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Kochen in der Hospizküche: Das Lieblingsessen als letztes Mahl

Auf den ersten Blick könnte man meinen, man stünde in der WG-Küche eines Studentenwohnheims. Der Boden ist aus Linoleum, die Hängeschränke sind nicht blau, nicht grau, darauf ein Sammelsurium aus Backformen und Schüsseln, und auf der Fensterbank, hinter der Spüle, wachsen Petersilie und Schnittlauch in bunten Blumentöpfen. Dass hier aber keine Kochabende oder WG-Partys stattfinden, deutet ein weiteres Waschbecken an, über dem drei Spender mit Hygieneseife und Desinfektionsmittel hängen, sowie eine Anleitung zum richtigen Händewaschen. Überhaupt ist dies ein Ort, an dem einiges anders ist, als man im ersten Moment vermuten mag. Denn die Küche des Hospizes Kafarnaum in Baden-Baden steht, obgleich hier der Tod allgegenwärtig ist, in ihrer Freude und Lebendigkeit einer WG-Küche in nichts nach. Verantwortlich dafür ist Christiane Stangier, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Essenswünsche der Bewohner zu erfüllen.

Seit 8 Uhr steht Christiane Stangier heute in der Küche des Hospizes. An diesem Dienstag soll es Maultaschen geben. „Manchmal mache ich auch das Gericht, das mir gerade einfällt, aber meistens sind es die Wünsche der Gäste, und das ist oftmals Hausmannskost", erklärt Stangier, 51, und gibt die Maultaschen in einen großen Topf mit heißer Brühe.

Seit April letzten Jahres kommt Stangier, blonde Locken, Brille, an drei Tagen in der Woche in das Hospiz. An den restlichen Tagen werden die Kranken mit dem Essen des naheliegenden Krankenhauses versorgt. „Ich glaube, das ist ganz gut, dass wir das so machen, so bleibt es immer noch etwas Besonderes. Man merkt schon, dass die Freude sehr groß ist, wenn man kommt." Das Essen plant sie am Anfang der Woche, doch auch, wenn sie nur an drei Tagen kocht, bleibt der Einkauf eine Herausforderung, denn sie kann nie wissen, wie sich der Gesundheitszustand der Gäste in der Zwischenzeit entwickelt hat oder ob ein Gast verstorben ist. So werden oft zu viele Essen bestellt, und falls jemand seine Medikamente schlecht verträgt, macht Stangier auch einfach mal eine klare Brühe.

Teamarbeit in der Hospizküche

Die Köchin beginnt die Tage damit, dass sie morgens die Zutaten in einem kleinen Lebensmittelgeschäft in der Nähe des Hospizes oder auf dem Wochenmarkt in Baden-Baden kauft - fast ausschließlich Bio-Produkte, denn genau so kauft sie auch für sich selbst ein, „und wieso soll ich es für die Gäste schlechter machen?", fragt sie und lacht.

Stangier lacht viel, wenn sie erzählt, und verbreitet so Fröhlichkeit an einem Ort, an dem man eigentlich viel Traurigkeit vermutet. Als eine Freundin sie vor zwei Jahren fragte, ob sie nicht im Hospiz kochen möge, weil sie doch so viel Freude am Kochen habe, war sie sich anfangs nicht sicher, ob sie für Schwerkranke kochen könne. „Ich kannte mich mit dem Krankenwesen gar nicht aus." Hinzu kommt, dass Stangier keine ausgebildete Köchin ist, sondern Hotelbetriebswirtin, und als Eventmanagerin arbeitete. Bevor sie die Stelle im Hospiz annahm, hat sie von zu Hause aus eine Marketingfirma für Freunde geführt, die im Hotelbereich arbeiten. Doch bei der Arbeit von zu Hause vermisste sie den Kontakt zu anderen Menschen. „Das spielte, bevor ich hier angefangen habe, alles in meine Überlegung mit rein, also habe ich mir überlegt, ob das was für mich ist." Die Teamarbeit, die ihr vorher so fehlte, hat sie jetzt im Hospiz gefunden, und das Team führte auch dazu, dass Stangier schnell merkte, dass dieser Ort gar nicht so traurig ist, wie sie erwartet hatte. „Durch die netten Menschen um einen herum, die netten Ehrenamtlichen, Schwestern und Gäste, ist es wirklich auch eine Gemeinschaft."

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