Fahrradhelme schützen in jedem Fall, aber viele gelten als gut, obwohl sie mit veralteten und unzureichenden Tests geprüft sind. Drei Jahre lang haben Klaus Bauer und Wolfram Hell von der Universität München geforscht, um herauszufinden, wie gut Fahrradhelm wirklich schützen. Bisherige Helmtests prüfen die Wirksamkeit zwar nach standardisierten Verfahren, aber es war bislang nicht sicher, ob diese auch das wirkliche Unfallgeschehen abbilden und somit ausreichend testen. Bauers und Hells Ergebnisse zeigen, dass sie das nicht tun – ihr Forschungsergebnis ist ernüchternd, erstaunlich, aber auch hilfreich. Hell und Bauer arbeiten am Institut der Rechtsmedizin, wo sie für Fahrradunfallopfer untersucht haben. Wolfram Hell ist überzeugt davon, dass es wesentlich weniger Tote gegeben hätte, wenn alle Unfallopfer einen Helm getragen hätten: "Selbst ein schlechter Helm ist besser als keiner und kann vor tödlichen Verletzungen schützen."
Stirn und Schläfe bei Fahrradunfällen häufig betroffen
Bauer und Hell haben auch festgestellt, dass es vor allem zwei typische Verletzungsmuster auftreten: Fast immer wird die Schläfe oder die Stirn des Fahrradfahrers getroffen, etwa durch den Aufprall auf Windschutzschieben oder Bordsteinkanten. Aber die bisherigen Helmtests prüfen dies gar nicht. "Beim Normtest der EU wird ein Helm so auf eine Fläche fallen gelassen, dass nur der obere Kopfbereich erfasst wird – tiefere Schläfen- und Stirnbereiche, sind überhaupt nicht erfasst", sagt Wolfram Hell. "So wird überhaupt nicht getestet, ob das Gehirn in diesen Bereich geschützt wird." Für ihn und Klaus Bauer steht fest: Die meisten Helme müssten im Schläfen- und Stirnbereich tiefer heruntergezogen werden: "Ein Helm ist schon ein guter Schutz, kann so aber noch viel besser gemacht werden."
Auffangen der Rotation durch einen Helm
Der Biomechaniker Rémy Willinger von der Universität in Straßburg geht noch weiter. Er hat unter anderem die Daten von Wolfram Hell untersucht und noch weitere Mängel der bisherigen Tests und somit auch der damit getesteten Helme festgestellt. Bislang wird der Helm bei den Tests nur linear, als in einer einzigen Richtung beschleunigt, indem der Helm auf eine ebene Fläche mit 19,6 Stundenkilometern aufschlägt. Wenn dann ein Helm verhindert, dass der Schädelknochen bricht, gilt er als gut. Bei einem realen Aufprall aber, geraten Helm und Kopf zusätzlich in eine Schleuderbewegung, also eine Rotation. Diese wirkt sich viel stärker auf Nervenfasern im Gehirn aus, als eine rein lineare Beschleunigung. Durch Rotationskräfte, so Willinger, werden Nervenfasern stärker gedehnt. Er und sein Team haben festgestellt, dass eine Dehnung der Fasern von über 15 Prozent ihrer Länge zu schweren Gehirnschäden führen. Daher haben die Straßburger Forscher das Testverfahren abgeändert. Sie beschleunigen den Helm auf 23 Stundenkilometer und lassen ihn auf eine Schräge aufprallen, sodass Helm und Prüfkopf in Rotation geraten. Zudem sind im Prüfkopf jetzt sechs Beschleunigungssensoren – drei für lineare Kräfte, drei für Rotationskräfte – installiert. Die mit ihnen gemessenen Werte rechnet Willinger so um, dass er feststellen kann, ob sie die Nervenfasern um 15 Prozent dehnen würden oder ob der Helm nicht nur vor Knochenbruch, sondern auch vor Nervenschäden schützt. "Die bisherigen Tests decken 10 Prozent der Kopfverletzungsmuster ab, mit unserem Verfahren schaffen wir 87 Prozent", sagt Willinger. Er und seine Kollegen testen dabei auch, wie von Hell und Bauer gefordert, wie gut ein Helm den tieferen Stirn- und Schläfenbereich schützt.
Stirnband für Helmmuffel
Weil am Kopf die meisten Verletzungen passieren, zugleich aber über 80 Prozent der Deutschen nicht bereit sind einen Helm zu tragen, hat Willingers Team ein Stirnband entwickelt. Es besteht aus gut dämpfendem Kunststoff und schützt gerade den Stirn- und Schläfenbereich, ist aber bequemer zu tragen. "Besser als nichts", so Willinger, der aber Helme, die seinen Test gut überstanden haben, dennoch favorisiert. Noch ist das neue Test-Verfahren nicht als Prüfnorm übernommen und wird daher auch nur von der Stiftung Warentest, nicht aber vom ADAC, vom TÜV sowie den Prüfzeichen CE und GS übernommen.
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