ersetzt worden, weil es "von Autoren vorgebrachte Bedenken" gab. Gleichwohl hat der Verlag Berufung gegen die einstweilige Verfügung eingelegt.
Auch der Nordkurier hat seine "missverständlichen Regelungen inzwischen zugunsten der freien Mitarbeiter verändert", verteidigt sie vor Gericht aber weiter. Dennoch "sorgen wir uns um die wirtschaftliche Basis der Autoren und um die des Verlags ohnehin", sagt Chefredakteur Michael Seidel. "Ich sehe jedoch nicht, wo professionelle freie Journalisten bislang Einbußen hätten hinnehmen müssen – im Gegenteil: Durch pauschalierte Honorare, die nicht mehr von Zeilenzahlen abhängig sind, lassen sich verlässlichere Vertragsbeziehungen gestalten als zuvor."
Der Axel Springer Verlag hat eine ganz besondere Erklärung für sein Vorgehen: Solange es kein Leistungsschutzrecht gebe, "sind die Verlage darauf angewiesen, diejenigen Nutzungsrechte von den Autoren zu erwerben, die erforderlich sind, um multimedial arbeiten zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben". Der Verlag, der im vergangenen Jahr einen Rekordgewinn einfuhr, meint also mit der Forderung nach einem gesetzlichen Leistungsschutzrecht begründen zu können, seine Autoren nicht fair beteiligen zu müssen. Ein Fehlschluss, so das Berliner Kammergericht.
Christian Donle findet dazu deutliche Worte. Der Anwalt der Sozietät Preu Bohlig & Partner führt im Auftrag des DJV und der dju die Prozesse vor Gericht. Eigentlich, sagt Donle, sei er das Gegenteil eines Gewerkschaftsanwalts, eher liberal und Freund der Industrie, die er sonst vertritt. Doch "die Rücksichtslosigkeit, mit der Verlage ihre Pläne gegen jeden Anstand und jede Vernunft durchzusetzen versuchen, ist schamlos", sagt er. "Ich habe das Gefühl, bei den Verlagen denkt niemand mit, auch nicht längerfristig. Da ist der Egoismus so groß, dass Anstand und vernünftiger Umgang aus den Augen geraten sind. Durch die Bank."
Die Geschäftsbedingungen, die Verlage durchsetzen wollen, machten eine freie journalistische Tätigkeit unmöglich. "Deswegen werden die Verträge ja auch einer nach dem anderen verboten." Nicht selten werde die Ruchlosigkeit der Verlage nur noch durch ihre Anwälte überboten, so Donle. Man kann das nachlesen. Im Urteil gegen die Gruner+Jahr Wirtschaftsmedien etwa wirft das Gericht den Verlagsanwälten Rechtsmissbräuchlichkeit vor – also einen Einwand gemacht zu haben, der nur dem Zweck diente, der anderen Partei zu schaden. "Damit ein Gericht so etwas in ein Urteil schreibt, muss viel passieren", sagt Donle.
Das G+J-Urteil hat es in jeder Hinsicht in sich. Es finden sich so schöne Sätze darin wie: "Dass von zwingendem Recht nicht abgewichen werden darf, bedarf eigentlich keiner Erwähnung." Oder zum Buy-out mit einem Pauschalhonorar: "Das Prinzip der angemessenen Vergütung hat (...) Leitbildfunktion." Und weiter: "Der durch das Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern vom 22. März 2002 eingefügte Paragraf 11 Satz 2 UrhG enthält den seit jeher im gesamten Urheberrecht geltenden Grundsatz, dass der Urheber tunlichst an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen ist, der aus seinem Werk gezogen wird, und zwar bei jeder einzelnen Nutzung des Werkes."
Wenn das Gesetz eindeutig ist, warum zahlen Verlage ihren Anwälten mehrere Hundert Euro pro Stunde, um Prozesse zu führen? Donle hat viel darüber nachgedacht. Und wenn man ihm zuhört, wird es schwer, ihm zu widersprechen. Es leuchtet ein, dass die Verlage nicht daran glauben, dass Print in den nächsten Dekaden noch ihre Hauptgeldquelle sein wird, dass sie nicht länger an ihre Papierzeitungen und -zeitschriften als große Marken glauben, zugleich aber auch skeptisch sind, ob die eigenen Digitalangebote genug Gewinne abwerfen.
