Patrick Esume über den Super Bowl
Patrick Esume, 46, ist seit Jahren eines der bekanntesten Gesichter des American Footballs in Deutschland. Er war Spieler, Trainer und ist seit 2015 als NFL-Experte im Fernsehen aktiv. In der Nacht von Sonntag auf Montag moderiert er das Finale der nordamerikanischen Football-Liga, den Super Bowl. Zudem arbeitet er am Aufbau einer neuen europäischen Liga.
Herr Esume, am Sonntag werden Ihnen wieder über zwei Millionen Menschen in Deutschland bei der Moderation des Super Bowls zusehen - und das trotz eines Anpfiffs weit nach Mitternacht. Wie ist dieser Hype entstanden?
Die große Erfolgs-Story von Football in Deutschland begann vor sechs Jahren, als Sat1 anfing, eine ganze Saison der NFL im Free-TV zu zeigen. Was danach passiert ist, ist unbeschreiblich und hat unsere Erwartung definitiv übertroffen. Es war wohl eine Kombination aus der Fernsehtauglichkeit der Sportart und dem frischen Übertragungskonzept von „Ran NFL“, das den Nerv der Zeit getroffen hat.
Was macht Ran NFL anders?
Die Sportberichterstattung im linearen Fernsehen wird häufig nicht mehr den Ansprüchen der Konsumenten gerecht. Ran NFL hat ein Konzept ausprobiert, was viel stärker darauf ausgelegt ist, die Fans in die Sendung mit einzubeziehen - und das hat offensichtlich funktioniert. Wir profitieren aber natürlich auch davon, dass die NFL so spektakuläre Bilder liefert. Die Amerikaner verstehen es wirklich, einen Sport für das Fernsehen zu inszenieren.
Das klingt, als würde die Popularität von American Football hauptsächlich von der Show leben.
Nein, überhaupt nicht. Am Ende ist es einfach eine aufregende und abwechslungsreiche Sportart, bei der für jeden Zuschauer etwas dabei ist. Du hast auf der einen Seite die unglaublich hohe Komplexität der Spielzüge und auf der anderen die großen Kollisionen und den physischen Kampf um jeden Ball. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Diversität der Spieler wider. Die geht vom 150 Kilogramm schweren Riesen über den spielintelligenten Quarterback bis zum wendigen kleinen Sprinter. Die Summe dieser unterschiedlichen Faszination sorgt dafür, dass sich Montag morgens um 03:00 Uhr über zwei Millionen Menschen in Deutschland die Nacht um die Ohren schlagen.
Diese Begeisterung beschränkt sich bisher weitestgehend auf die NFL-Übertragung. Zu Spielen der German Football League kommen selten mehr als 2.000 Zuschauer. Woran liegt das?
Zu der German Football League kann ich nicht viel sagen. Fakt ist, dass das Potenzial dieser Sportart hier in Deutschland bei weitem noch nicht ausgeschöpft wird.
Das versuchen Sie jetzt mit der geplanten European League of Football (ELF) zu ändern
Genau. Wir haben gesehen, dass das generelle Interesse an dieser Sportart enorm ist. Um davon hier in Europa zu profitieren, muss der Football medial ähnlich präsentiert werden, wie die NFL. Dafür müssen die Mannschaften in größeren Stadien spielen, die Profis besser vermarktet werden und die Spiele im Free-TV stattfinden.
Das hört sich ziemlich ambitioniert an.
Ja klar, aber die Umsetzung ist durchaus realistisch. Wir sind alle heiß darauf, dass es im Juni endlich los geht. In der ersten Saison sind neben sechs deutschen Teams auch Barcelona und Breslau vertreten. Mittelfristig planen wir dann mit einer Aufstockung auf 20 Mannschaften aus bis zu zehn europäischen Ländern. Momentan führen wir zum Beispiel vielversprechende Gespräche mit einem Team aus London.
Wieso ist die Liga auf Europa ausgelegt?
Durch die Globalisierung wird die Welt immer kleiner. In Europa rutschen wir weiter zusammen, weil die nationalen Grenzen in den Köpfen verblassen. Für viele macht es keinen großen Unterschied mehr, ob sie für ein Wochenende nach München, Wien oder Paris verreisen. Es wäre also viel zu kleingeistig, innerhalb der deutschen Grenzen zu denken und so nur einen kleinen Teil des europäischen Marktes anzusprechen. Außerdem ist die Anzahl an hochklassigen Mannschaften in Deutschland endlich. Mit den Top-Teams aus ganz Europa wird die Sache schon interessanter.
Eine ähnliche Liga gab es schon mal mit der NFL Europe, die 2007 wegen mangelnden Interesses eingestellt wurde. Was wird die ELF davon unterscheiden?
Wir haben eine grundlegend andere Herangehensweise. Die NFL Europe war eine voll-professionelle amerikanische Liga, die zwar auf europäischem Boden stattfand, aber in New York organisiert wurde. Die Teams bestanden zum größten Teil aus Amerikanern, die die etwas schwächere Liga als Sprungbrett für die NFL genutzt haben. Ich war ja selbst lange Trainer da und habe gemerkt, dass die emotionale Verbindung der Fans zu den Spielern fehlt. Unsere Mannschaften werden dagegen zum größten Teil aus Europäern bestehen. Die Anzahl von US-Amerikanern pro Team ist sogar reglementiert.
Sie glauben, dass Menschen eine schwächere Liga anschauen werden, nur weil die Spieler aus Europa kommen?
