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Tibber: Mit diesem neuen Stromanbieter lässt sich tatsächlich Geld sparen

Mit der Tibber-App lässt sich Geld sparen, wenn man gut auf die Entwicklung der Strompreise achtet.

Tibber lässt Kunden Strom stundenaktuell zu Börsenpreisen kaufen. Doch es ist nicht für jedermann geeignet, sagen Experten. Vor allem nicht in Zeiten hoher Strombörsenpreise.


Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine ist der Preis für Gas schlagartig gestiegen. Das verteuert allerdings nicht nur unsere Heizkosten, sondern auch die des Stroms. Im Dezember kostet eine Kilowattstunde in Berlin laut Verivox durchschnittlich 43,30 Cent pro kWh. Und das, obwohl am Strommarkt seit der Spitze der Preisexplosion, mit einer Verteuerung zum Jahresanfang von 608 Prozent, eine deutliche Entspannung zu sehen ist. Im Dezember liegt der Strompreis bei plus 166 Prozent gegenüber dem Preis von Januar, teilweise sogar niedriger. Eine Entspannung an der Strombörse, von der die Stromkunden allerdings nichts mitbekommen.


Dass Neu- und Bestandskunden so viel mehr als an der Börse bezahlen müssen, liegt hauptsächlich daran, dass die meisten Stromanbieter Verträge mit langen Laufzeiten zu einem Fix-Preis anbieten, der meist etwas über dem aktuellen Börsenpreis liegt. Deshalb haben zahlreiche Anbieter mit sogenannten Fixpreis-Verträgen in den vergangenen Monaten und Wochen teilweise trotz Preisgarantien nochmals ihre Preise erhöht, denn Strom am Markt ist seit Februar historisch teuer geworden und unvorhersehbar gestiegen. Die Entspannung kam erst spät im Jahr und erneut unerwartet.


Tibber: Strom zu aktuellen Börsenpreisen kaufen

Der Anbieter Tibber geht einen anderen Weg und lässt Kunden ihren Strom zu aktuellen Börsenpreisen kaufen, hier gibt es keine Fixpreis-Verträge. Das 2016 gegründete norwegische Unternehmen ist ein europäischer Stromanbieter, der in Norwegen, Schweden, Deutschland und den Niederlanden Ökostrom verkauft. Die Idee: Wenn beispielsweise tagsüber die Sonne scheint und viel Wind weht, unser Strommix also zu großen Teilen aus billigen erneuerbaren Energien wie Windkraft und Solarenergie besteht, kann der Kunde kostengünstig seine Wäsche waschen und sein E-Auto laden. Sollten allerdings die teuren fossilen Energien wie Kohle oder Gas den Strommix dominieren, dann kann der Kunde Energie und somit Geld sparen, in dem er ganz einfach den Strompreis am Markt live in der Tibber-App verfolgt.


Das Merrit-Order-Prinzip

Dass der Strom in Deutschland und Europa an unterschiedlichen Tagen und Uhrzeiten unterschiedlich teuer ist, liegt am Merit-Order-Prinzip. Denn der Strommarkt orientiert sich an den niedrigsten Kosten, die bei einem Kraftwerk für die produzierte Megawattstunde anfallen. Zuerst werden gemäß der sogenannten Merrit-Order die billigsten Kraftwerke hinzugezogen, um den Strombedarf zu decken. Anschließend werden so lange Kraftwerke mit höheren Grenzkosten hinzugezogen, bis die Nachfrage gedeckt ist.


Deswegen ist die Strombörse teils stark volatil, vor allem seit Gas sich so drastisch verteuert hat. Der Strommix variiert je nach Uhr- und Tageszeit und besteht aus verschieden teuren Energien. Allerdings zahlen alle für ihren Strom den gleichen Preis. Wer also theoretisch zur richtigen Tageszeit, in welcher nicht Gas und Kohle den Strommix dominieren, seinen Strom kauft und verbraucht, kann ein paar Cent pro Kilowattstunde sparen. Das macht sich Tibber zu nutzen.


Die Tibber-Tarife

Tibber unterscheidet dabei zwischen zwei Tarifen: dem „monatlich dynamischen Tarif" und dem „stündlich dynamischen Tarif". Im Monatstarif kann der Verbraucher an jedem 1. des Monats seinen Zählerstand in der Tibber-App eintragen und so verbrauchsgenau zum durchschnittlichen Börsenstrompreis des Monats abgerechnet werden. Dieser Tarif ist für alle zugänglich. Für den stündlich dynamischen Tarif benötigt Tibber aktuelle Verbrauchsdaten, wofür ein intelligentes Messsystem oder eine moderne Messeinrichtung (digitaler Zähler) und der Tibber-Pulse (Stromtracker) benötigt werden.


Denn in Deutschland gibt es den analogen und den digitalen Stromzähler. Der analoge Zähler ist rein mechanisch und nicht in der Lage, Daten zu senden, die für den stündlichen Tarif vonnöten sind. Um den stündlichen Tarif zu nutzen, braucht man einen modernen Stromzähler mit intelligentem Messsystem. Den Einbau eines solchen Smart-Meters bietet Tibber (nach Vertragsabschluss) bereits in einigen Netzgebieten in Deutschland an. Auch die Bundesregierung will solche Smart-Meters fördern. Kürzlich heißt es in einem Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums, dass dieses den Einbau intelligenter Stromzähler (Smart-Meters) in Haushalten und Gewerbe deutlich beschleunigen will.