Aber was ist genug? Dem Springer-Verlag scheint selbst eine Rendite von 20 Prozent nicht zu reichen, die das Hamburger Abendblatt erwirtschaftet, wie Insider schätzen. Trotzdem übernimmt das Abendblatt immer mehr Artikel von Welt und Berliner Morgenpost. Die Verlage, denkt Donle, wollen zu Handelsunternehmen mutieren, zu Agenturen, die mit Texten, Fotos und digitalen Inhalten handeln – national und global. Im Weg stehen dabei etwa Bildagenturen, die die Nutzungsrechte ihrer Fotografen vertreten. Donle ist sich nicht sicher, ob es Bildagenturen in zehn Jahren noch geben wird. "Die Verlage wollen mit Rechten handeln." Der Bauer-Verlag hat es bewiesen. Fotos sind attraktiv, weil sie nicht übersetzt werden müssen.
Doch auch Autoren sollten sich nicht sicher fühlen. Wenn Übersetzungsprogramme irgendwann so gut sind, dass Mitarbeiter nur noch drüber schauen müssen, lassen sich zum Beispiel Artikel über Außenpolitik auch international verkaufen. Es gibt ohnehin kaum einen Verlag, dem nicht auch im Ausland Titel gehören. Dass Autoren des Tagesspiegels ihre Artikel auch in den Potsdamer Neuesten Nachrichten wiederfinden oder Spiegel-Online-Autoren ihre Texte auf T-Online, ist schon heute Realität. Künftig könnte ein längeres Wirtschaftsstück in einem deutschen Magazin erscheinen, zusammengekürzt auf einer Onlineseite und in einer polnischen Tageszeitung – ob verlagsintern oder nicht. Eine Zeitung ist in Sachen Rechtevermarktung besonders weit: die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Unter nahezu jedem Text auf faz.net steht der Satz: "Hier können Sie die Rechte an diesem Artikel erwerben." Wer dem Link folgt, kommt auf eine Seite, die überschrieben ist mit: "Content für kluge Köpfe". "Sparen Sie Zeit und Geld für eigene Redaktionsarbeit", steht hier. Oder: "Erwerben Sie Nutzungsrechte rechtssicher direkt vom Verlag." Die Preistabelle befindet sich gleich darunter. Die Autoren bekommen von diesen Erlösen nichts. Der DJV überprüft auch diese AGB. Ein Autor sagt dem journalist: "Mir hat die FAZ schon mehrfach Verträge zugeschickt, in denen ich für wenig Honorar meine Nutzungsrechte abgebe. Ich ignoriere das immer."
Bisher ging es gut. Bärbel Schwertfeger hat schon vor mehr als zehn Jahren erlebt, wie ein Artikel, den sie an die Welt verkauft hatte, gekürzt auch in der Berliner Morgenpost stand. Lange vor dem Zusammengehen beider Redaktionen. Geld sah Schwertfeger dafür nicht. Der zuständige Welt-Ressortleiter schrieb ihr damals: "Sie können die Bedingungen unseres Hauses akzeptieren oder nicht, aber von 'Artikel-Klau' sollten Sie da dann nicht reden." Dass nicht mal ein Kürzel der Autorin genannt wurde, erklärte er damit, dass die zuständige Redakteurin nach Kürzen und Umschreiben wohl dachte, dass "der Autor nicht mehr unbedingt mit seinem Namen für diesen Text stehen möchte".
Eines steht dem ungehemmten Content-Handel immer im Weg: das deutsche beziehungsweise kontinentaleuropäische Urheberrechtsgesetz. Donle sagt: "Dieser Konflikt ist elementar. Das ganze System steht auf der Kippe. Es reicht nicht aus, nette Briefe zu schreiben. Wenn jetzt juristisch nicht die Pflöcke eingeschlagen werden, ist es zu spät." Doch das Gesetz schützt sich nicht alleine.
Einer, der im Hintergrund den Überblick über alle Verfahren hat, ist Benno Pöppelmann – der Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbands. Der DJV hat seinen Hauptsitz im Haus der Bundespressekonferenz im Berliner Regierungsviertel. Das Gebäude hat ein bisschen was von einem Kaninchenbau, in dem man sich schnell verläuft. Vor allem, wenn spät abends niemand mehr da ist. Doch Benno Pöppelmann sitzt noch in seinem kleinen Büro mit Wandschränken voller Akten. Der Justiziar, mittelgroß, unauffällige Brille, lehnt sich hinter seinem großen, aber schlichten Schreibtisch zurück. Jeans, Hemd, braune Turnschuhe, Sportjacke. Er wirkt unprätentiös. Doch wenn er droht, nehmen das die Verlage ernst.
Manchmal geht es auch ohne Klage. Als der DJV im Sommer von den AGB erfuhr, die Spiegel Online seinen Autoren vorlegt, machte er die Hamburger auf die Mängel in den Geschäftsbedingungen aufmerksam. Seitdem verhandeln Verlag und Gewerkschaften hinter den Kulissen über eine gütliche Regelung. Über neue Vertragsklauseln, die es dem Verlag ermöglichen, sein Geschäft zu betreiben – ohne dass die Autoren dafür die Zeche zahlen. Beide Seiten hoffen, bald eine Einigung zu erzielen. Es wäre der erste Fall, der am Ende nicht vor Gericht landet.