Man darf das Phänomen der „Local Heroes“ nicht unterschätzen. Wenn die Helden der Liga deinen kulturellen Hintergrund teilen, deine Sprache sprechen und womöglich sogar aus deiner Gegend kommen, fühlst du dich mit ihnen viel stärker verbunden. Boris Becker, Steffi Graf oder Michael Schumacher sind da die besten Beispiele.
Viele junge Sportfans folgen internationalen Stars in den Sozialen Medien und fühlen sich ihnen so viel stärker verbunden, als das früher möglich gewesen wäre. Der Bezug zu den nationalen Sportlern und Vereinen sinkt dadurch etwas.
Da ist was dran. Wie gesagt, die Welt wird immer kleiner. Nichtsdestotrotz: Wenn Dirk Nowitzki in den NBA-Finals steht, schauen sich das die Menschen in Deutschland an. Da kann kein Lebron James oder Kyrie Irving mithalten. Nowitzki ist im wahrsten Sinne des Wortes einer von uns - egal wie cool sich die US-Stars auf Instagram inszenieren. Außerdem ist auch nicht jeder unserer Zuschauer auf Instagram.
Aber der Großteil schon, oder?
Natürlich ist unsere Hauptzielgruppe jünger als die der Fußball-Bundesliga. Das hat ja alleine was allein schon damit zu tun, wie traditionell Sportarten in der Gesellschaft verankert sind. Aber manchmal wundere ich mich selbst, wie divers unsere Zuschauerschaft ist.
Ach ja?
Neulich wurde ich an einem Montag im Supermarkt von einer Dame jenseits der 60 für die gestrige Sendung gelobt. Ich war total perplex, als sie mir stolz erzählte, dass sie sogar noch für das zweite Spiel wachgeblieben sei, während ihr Ehemann schon eingeschlafen war. Aber das zeigt wie vielfältig die NFL-Fans sind - im Übrigen nicht nur in der Alters- sondern auch in der Sozialstruktur. Das Spektrum geht weit über die prototypische Studenten-WG hinaus.
Wird diese Zuschauerschaft auch die European League of Football gucken?
Ich glaube, wir werden ein paar neue Zuschauer generieren, die zwar generell Spaß am Football hätten, sich aber nicht richtig mit den amerikanischen Teams und Spielern identifizieren können. Da kommt wieder das Phänomen des „Lokal Heroes“ zum Tragen. Wenn Sportler, die aus der eigenen Stadt kommen und einem womöglich schon mal über den Weg gelaufen sind, auf der großen Bühne stattfinden, guckt man sich das vielleicht auch mal an - selbst wenn man mit der Sportart bis jetzt nicht so viel am Hut hatte. Aber natürlich werden wir auch viele Zuschauer haben, die Football schon über unsere NFL-Übertragungen schätzen und lieben gelernt haben.
Wie sieht es mit den restlichen Europäern aus?
Klar, Deutschland hat eine gewisse Vorreiterrolle in Europa, was die Begeisterung für Football betrifft, aber es gibt auch noch andere Hochburgen. In und um Paris ist zum Beispiel großes Potenzial und über London brauche ich gar nicht erst anfangen - wenn NFL-Spiele im Wembley stattfinden, sind die innerhalb von Stunden ausverkauft.
Mit Barcelona und Breslau sind in der ersten Saison nur zwei internationale Teams dabei.
Aber die bringen schon mal ganz schön viel Enthusiasmus mit. Breslau ist zum Beispiel das Top Team in Polen. Die haben ein erstklassiges Stadion, professionelle Strukturen und finden sogar im Fernsehen statt. Da sie aber fast jedes Jahr die Meisterschaft gewinnen und national keinen ernstzunehmenden Gegner haben, stoßen sie seit einigen Jahren an ihre Wachstumsgrenzen. Wenn jedes Spiel mit 60:0 gewonnen wird, bleiben irgendwann natürlich auch die Zuschauer weg. Bei Duellen gegen Berlin, Frankfurt oder Barcelona wird das Interesse also enorm sein.
Weil die ELF ein gewerbliches Unternehmen ist, besteht die Liga nicht aus Vereinen, sondern aus ausgegliederten und neu-gegründeten Lizenzteilnehmern. Das ist unüblich für europäischen Sport.
Aber meiner Meinung nach notwendig. So kannst du ähnlich wie bei der NFL alle Franchises unter einem Dach zusammenführen, einheitlich vermarkten und Ligasponsoren gewinnen. Man kann bei Business-Strukturen einfach ganz andere Verbindlichkeiten mit seinen Partnern eingehen als bei Vereins- und Verbandsstrukturen. Vor allem aber kann man die Liga als Marke etablieren. Das ist eine Herausforderung, die der Football in Europa immer hatte.
Mit anderen Worten, man kann besser Geld verdienen?
Ja, aber natürlich. Uns wird häufig vorgeworfen, wir würden die European League of Football als Geldmaschine nutzen und nicht aus Liebe zum Sport veranstalten. Aber das hängt doch miteinander zusammen. Es ist nur fair, den Franchises die Möglichkeit zu geben, Geld mit ihrem Sport zu verdienen. Wir können doch nicht erwarten, dass Teams abhängig von noblen Spendern sind, die das Loch zwischen Ausgaben und Einkünften schließen. Dieser Sport ist medial so erfolgreich und hat es auch in Europa verdient, auf einer der Popularität entsprechenden Bühne stattzufinden. Wenn das klappt, haben wir volle Stadien und Millionen Zuschauer vor dem Fernseher - und das nicht nur wenn der Super Bowl läuft.
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