Ein digitaler Stromzähler ist für die nötige Datenübertragung grundlegend auch nicht von alleine fähig, er müsse erst „smart" werden, wie es auf der Website von Tibber heißt. Dazu braucht es den hauseigenen Stromtracker „Tibber Pulse", welcher für Nicht-Kunden 139,95 Euro und für Kunden 99,95 Euro kostet. Anschließend kann der Verbraucher zum stundenaktuellen Börsenstrompreis abgerechnet werden. Diesen kann man dann in der Tibber-App einsehen. Mit der App können Nutzer ebenfalls Rechnungen einsehen, smarte Erweiterungen für das Haus steuern und die verschiedenen Spartools der App nutzen.


Versteckte Kosten

Im Gegensatz zu herkömmlichen Stromanbietern wirbt Tibber damit, dass sie nichts am eigentlichen Verbrauch verdienen, sondern nur an einer Grundgebühr von 3,99 Euro. Matthias Moeschler von der Verbraucherhilfe Stromanbieter sagt der Berliner Zeitung allerdings: „Die Kunden müssen - so wie auch bei anderen Anbietern - Umlagen, Mehrwertsteuer, Stromsteuer und Netzentgelte zahlen. Hinzukommen dann noch die 3,99 Euro Grundgebühr für die Dienstleistung von Tibber. Für mich klingt es nicht ganz transparent, wenn Tibber sagt: ‚Sie zahlen die Börsenpreise und 3,99 Euro.'" Tibber streitet diese Vorwürfe gegenüber der Berliner Zeitung ab und sagt: „Wir machen jedem potenziellen Kunden vor Vertragsabschluss in unserem Preisrechner auf der Website transparent, wie sich der Preis zusammensetzt."


Was taugen dynamische Tarife?

Christina Wallraf von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen kritisiert das Geschäftsmodell von Tibber an sich. Sie sagt der Berliner Zeitung: „Die flexiblen Preise stellen für Verbraucher und Verbraucherinnen eine große Unsicherheit dar. Die Strombörsenpreise sind stark volatil, hängen auch stark am Gaspreis." Daher würde sie Verbrauchern aktuell nicht zu diesen Tarifen raten.


Tibber entgegnet der Kritik: „Dynamische Tarife sind ein unverzichtbares Werkzeug für eine erfolgreiche Energiewende und im europäischen Ausland auch längst erprobter Standard." Die Einkaufsbedingungen seien für alle Stromanbieter gleich: „Bei dynamischen Tarifen sind Preisbewegungen in beide Richtungen nur schneller spürbar."


Tibber stehe mit Verbraucherschützern im engen Austausch und die Verbraucherzentrale Bundesverband begrüße in einer Stellungnahme ausdrücklich, „die Verpflichtung für Stromlieferanten, Verträge mit dynamischen Stromtarifen anzubieten". Das sieht auch die Bundesregierung ähnlich. Ab 2026 müssen alle Versorger ihren Kunden dynamische Stromtarife anbieten, wie es jetzt in einem Gesetzentwurf des Wirtschaftsministeriums heißt.


Lohnt sich Tibber?

Matthias Moeschler von der Verbraucherhilfe Stromanbieter meint, Tibber lohnt sich „für jene, die aktiv die Börsenpreise im Blick haben und die nicht viel Wert auf eine Preisgarantie setzen. Ich zum Beispiel würde mich nicht für Tibber entscheiden. Ich möchte es einfach haben. Ich will mich nicht regelmäßig über die aktuellen Strompreise informieren, die Waschmaschine nur dann einstellen, wenn die Börsenpreise niedrig sind."


Zudem seien die „normalen" Tarife einfacher, weil man weiß, wie viel man zahlt, mit gleichbleibenden Abschlägen. „Da aktuell die Börsenpreise recht teuer sind, gibt es für mich günstigere Anbieter." Längerfristig, wenn die Börsenpreise sich wieder normalisiert hätten, wäre Tibber allerdings eine Alternative zu Tarifen mit Festpreis (und damit auch Preisgarantie), wie der Experte der Berliner Zeitung sagt.


Tibber entgegnet: „Blickt man auf das Jahr 2021, lag unser monatlicher Durchschnittspreis für den Raum Berlin genau im berechneten Jahresdurchschnitt von 30 Cent. Das ist deutlich günstiger als in den meisten aktuellen Verträgen." Außerdem müssten auch die anderen Stromanbieter erhöhte Beschaffungskosten weitergeben, es dauere oft nur etwas länger als bei Tibber. Mit der Tibber-App hätten Kunden außerdem den großen Vorteil, gerade zu teuren Zeiten die volle Kontrolle über Kosten und Verbrauch zu behalten: „So droht keine böse Überraschung am Ende des Jahres."


Eine Beispielrechnung zeigt, dass Tibber sich durchaus finanziell lohnen kann: Eine vierköpfige Familie mit einem Verbrauch von 4250 kWh in Berlin (Postleitzahl 10439) zahlte beim billigsten konventionellen Stromanbieter Vattenfall Natur12Strom für ein Jahr Ökostrom 180,63 Euro im Monat. Berücksichtigt sind dabei der einmalige 81-Euro-Neukunden- und Sofort-Bonus. Bei Tibber hingegen hätte die Familie trotz der drastisch gestiegenen Börsenstrompreise wegen des Ukraine-Kriegs 154,03 Euro bezahlt. Sie hätte also 26,60 Euro im Monat gespart, 319,20 Euro im Jahr.

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