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Deutsches Bierpulver auf Vormarsch: Adieu, Reinheitsgebot?

Eine Klosterbrauerei aus Brandenburg will den Biermarkt mit Pulver erobern. Ihre Vorbilder: Amazon und Tesla. Ist das ein Scherz oder eine richtige Alternative?


Die mittelständische, familienbetriebene Klosterbrauerei Neuzelle braut seit mehr als 400 Jahren Bier. Das Neuzeller Kloster-Bräu gibt es in allen Varianten: normale Biere wie Pils oder Helles, aber auch exotische Produkte wie das exotische Anti-Aging-Bier oder das hauseigene Kartoffelbier. Die neuste Erfindung der brandenburgischen Brauerei: Bier in Pulverform.


Damit will die Klosterbrauerei den Biermarkt revolutionieren, denn „es sieht aus wie Bier, schmeckt wie Bier und ist Bier! Mit echter Schaumkrone und vorerst alkoholfrei", wirbt zumindest Helmut Fritsche, Gesellschafter der Klosterbrauerei Neuzelle, auf der Weltpremiere des Pulverbiers. Die Berliner Zeitung war vor Ort und hat probiert, was die Bieralternative taugt.


Bierpulver viel umweltfreundlicher?

Die Idee ist ganz simpel: Pulver rein, Wasser drauf, ein paar mal umrühren und fertig ist das Bier. Das Bierpulver soll in Zukunft, sobald es marktreif ist, in großen Fabriken hergestellt werden und an lokale Wasserabfüller geliefert werden. Die können es dann mit Wasser vermischen, in Flaschen abfüllen und lokal als Bier verkaufen. Eine umweltfreundliche Idee.

Denn das Pulver macht nur rund zehn Prozent des Flascheninhalts aus. Dadurch werden Lieferkosten und Lieferumfang deutlich reduziert. „Die Zeit ist reif, um im Angesicht des Umganges mit unserer Umwelt auch die klassische Bierherstellung und -logistik auf den Prüfstand zu stellen", sagt Fritsche der Berliner Zeitung. Die Zusammensetzung des Pulvers bleibt aber Betriebsgeheimnis.


Brauerei aus Brandenburg will wie Amazon und Tesla sein

Das Ziel sei es dann, sagt Fritsche, das Bierpulver in die ganze Welt zu exportieren. Man wolle damit den großen Biermarken Konkurrenz machen. Denn aktuell dominieren die drei Bierkonzerne Anheuser-Busch InBev aus Belgien, Heineken aus den Niederlanden und Carlsberg aus Dänemark mit einem Marktanteil von knapp 50 Prozent den Biermarkt. Bei einem gemeinsamen weltweiten Jahresumsatz von 537 Milliarden Euro jährlich machen diese in einem der umsatzstärksten Zweige in der Getränkeindustrie eine Menge Geld.

Dass ein mittelständisches Unternehmen aus Brandburg diesen Big Playern Konkurrenz machen will, klingt zunächst größenwahnsinnig. Doch Fritsche hat eine Vision, zieht als Vergleich die Unternehmen Amazon und Tesla heran: „An die hat am Anfang auch keiner geglaubt", so der Gründer zur Berliner Zeitung. Er geht noch weiter und sagt, dass die Klosterbrauer den Herstellungsprozess des Basisprodukts für das Bierpulver dahingehend weiterentwickeln wollen. Als Folge sollte der traditionelle Brauprozess komprimiert und transformiert werden und damit nicht mehr erforderlich sein. Also Adieu deutsche Braukunst und Reinheitsgebot.


Wie schmeckt das Pulverbier?

Wie sich das Unternehmen entwickeln wird, bleibt offen. Denn um die Visionen des Unternehmens umzusetzen, braucht es vor allem eines: Geld. Die kleine Brauerei ist auf Investorenjagd, um ihre großen Pläne umzusetzen. Aktuell fördert das Bundeswirtschaftsministerium von Robert Habeck (Grüne) bereits das Projekt. Doch für den Vertrieb und die Expansion ist die Klosterbrauerei Neuzelle auf Gelder von weiteren Investoren angewiesen. Außerdem braucht es noch Geld für die Forschung, denn das Produkt ist aktuell noch nicht marktreif.


Noch ist das Pulverbier der Klosterbrauerei Neuzelle alkoholfrei. Wir lassen uns auf ein Experiment ein uns eines machen. Das Pulverbier wird vor unseren Augen frisch angemischt und serviert, doch der Geschmack ist noch weiter von einem originalen Bier entfernt als die ohnehin schon weniger genussvollen alkoholfreien Alternativen. Es schmeckt nämlich äußerst wässerig. Zudem fehlt die Kohlensäure, da es noch nicht gelungen ist, CO2 beizufügen. Auch der typisch bittere Biergeschmack ist kaum vorhanden, und da sich das Pulver nicht ganz auflöst, trüben einige Bierpulverklumpen das Geschmackserlebnis. Alles in allem ist es sehr weit von dem gewohnten Biergenuss entfernt. Kurz gesagt: Das Pulverbier ist geschmacklich noch mangelhaft.


Alkoholisches Pulverbier muss noch kreiert werden

Doch Braumeister Peik Schauermann ist guter Dinge: „Mit genug Investitionen wird das Bier in ein bis zwei Jahren marktreif sein". Gegenüber der Berliner Zeitung gesteht der Schöpfer des Bierpulvers selbst auch ein, dass es aktuell noch ein paar Mängel aufweist. Zunächst wolle man sich deshalb um das Problem der Löslichkeit kümmern. Anschließend wolle man versuchen, den typisch bitteren Biergeschmack hinzuzufügen, denn dieser sei auch laut Braumeister Schauermann „noch nicht eins zu eins derselbe". Wenn das alles gelungen ist, dann werde der Geschmack des Pulverbieres mit den normal gebrauten alkoholfreien Bieren mithalten können, ist sich Schauermann sicher. Die nächste Herkulesaufgabe werde dann sein, ein alkoholisches Pulverbier zu kreieren. Der Knackpunkt dabei wäre, Alkohol in Pulverform zu bekommen, so der Braumeister zur Berliner Zeitung. Doch auch hier zeigt Schauermann sich zuversichtlich.


Ob wir im Supermarkt bald nur noch Bier kaufen, welches aus Pulver und Wasser gemischt wurde, und ob die deutsche Bierbraukunst samt des Reinheitsgebots bald der Vergangenheit angehört, bleibt abzuwarten.

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