Die Tage ist Pöppelmann 57 Jahre alt geworden. 23 davon arbeitete er beim Deutschen Journalisten-Verband. Zuerst war er Geschäftsführer des Landesverbands Schleswig-Holstein, dann beriet er die Verbände in den neuen Bundesländern, seit 1992 ist er Justiziar des Bundesverbands. Könnte er sich vorstellen, auf der anderen Seite zu stehen, für die Verlage zu streiten, wenn er damals nicht beim DJV angefangen hätte? "Nee", sagt er und hat ein bisschen diesen schnoddrigen Peer-Steinbrück-Tonfall. "Es war mir nie egal, für wen ich arbeite." Bevor er zum DJV kam, war er in einer Kieler Kanzlei tätig, die ausschließlich Arbeitnehmerinteressen vertrat. "Ich habe nur sehr begrenzt Verständnis für die Linie der Verlage", sagt Pöppelmann. "Ich verstehe ja, dass ein Verlag das, was er einkauft, umfassend nutzen will. Aber es kann nicht sein, dass Verlage für einen inakzeptablen Preis ein Riesenpaket an Rechten haben wollen. Diese Verlage blenden die Interessen der Autoren aus, die von ihrer Arbeit leben wollen."
Eines will nicht in Pöppelmanns Kopf: Warum wehren sich nur so wenige freie Journalisten? Warum akzeptieren so viele miese Honorare und Knebel-Verträge? Er war lange im Online-Journalistennetzwerk jonet unterwegs und erlebte unzählige Diskussionen, in denen sich Autoren über schlechte Konditionen beschwerten, am Ende aber den Auftrag doch annahmen. "Fotografen lassen sich viel weniger gefallen", sagt der Justiziar. "Zu Beginn des Springer-Verfahrens 2007 haben wir Fotografen und Autoren aufgerufen, den neuen Verträgen zu widersprechen. Mehrere Hundert Fotografen haben sich gemeldet, aber nur wenige Autoren." Von den Ruhrnachrichten hörte er einmal: "Keiner unserer Autoren hat sich bisher beschwert." Bei den Ruhrnachrichten erfuhr der DJV sogar erst ein paar Jahre später von den Geschäftsbedingungen. "Wir können nur gegen AGB klagen, von denen wir wissen", sagt Benno Pöppelmann.
Eine junge Journalistin schrieb dem journalist: "Ich habe mal so einen Buy-out-Vertrag für die Süddeutsche Zeitung unterschrieben. Es ist mir nicht leicht gefallen, weil ich dachte, ich habe sonst keine Chance bei der Zeitung. In späteren Verträgen habe ich das, was mir nicht passte, gestrichen, und damit auch nie schlechte Erfahrungen gemacht." Damals hatte sie sich das noch nicht getraut.
Doch mit Durchstreichen ist es nicht mehr getan, wenn die Verlage sich durchsetzen. "Wenn sie machen könnten, wie sie wollten, bekämen wir ein Urheberrecht wie in England. Dort ist es der Normalfall, mit Vertragsschluss alle Rechte abzugeben", sagt Pöppelmann. Dabei wurde in England das erste moderne Urheberschutzgesetz überhaupt formuliert. 1710 trat es in Kraft, die Statute of Anne, benannt nach der Queen. Doch auch damals schon entpuppten sich "immer mehr kapitalistische Drucker und Verleger" als Kontrahenten des Autors, schreibt der Kulturwissenschaftler Hannes Siegrist in dem Sammelband Wissen und Eigentum – Geschichte, Recht und Ökonomie stoffloser Güter. Deswegen führten bereits damals Autoren für ihre Eigentumsrechte Musterprozesse gegen Verleger und Drucker.
Die juristischen Kämpfe haben eine lange Tradition und sind doch jetzt so entscheidend wie seit mehr als 200 Jahren nicht mehr. Nicht jedem Journalisten ist das allerdings klar. Bärbel Schwertfeger war im September 2009 bei der Tagung einer spanischen Business-School in München. Es ging unter anderem um Google. Zwei Redakteure der Süddeutschen Zeitung waren auch da. Als das Gespräch darauf kam, wie der Suchmaschinenanbieter mit fremden Inhalten Geld verdient, berichtete Schwertfeger, dass selbst die SZ sich an den Inhalten ihrer Autoren derart bereichere, dass es einer Enteignung gleichkomme. Die Redakteure waren entsetzt. Nicht über die Umstände, sondern weil sie die Schilderung schlicht nicht glaubten.