Die Mülldeponie in Torba steht in Flammen. Seit drei Tagen und Nächten ziehen gewaltige giftige Gaswolken über Bodrum hinweg. Wer sich direkt in Bodrum in der Marina aufhält, in Umurca oder in Torba, stellt nach drei Minuten bereits fest, dass die Lungen brennen. Die Haut reagiert gereizt. Der penetrante Geruch von Feuer und Giftgasen hängen in den Haaren und auf den Klamotten wie eine zweite gefährliche unsichtbare Haut fest. Seit drei Tagen untersage ich meinen Gastkindern Lima (11), Talia (9) und Yahia (8) das Spielen draussen. Bei Außentemperaturen von 39 Grad ist der Gestank der Gift-Gase nicht zu ertragen und vor allem: Wie gefährlich ist er für uns Menschen?
Schweigen in BodrumAuf Bodrums Beledeiyesi-Seite kein einziges Wort zu diesem Brand. Keine Erklärung, wie der Brand entstand. Kein Hinweis, wie sich die Bevölkerung am besten vor den giftigen Gaswolken schützen kann. Was ist bei plötzlich auftretenden Kopfschmerzen und Übelkeit zu tun? Nur eins ist verbrieft: Es ist der fünfte Grossbrand in diesem Sommer!
Dafür zeigte sich Bodrums Bürgermeister Mehmet Kocadon am 31. Juli in Torba in unmittelbarer Nähe der brennenden Mülldeponie ohne Atemmaske und Schutzkleidung. Wie immer macht er eine gute Figur (siehe Fotos). Will er ungeschützt so demonstrieren, dass die stinkenden Gase für Mensch und Tier nicht gefährlich sind?
"Vahşi depolamanın sebep olduğu yangını yine hep beraber yaşıyoruz. Yıllardır düzenli katı atık tesisi için uğraşıyoruz. Büyükşehir ile beraber baya yol aldık. Katı atık projesi ile ilgili kafasında soru işareti olanlar bu yangınların çevreye ve ormana vermiş olduğu zararı görsünler. Umuyorum en kısa sürede düzenli katı atık depolama sistemine geçer ve bu tur tehlikeli durumlar ile bir daha karşı karşıya kalmayız."
Sinngemäss sagt der regierende Bürgermeister: "Das Feuer wurde durch die Müllhalde verursacht. Seit Jahren sind wir bestrebt, eine feste Entsorgungseinrichtung einzurichten. Wir nehmen die Lage ernst. Feste Abfälle lösen Fragezeichen in unseren Köpfen aus. Wir sehen die Schäden an der Umwelt und in unseren Wäldern, die Brände auslösen. Ich hoffe, dass wir das neue Deponie-System so schnell wie möglich umsetzen können, um nicht länger mit solchen gefährlichen Zuständen konfrontiert zu werden."
Verzeihung, Herr Bürgermeister. Wieso dauert es Jahre? Wer hat den Auftrag hierfür? Wo soll die neue Müll-Deponie entstehen? Soll der Müll zukünftig getrennt und recycelt werden? Wo und wie erfahren wir mehr zu diesem Projekt?
Erst im Frühling demonstrierten Journalisten vor den Anlagen in Torba und Dereköy um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Anstatt zu reagieren wurden die Kollegen quasi verscheucht. Getreu dem Motto: Bloss nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen. Nun bläst uns der Elefant mit seinem gigantischen Rüssel seine giftigen Chemikalien seit zwei Tagen und Nächten direkt ins Gesicht. Das reiche "St. Tropez der Türkei" erstickt in seinem eigenen Müll voller hochgiftiger und explosiver Gase.
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Ob gigantische Berge von Plastikmüll, Ölkanister, Autobatterien, Farbeimer, Farb-Spraydosen, Reste von Lebensmitteln, Bauschutt - auf den Müllhalden von Dereköy und Torba landet alles - unsortiert und ungefiltert! Von den wilden Mülldeponien inmitten Natur in allen Gemeinden Bodrums will ich erst gar nicht anfangen. Ebenso wenig, wie skrupellos Einheimische, europäische und türkische Touristen ihren Müll einfach am Strand liegen lassen oder so gar im Meer entsorgen.
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Da dürfen wir fast glücklich sein, dass der Tourismus in diesem Jahr so bescheiden ausfällt. In den letzten Tagen kollabieren Menschen rund um die Uhr aufgrund der Hitze und der schlechten Luft. Rettungswagen und Sanitäter sind non stop im Einsatz.
Ja, Mutter Natur schlägt zurück. Sie entzündet den Unrat, den wir über das einst paradiesische Bodrum seit Jahren schütten. Es ist erschreckend, mit welchem Desinteresse, das Problem seit Jahrzehnten unter den Teppich gekehrt wird. Vielleicht ist es aber auch einfach nur Unfähigkeit getreu dem Motto: Was ich nicht unmittelbar sehen kann, geht mich nichts an.
Jeder EU-Bürger produziert rund 444 kg Haushaltsabfälle pro Jahr - Tendenz steigend! Wie mag das nur in Bodrum aussehen - vor allem in den Sommermonaten, wenn (Millionen von) Touristen hier Urlaub machen? Dabei könnte Bodrums Abfall eine wichtige Ressource darstellen, die darüber hinaus auch noch Arbeitsplätze schafft. Doch Recycling und Verwertung sind im feinen St. Tropéz der Türkei ganz offensichtlich gewollt unbekannte Begriffe.
Zunehmender Konsum und eine wachsende Wirtschaft produzieren nun mal große Mengen an Abfall - und um diese zu verringern und zu vermeiden, ist immer mehr Aufwand erforderlich. Während früher auch in Europa die einzige Option für Abfälle die Beseitigung war, werden sie heute zunehmend recycelt. Schlagworte wie Umwelterziehung und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, Wasserpolitik, Marine Artenvielfalt, Meere und Ozeane, Kreislaufwirtschaft zur Ausweitung des Recyclings und der Verwertung von Abfällen und zur Förderung des gebietsgebundenen Wirtschaftskreislaufs, Beschäftigung und ökologischer Wandel sind nicht einfach Gedanken, sondern wichtige Schritte in eine gemeinsame Zukunft. Das setzt Respekt vor der Natur voraus, die tatsächlich uns alle nicht nur heute sondern auch noch morgen ernähren soll.
Die EU-Fördertöpfe sind voll. Wieso nicht einfach mal eine Ausschreibung innerhalb der EU machen, um vernünftige Müll-Systeme und Wiederaufbereitungsanlagen noch in diesem Jahr in Bodrum bauen zu lassen? Was spricht dagegen, Herr Bürgermeister?
Gerüche lassen sich leider auf einem Video nicht festhalten, dafür der Qualm, den der Brand auf der Mülldeponie in Torba ausgelöst hat, der inzwischen seit elf Tagen über Bodrum festhängt. Asche fällt vom Himmel ... Guckst du hier: Bodrum erstickt in seinem Müll
Nachsatz: 2. August, 22.05 Uhr, erneut ziehen dicke Rauchschwaden über Bodrum. Erneut ist der Gestank bestialisch.
12. August 2016, 12.36 Uhr: Die Mülldeponie in Torba brennt weiterhin...
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